Ich schneide dir die Ohren ab - bis auf zwei. Babette Guttner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Babette Guttner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741849954
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weh. Sie wurden dann im Keller gelagert und mussten bis zur nächsten Ernte reichen. Die zwei feinen Tanten aus der Stadt sind nach der Ernte gekommen, um ihren Vorrat für den Winter abzuholen. Großmutter meinte zwar immer, sie hätten auch früher kommen können um zu helfen.

      Auch Rüben für die Kühe wurden vom Feld geholt und gelagert.

      Kraut wurde geerntet und mit einem Hobel geschnitten und in ein irdenes Fass geschichtet. Dazu wurden meine Füße geschrubbt und sauber abgetrocknet. In das Fass kam eine Schicht Kraut und eine Salzmischung und dann kam ich zum Einsatz. Ich musste mit meinen Füßen das Kraut verdichten. Einstampfen sozusagen. Das Fass wurde nicht ganz vollgefüllt, denn es wurde noch eine Holzscheibe auf das Kraut gelegt und mit einem großen Pflasterstein beschwert. Darüber kam noch ein sauberes Leinentuch.

      Nun konnte das Kraut seinen Gärungsprozess durchlaufen. Ab und zu wurde nachgeschaut und der Schaum abgeschöpft, der sich bildete. Nach ein paar Wochen konnte man es herausnehmen und kochen. Portionsweise natürlich. Es hat den ganzen Winter gereicht, obwohl es jeder Samstag Sauerkraut und Dotsch (Kartoffelpuffer) gab.

      Äpfel und Birnen sind in Holzkisten gelagert worden. Von Pflaumen und anderen Früchten haben wir Marmelade gekocht. Karotten sind in Sand gelegt, und Gemüse in Gläser eingeweckt worden. Damals mussten noch Vorräte angelegt werden.

      Für das Mehl das wir brauchten, haben wir unser geerntetes Getreide zu unseren Nachbarn, der eine Mühle besaß, gefahren. Später haben wir das fein gemahlene Mehl und die Kleie abgeholt. Das Mehl kam in eine große Truhe aus Holz, die auf dem Dachboden stand. Die Kleie wurde an die Säue verfüttert.

      Der Winter konnte kommen.

      Im Winter kam der Bruder meiner Großmutter und hat unser selbst gefüttertes Schwein geschlachtet. Es wurde mit einem Schießbolzen betäubt und dann fachmännisch gestochen.

      Ich musste mit einem Eimer das Blut auffangen und ständig rühren, damit das Blut nicht gerinnt. Diese Arbeit tat ich ungern denn ich ekelte mich vor dem Blut. Aber danach hat niemand gefragt. Es musste gemacht werden und da es sonst keiner tun wollte, traf es jedes Mal mich. Später wurden daraus Blutwürste gemacht. Bis heute kann ich solche Würste nicht essen.

      Das Schwein wurde in den Waschtrog gelegt, mit Pech eingerieben und mit heißem Wasser übergossen. Dann wurden mit Schabern die Borsten entfernt. Es war kalt und man musste im Freien arbeiten. Nachdem die Sau fachgerecht zerlegt wurde, konnte man drinnen weitermachen. Einige Fleischstücke wurden gepökelt, und nach ein paar Tagen in die Räucherkammer, auf dem Dachboden, gehängt. Anderes Fleisch wurde durch den Fleischwolf gedreht und zu Wurst verarbeitet. Der Wäschekessel ist schon am frühen Morgen aufgeheizt worden, weil viel heißes Wasser gebraucht wurde. Darin sind dann die Würste und das Fleisch das nicht zum Räuchern verwendet wurde, gegart worden. Da manches Würstchen aufgeplatzt ist, gab es eine gute Wurstsuppe. Es wurde nichts weggeworfen.

      Nachbarn kamen mit Milchkannen und haben sich so eine Suppe geholt. Das eine oder andere Würstchen war darin und ein Stück Fleisch.

      Die fertigen Würste kamen dann, in einen Raum im Obergeschoss des Hauses, denn da wurde nicht geheizt. Dort war es bitterkalt und so hielten sich die Würstchen länger frisch. Kühlschrank gab es ja nicht.

      Ich schlich oft hinauf und habe so manches Würstchen heimlich verdrückt.

      Im nahe gelegenen Ort gab es einen »Krämerladen.« Zucker und Reis wurden noch abgewogen und in eine Papiertüte verpackt.

      Mit meiner Tante durfte ich manchmal einkaufen gehen. Der Laden stand mitten im Dorf und war ca. einen Kilometer von unserem Haus entfernt. Etwa zwei Kilometer westlich von uns in dem anderen Dorf gab es noch einen Krämer. Dort gingen wir auch zum Einkaufen und besuchten dann die Schwester meiner Großmutter. Sie wohnte direkt gegenüber vom Krämerladen. Einmal durfte ich mit der Tante Irma dorthin.

      Beim nach Hause gehen mussten wir über den großen Dorfplatz. Alte Frauen standen bei der Dorfkapelle beisammen und tratschten.

