Eolanee. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847688563
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ihres eigenen Körpers. Mühelos fand sie dabei die Bereiche, in denen die Lebenssäfte des Baumes nicht richtig flossen oder die Strukturen eine Veränderung zeigten, die auf eine Erkrankung oder den Befall durch einen Schädling hinwiesen. Ja, sie empfand sogar ein unangenehmes Ziehen, dass ihr den Fressgang eines Käfers oder sogar das Insekt selbst anzeigte. Es war wie eine Handlung, die sie vollzog. Als gebe sie ihrem Körper den Befehl, den Arm auszustrecken.

      Das, was nun mit ihr geschah, war vollkommen anders.

      Während sie als Hüterin die Impulse des Baums passiv in sich aufnahm, spürte Eolanee, wie sie nun ihrerseits Impulse aussandte. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, ob es bewusste Gedanken oder unterbewusste Instinkte waren, die sie nutzte. Aber sie wusste, dass sie Gefühle in jenen bösartigen Kreaturen hervorrief, die dort draußen durch die Nacht schlichen.

      Irgendwo ertönte ein lang gezogenes Heulen. Einer der Kegelbäume hatte eine weitere der Kreaturen ergriffen, tötete sie und begann sie in Nährstoffe umzuwandeln. Aber es waren noch viel mehr in der Nacht unterwegs. Eolanee fühlte ihre Boshaftigkeit und Blutgier. Diese Wesen schlichen um den Ring der Kegelbäume herum. Sie suchten die Lücken, die es ihnen ermöglichten, außerhalb der Reichweite der Fangwurzeln auf den Platz vorzustoßen. Die sechsbeinigen Räuber mussten extrem feine Sinne haben, denn sie ignorierten die Menschen auf den Rundgängen der Häuser und versuchten Gendas, seine Begleiter und Eolanee zu erreichen.

      Die Bewohner Ayans waren aus ihren Häusern getreten, denn sie begriffen, dass sie innerhalb der Reichweite der Fangwurzeln vor den Angreifern sicher waren. Mehrere von ihnen riefen nach den Auraträgern, von denen nichts zu sehen oder zu hören war. Waren die Männer den Bestien zum Opfer gefallen? Waren sie zu weit entfernt, um die bedrohliche Lage zu erkennen?

      Erneut gelangte eine Kreatur zwischen den Kegelbäumen hindurch. Sie blieb am Rand des Lichtscheins stehen, der den Versammlungsplatz erhellte. Der lange Schädel mit dem aufgerissenen Maul bewegte sich unruhig hin und her. Die rötlichen Augen schienen Eolanee zu fixieren. Das Tier lauerte auf eine Möglichkeit, die junge Frau zu töten, doch es zögerte. Seine Unruhe war spürbar.

      Eolanee hatte schon Raubtiere gesehen, die sich auf den tödlichen Sprung vorbereiteten. Hatte gesehen, wie die Tiere sich an ihre Beute heran pirschten und sich dann duckten, das Ziel starr ansahen und ihre Muskeln anspannten. Diese Kreatur verhielt sich anders. Sie begann unruhig hin und her zu laufen. Die beiden vorderen Beine waren in Eolanees Richtung ausgestreckt und bewegten sich zuckend. Dann hob die Bestie den Kopf, schien zu wittern.

      Aus der Nähe ertönte ein lang gezogener Laut. Er war anders als jene, den die Bestien ausstießen, wenn die Wurzeln sie ergriffen. Dieses Heulen klang wie ein Signal, eine Warnung. Das Tier vor Eolanee erwiderte den Ruf, wandte sich unvermittelt um. Es ließ sich auf alle sechs Läufe nieder und verschwand.

      Ein schwaches Stampfen war zu spüren. Ein sanftes, rhythmisches Vibrieren im Boden und wenige Augenblicke später erschien der massige Leib eines Hornlöwen im Lichtschein. Erleichterte Rufe erklangen von den Häusern, als ein zweiter Auraträger auf seinem Tier heran trabte.

      Eolanee wusste, dass sie endgültig in Sicherheit war und sackte erleichtert in sich zusammen.

      Gendas und seine Begleiter, welche die ganze Zeit wie gebannt zugesehen hatten, hasteten zu ihr und einer der Reiter näherte sich ebenfalls und sprang mit elegantem Schwung aus dem Sattel.

