Katerdämmerung. Petra Zeichner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Zeichner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016758
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Und Junge sollen sie haben.“ Robin hörte auf, die Milch zu schlabbern, setzte sich auf und spitzte die Ohren.

      „Geht das nicht etwas schnell?“, fragte Jens. „Zuerst willst du gar keine und auf einmal eine Katzenzucht?“

      „Ich hab´s dir nicht gesagt, Jens, aber ich denke darüber schon eine Weile nach.“ Elke stand auf und ging ins Nachbarzimmer. Kurz darauf kam sie mit einem Prospekt in der Hand wieder rein. „Hier. British Shorthair. Sehen die nicht knuffig aus?“

      Jens blätterte in dem Prospekt.

      „Wie ein Teddy, selbst als ausgewachsene Katze noch“, antwortete er. „Und so eine Art Hamsterbacken haben sie, dadurch sehen sie wirklich drollig aus.“

      Robin plusterte seine Backenhaare auf. Er miaute vorwurfsvoll. Rassekatzen! In all den Jahren, die er im Tierheim verbracht hatte, hatte er schon einige von ihnen kommen und gehen sehen. Das Gehen war bei ihnen immer schneller gegangen als bei den anderen. Mischlinge wie er, Europäisch Kurzhaar zwar, aber mit einem Schuss Perser, hatten schlechtere Karten, von dort wegzukommen. Vor allen Dingen mit einer Allerweltszeichnung wie er, oben grau-schwarz getigert, Brust, Bauch und Beine weiß. Wenn er es sich genau überlegte, so schlecht war es gar nicht gewesen. Die Tierpflegerinnen und Tierpfleger waren nett, besonders die eine, er konnte sich ob seiner Größe unter all den anderen Katzen und Katern gut behaupten und zu Fressen gab es auch genug – zumindest wenn man sich beeilte, an den großen Napf zu kommen, der für mehrere Katzen reichen musste. Deshalb drängte er sich nie in den Vordergrund, wenn Besucher kamen. Man wusste nie, an wen man geriet. Dann wurde er zum Lebensretter des Kätzchens, weil Flora sich nicht gekümmert hatte. Dieser Tag veränderte alles. Nie hatte Robin viel für Katzenwürfe übrig. Aber dieser kleine Kerl lag hilflos auf dem kalten Betonboden, da konnte er nicht anders als sich um ihn kümmern. Überall wackelte der Welpe hinter ihm her, sobald er laufen konnte. Robin kam sich wie ein Vater vor.

      Als der Kleine etwa sechs Monate alt war, erzählte er Robin von seinem Verdacht: Dass sein Geschwisterwelpe keines natürlichen Todes gestorben sei, dass er zwar noch keine Beweise habe, aber schon wisse, wo er ansetzen müsse. Einen Monat später verschwand er plötzlich. Am helllichten Tag, ohne ihm Lebewohl zu sagen. Vermutlich im Kofferraum des Mannes, der regelmäßig das Futter brachte, wie Robin die Tierpflegerinnen untereinander hatte reden hören.

      An diesem Tag fasste Robin einen Entschluss: Er würde den Schwarz-Weißen finden und er würde ihm helfen herauszufinden, warum dessen kleiner Bruder gestorben war. Dafür musste er das Tierheim verlassen. Die Gelegenheit war da, als die Schönings kamen um sich eine Katze auszusuchen. Kaum hatte sich Stefan in die Mitte all der Katzen auf einen Hocker gesetzt, sprang Robin auf seinen Schoß. Er hatte sich seine Besitzer ausgewählt.

      „British Shorthair?“, fragte Elke und riss Robin aus seinen Gedanken.

      „Also gut“, stimmte Jens zu.

      Robin rümpfte die Nase. Dann lief er in den Flur und miaute fordernd vor der verschlossenen Wohnungstür. Jens ließ den Kater ins Treppenhaus.

      Die Schönings waren mit dem Abendessen fertig. Stefan bestückte die Spülmaschine, wusch zwei Töpfe mit der Hand. Johanna saß am Esstisch im Wohnzimmer und las die Wetterauer Zeitung.

      „Na, was ist los in unserer Kleinstadt?“ fragte Stefan.

      „Och, das Übliche halt. `Auto gerammt und weg´, `Landfrauen feiern 20-Jähriges´, `Erwin Rosbach gewinnt zum dritten Mal bei Allgemeiner Rassegeflügelschau´.“

      Stefan grinste. „Beschaulich geht´s zu bei uns. Das liebe ich.“

      „Na ja, mir ist das manchmal zu beschaulich.“

      „Aber für Robin gerade gut“, sagte Stefan. „Besonders hier in der Freiherr-von-Stein-Straße. Sackgasse, kein Durchgangsverkehr, viele Gärten.“

      Johanna wiegte den Kopf. „Das schon, aber die B 3 ist nicht weit. Hoffentlich passiert ihm da nichts.“

      „Glaub´ ich nicht. Hast du schon mal gesehen, wie viel Angst Robin vor Autos hat? Bestimmt wagt er sich nicht einmal in die Nähe der Bundesstraße.“

      Johanna blätterte weiter in der Zeitung.