      Als wir vorbeigehen wollten fragte eine Frau: »Na, wem gehört den das nette Mädchen, es ist wohl die Tochter eurer Gertrud.« Tante Gertrud war verheiratet und ihr Mann in Stalingrad vermisst.

      Sie kramte in ihrer Schürzentasche, alle Frauen trugen damals auch außer Haus eine Kittelschürze, und sagte: »Ich habe bestimmt noch ein Zuckerl in meiner Tasche, das sollst du haben, weilst gar so schön bist.«

      Meine Tante meinte: »Nein, nein das ist der Hanne ihre«, so hieß meine Mutter. Die Frau hat wie versteinert geschaut und nach dem Bonbon hat sie auch nicht mehr gesucht. Die anderen haben sich weggedreht und waren gar nicht mehr freundlich. Tante Irma wurde noch gefragt: »Warum nimmst du das Kind überhaupt mit, wegen uns könntest du die da zu Hause lassen.« Auf dem Heimweg hat meine Tante geschimpft: »Diese eingebildeten Weiber sollen sich um ihre eigenen Sachen kümmern.«

      Die Kühe gaben Milch und man musste sie durch die Zentrifuge drehen. Dort wurde der Rahm gewonnen. Der wurde ein paar Tage gesammelt und dann in das Butterfass geschüttet.

      Außen war eine Kurbel, daran musste ich drehen. Innen bewegten sich kleine Schaufeln aus Holz und nach langer Zeit wurde Butter gewonnen. Die Arme haben mir ganz schön wehgetan und ich war froh, wenn mich meine Tante ablöste.

      Aus der übrig gebliebenen sogenannten Buttermilch kochte meine Tante am Abend eine Suppe. Meine Mutter aß diese gerne und hat auch mir den Teller immer vollgemacht. Randvoll!

      Ich mochte die Suppe gar nicht, musste sie aber trotzdem essen. Wer den Teller nicht leer gegessen hatte bekam auch nicht anderes zu essen. Nun saß ich eine Stunde vor dem Teller und mühte mich ab. Meine Mutter war gnadenlos und blieb so lange bei mir sitzen, bis ich den Teller leer gegessen hatte. Meine Großmutter hat schon geschimpft, sie soll mich nicht so quälen und mir eine kleine Portion in den Teller geben, aber meine Mutter lies sich nicht erweichen.

      Ich musste folgen und ich durfte nicht widersprechen.

      Tat man es doch einmal, gab es sofort Ohrfeigen, je nach Laune auch mal drei oder vier. Habe ich dann geheult, folgten noch ein paar hinterher. Oder ich wollte ein bestimmtes Kleid nicht anziehen, weil es am Hals so eng war, da hat sie mich so verhauen, meine Großmutter wollte einlenken, aber sie lies sich von ihr nichts sagen.

      Und meine Großmutter lag im Bett und war auf die Hilfe ihrer Töchter angewiesen und deshalb dann still.

      In den Unterricht bin ich gern gegangen. Ich lernte viel Neues und konnte in den Pausen mit anderen Kindern spielen. Nach der Schule wurde ich sofort erwartet, denn für mich gab es auch immer Arbeit. Mein Onkel meinte, wer am Tisch sitzt und isst, muss auch arbeiten.

      Holz aufschichten und Abfallholz bündeln.

      Unser Lehrer hat uns in der ersten Klasse auf den Muttertag vorbereitet. Wir mussten ein Gedicht lernen und er hat uns geraten, es noch vor dem Frühstück aufzusagen. Es wäre auch noch schön, wenn wir der Mutter ein paar Blumen überreichen würden. Sie würde sich bestimmt sehr freuen. Natürlich habe ich die Anweisungen des Lehrers befolgt. Zum einen wollte ich auch einmal etwas richtig machen. Zum anderen wollte ich auch einmal von meiner Mutter gelobt werden und ich malte mir schon aus, dass sie mich anlächeln und in den Arm nehmen würde.

      Also stand ich schon ganz früh auf, ging an den Bach und holte Dotterblumen und Gräser. Daraus habe ich einen schönen Strauß gebunden. Meine Tante Irma gab mir noch ein Stück Seife aus ihrem Wäscheschrank. Seife war damals etwas sehr Kostbares. Mit diesen beiden Geschenken wartete ich in der Wohnküche auf meine Mutter. Ich stand neben dem Bett meiner Großmutter, das auch in der Küche stand. Ich war schon ganz aufgeregt. Denn ich wollte das Gedicht, das wir in der Schule gelernt haben, aufsagen. Dann kam meine Mutter zur Tür herein. Ich trat gleich vor sie hin, habe ihr die Blumen in die Hand gedrückt und alles Gute zum Muttertag gewünscht. Als ich gerade mit dem Gedicht beginnen wollte, hat sie die Blumen auf die breite Fensterbank geschmissen. »Scheiß Muttertag, den braucht keiner und ich schon gar nicht«, schrie sie und hat die Küche verlassen und die Tür hinter sich zugeknallt. Ich stand wie erstarrt. Hatte ich mir das doch so schön ausgemalt und hatte keine Ahnung warum sie so reagiert hat. Meine Großmutter hat mich zu trösten