      „Warum habt ihr euch so viel Zeit gelassen?“, stieß Gendas wütend hervor. „Die Nacht war voller Bestien und es hätte nicht viel gefehlt und diese Viecher hätten uns gefressen.“

      Der Auraträger ging neben Eolanee in die Hocke. „Wir hörten eure Stimmen und Rufe, aber wir wussten, dass die neue Baumhüterin eintreffen sollte und dachten, ihr würdet sie begrüßen. Ein Bär war im südlichen Wald und wir vertrieben ihn. Auf dem Rückweg spürten wir dann die Anwesenheit einer Aura.“ Der Mann mit dem blauen Umhang und dem Stirnreif der Auraträger sah die ungläubigen Blicke der Männer und nickte. „Glaubt mir, ich kenne die Ausstrahlung einer Aura. Sie ist unverwechselbar. Sie war ungewöhnlich und pulsierte unruhig, aber es war unverkennbar eine Aura.“

      Der andere Reiter stieg ebenfalls ab. „Die Bestien sind fort. Ich kann ihre Ausstrahlung am nördlichen Ende des Tales spüren. Sie entfernen sich.“ Er trat näher und Eolanee erkannte nun Nador Ma´ara, der sie forschend ansah.

      „Ich habe sie ebenfalls gespürt“, flüsterte sie benommen. „Eine bösartige Ausstrahlung. Wie ein dunkler Schatten, der sich über das Land legt.“

      Der erste Auraträger richtete sich auf und trat zwischen die Bäume. Während Nador die junge Baumhüterin noch immer wortlos ansah, suchte sein Begleiter nach einer der getöteten Kreaturen. Schließlich kehrte er zurück. „Ein verdammter Schattenwolf. Es war ein Rudel Schattenwölfe.“

      „Bist du dir sicher?“ Nador schien verwundert.

      Der andere seufzte. „Glaub mir, ich habe im Handelsposten genug Beschreibungen von diesen Bestien gehört, um sie erkennen zu können. Es waren Schattenwölfe.“

      „Das ist schlimm“, seufzte Nador. „Die Legenden berichten von diesen Bestien und dass unsere Aura bei ihnen versagen soll. Doch sie waren nie eine Gefahr, da sie nur im großen Gebirge leben.“

      „Nun, dies waren Schattenwölfe und so dringen sie jetzt wohl nach Süden vor.“

      Nador schüttelte den Kopf. „Das kann ich kaum glauben. Das ist mehr als ungewöhnlich. Sie sind noch nie nach Süden herunter gekommen.“

      „Jetzt sind sie es.“

      „Das ist schlecht. Verdammt schlecht sogar.“ Nador Ma´ara stieß einen grimmigen Fluch aus und sah zu, wie Gendas und seine Begleiter Eolanee auf die Beine halfen. „Der Rat muss davon erfahren. Diese Bestien sind gefährlich.“

      Osenas kam aus dem Dunkel hervor und eilte an Eolanees Seite. „Ihr solltet dem Rat auch berichten, dass Eolanee Gendas und die anderen gerettet hat.“

      „Ja, das ist wahr“, bestätigte Gendas. „Einer der Schattenwölfe griff uns an, aber die junge Hüterin hat ihn vertrieben.“

      Der Auraträger runzelte überrascht die Stirn. „Die Hüterin vertrieb eine Bestie?“

      „Ich glaube, sie hat die Aura“, sagte Gendas andächtig. „Als der Schattenwolf sich ihr näherte, da packte ihn die Furcht und er floh.“

      „Es heißt, die Aura wirke nicht bei Schattenwölfen“, zweifelte Nador.

      „Die Hüterin hat sie vertrieben“, beharrte der dankbare Gendas.

      „Das ist wirklich ungewöhnlich“, brummte Nador. Er strich sich unsicher über das Kinn. „Und es gefällt mir nicht. Kein weibliches Wesen beherrscht die Kraft der Aura.“

      „Eolanee ist auch eine außergewöhnliche Hüterin.“ Itena eilte heran und legte schützend einen Arm um Eolanee. „Jeder von uns kann euch das bestätigen. Wir haben einen geschädigten Baum und sie fand die Ursache, ohne ihn zu berühren. Sie ist sehr begabt.“ In Itenas Stimme klang ein Stolz mit, als sei sie es gewesen, die Eolanees Fähigkeiten entdeckt und gefördert habe. „Und ich habe ebenfalls gesehen, wie der Schattenwolf vor ihr gewichen ist.“

      „Ich kann nicht beurteilen, ob sie wirklich die Gabe der Aura hat“, sagte Nador. „Aber die Möglichkeit scheint zu bestehen. In jedem Fall muss der Rat davon erfahren. Und er muss vom Vordringen der Schattenwölfe wissen. Diese Bestien waren noch nie so weit im Süden.“

      „Die Bäume schützen uns“, wandte Osenas ein. „Und natürlich die Kraft der Aura.“

      Nador schüttelte den Kopf. „Diese Kreaturen sind erst gewichen, als wir sehr nahe an den Häusern waren. Jedes andere Raubtier wäre viel früher geflohen. Unsere Aura scheint bei ihnen nur sehr schwach zu wirken. Ich fürchte, diese Schattenwölfe werden uns gefährlicher, als wir im Augenblick noch ahnen.“ Er strich sich über das Kinn. „Die Legenden sagen, dass diese Kreaturen den Schatten und die Dunkelheit lieben und das Licht scheuen. Es mag also sein, dass man am hellen Tag vor ihnen