      „Oh!“, sagte sie erschreckt.

      „Was ist?“

      „`Totgeburt im Tierheim´, hier ist im Tierheim Amalienhof“, Johanna hielt inne und schaute Robin an, der mit einem Mal auf der Türschwelle saß.

      „Wo warst du schon wieder, hm?“

      „Futter fassen“, miaute Robin vorwurfsvoll. „Du gibst mir ja nicht genug.“

      Johanna las weiter.

      „`Vor einem Monat hatte eine Katze im Tierheim Amalienhof in Butzbach eine Frühgeburt. Vier Wochen vor dem Geburtstermin kamen drei Welpen zur Welt. Sie überlebten nur mit viel Mühe der Tierpfleger. Vor einem Jahr hatte die gleiche Katze schon einmal eine Fehlgeburt, dabei war ein Kätzchen bei der Geburt gestorben. Die Mitarbeiter haben Grund zu der Annahme, dass äußere Einflüsse der Grund für die Früh- und Totgeburten sein könnten. Bisher reichen die Beweise jedoch nicht aus, um damit zur Polizei zu gehen. Die Tierpathologie in Gießen müsste die Katze untersuchen, diese Untersuchungen sind teuer. Das Tierheim bittet nun um Spenden. Spendenkonto und so weiter.´“

      Robin hatte mit gespitzten Ohren Johannas Worten gelauscht. Tierheim Amalienhof, die Kätzchen. Er knurrte bei dem Gedanken an den kleinen Schwarz-Weißen, dem er sieben Monate lang ein Vater gewesen war und der sich dann einfach aus dem Staub gemacht hatte.

      Johanna und Stefan blickten überrascht zu ihrem Kater.

      „Was hat er denn?“ fragte Stefan.

      „Keine Ahnung, vielleicht ist ihm mal wieder eine Fliege entwischt“, antwortete Johanna.

      „Wenn ihr wüsstet“, brummte Robin wütend.

      „Ich muss noch Unterricht vorbereiten“, sagte Johanna und stand auf.

      „Ich auch“, sagte Stefan und hängte das Geschirrtuch an die Hakenleiste hinter der Tür.

      „Wer fährt morgen mit Robin zur Tierärztin wegen der Impfung?“, fragte Johanna. „Kannst du das machen? Ich habe morgen Abend noch eine AG.“

      „Meinetwegen. Aber dann musst du die Getränke einkaufen.“

      „Schon wieder? Immer diese Schlepperei“, nörgelte Johanna.

      „Warum beschwerst du dich? Es sind nur die paar Schritte vom Auto bis zum Eingang, und dort kannst du die Kisten und Flaschen in den Aufzug stellen.“

      Johanna seufzte.

      „Unseren Vorbesitzern aus der Hotellerie sei Dank.“

      „Nicht nur denen. Erinnerst du dich an die Eigentümerversammlung vor drei Jahren, als die früheren Bewohner aus dem zweiten Stock den einstigen Speisenaufzug ausbauen lassen wollten?“

      „Was ein Glück, dass sie sich damit nicht durchsetzen konnten.“

      „Stimmt“, entgegnete Stefan. „Aber ein Gutes hatte ihr Vorstoß. Seit dem sind die hässlichen Knöpfe für die Bedienung des Aufzugs weg. Die hölzernen Verzierungen, die sie ersetzen, passen viel besser.“

      Robin brummte und verließ die Küche. Er sprang auf seinen Kratzbaum und legte sich auf das oberste Podest. Den Kopf legte er auf seine Vorderpfoten, schaute zur Balkontür hinaus und sinnierte. Zur Tierärztin ging es immer abends. Wenn er zu spät von seinem Ausgang zurückkam, bliebe ihm dieser Weg vielleicht erspart. Eine Amsel setzte sich auf das gusseiserne Balkongeländer. Robin beobachtete den Vogel ohne großes Interesse. Satt und schläfrig schloss er die Augen und hörte die Amsel zwitschern. Minuten später rannte er durch eine Wiese, deren Gräser höher als er selbst waren. Es war Sommer, überall standen Blumen, blaue und weiße und diese hohen, grünen Gewächse mit den Stacheln. Aus dem Stand sprang er in die Höhe und dabei immer wieder ein paar Zentimeter weiter. Als er nach einem solchen Satz neben einem der stacheligen