Ich schneide dir die Ohren ab - bis auf zwei. Babette Guttner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Babette Guttner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741849954
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Zeit einfach nicht vergehen. Am späten Nachmittag musste ich dann ins Bett gehen und schlafen bis das Christkind kam.

      Alfons, der Sohn unserer eingewiesenen Mitbewohner, kam dann mit lautem Hallo an mein Bett und fuchtelte mit einem Kaspar vor meinen Augen herum. Er behauptete, der wäre vom Christkind und ob ich nicht endlich aufstehen wollte, sonst würde ich alles verpassen.

      Ich weiß noch, dass mich das geärgert hat, weil er mein Geschenk schon in der Hand hatte.

      Ich dachte, es wäre das einzige, und das wollte ich doch als Erste sehen.

      Als ich dann in die Stube kam sah ich als Erstes den Lichterbaum und es duftete herrlich nach Zimt und Punsch.

      Da gab es dann zwei Puppen, einen Puppenwagen und ein Schränkchen für die Puppenkleidung. Vom Großvater heimlich gezimmert. Er war hellblau und mit roten Rändern bemalt. In der Tür war ein Herz ausgesägt. Im Schrank befanden sich noch Puppenkleider von meiner Tante gestrickt. Ich war überglücklich.

      Es war das schönste Weihnachten, das ich als Kind erleben durfte.

      Im Januar sind die Puppen allerdings wieder verschwunden und von da an habe ich sie jedes Jahr zu Weihnachten wieder bekommen. Nur der Teddybär der brummte, sobald man in bewegte, durfte ich behalten. Der hat nach drei Tagen schon sein Bein verloren, aber ich liebte ihn sehr.

      An langen Winterabenden spielten wir diverse Brettspiele. Meine Tanten spielten mit mir Mensch ärgere dich nicht. Zeigten mir wie Mühle zu spielen ist und erklärten mir noch andere Brettspiele. Nur meine Mutter mochte mit mir nicht spielen. Ich wäre noch zu klein und würde das nicht verstehen, ich glaube sie wollte gegen mich nicht verlieren. Großvater war da ganz anderer Meinung und brachte mir das Kartenspielen bei. Schafkopf um genau zu sein. War ganz schön schwierig am Anfang. Aber es wurde immer ein vierter »Mann« gebraucht, also ich. Meine Mutter spielte die halbe Nacht mit meiner Tante Linda und bekam am anderen Morgen von meiner Großmutter eine Rüge. »Geh früher ins Bett, dann bist du tagsüber nicht so grantig. Du könntest doch auch mit deiner Tochter spielen. Dieser Tadel verfehlte ihre Wirkung total und ich konnte sie noch so betteln mit mir eine Runde zu spielen, egal was, sie lies sich nicht dazu erweichen. Tante Irma erbarmte sich meiner und sagte: »Spiel mit mir.« Obwohl sie diese Spiele gar nicht mochte, hat sie mir die Freude gemacht und ich war ganz selig.

      Am frühen Morgen, so gegen fünf Uhr, es war noch finster und bitterkalt, stand meine Tante Linda auf und hat den Ofen in der Küche angeheizt. Bis alle anderen im Haus aus den Federn kamen war es schon ein bisschen warm. Es wurde nur die Küche mit einem Holzofen beheizt. Den ganzen Tag musste man aufpassen, dass das Feuer im Ofen nicht ausging. Mehrmals am Tag, durch den Schnee zum Holzlager stapfen und Nachschub holen. Das Bett meiner Großmutter wurde im Winter von der Wohnstube in Küche neben dem Herd gestellt. Das ganze Leben spielte sich nun in der warmen Küche ab. Die Stube wurde nur an den Weihnachtsfeiertagen beheizt. Ansonsten war es im ganzen Haus bitterkalt. Zähneputzen und waschen musste man sich in der Küche und warmes Wasser kam nicht aus der Leitung. Im gemauerten Herd befand sich ein sogenannter Wasserkran. Der wurde mit Wasser gefüllt. Wurde der Ofen beheizt ist automatisch das Wasser warm geworden. Mit einem Becher ist das warme Wasser in eine Waschschüssel geschöpft worden. Diese stand in der Ecke neben dem Herd auf einer kleinen Holzbank. Da musste man sich dann waschen und anziehen.

      Nach dem Frühstück, als es dann draußen heller wurde, sind dann die Stallarbeiten verrichtet worden. Die Hühner und Schweine wurden gefüttert und Hund und Katzen versorgt.

      Es wurden Socken und Westen gestrickt und die Arbeitsklamotten ausgebessert. Mein Großvater holte eine Art Klemmwerkbank in die Küche und fertigte Holzschuhe. Damals ganz normales Schuhwerk. Meine Tanten mussten mit diesen Pantoffeln, noch den langen Weg von vier km, zur Schule gehen. Auch im Winter.

      An einem Sonntag im Frühjahr ging ich mit Großvater zum Markt in die Stadt. Viele Stände gab es da, mit unterschiedlichen Waren, die man kaufen konnte. Töpfe und Pfannen, Handwerkszeug, Bekleidung, Süßigkeiten und Würstel mit Brot. Der »billige Jakob« pries lauthals seine Waren an, und an einem Losstand konnte man sein Glück versuchen. Jede Nummer die man zog, war ein Gewinn. Es waren aber auch viele Nieten dabei und die Leute schimpften. Großvater hat mir auch Lose gekauft. Und siehe da, auf meinem Zettel stand eine Zahl. Sofort bin ich an den Stand mit den vielen Gewinnen gelaufen um stolz meine Nummer zu präsentieren. Die Frau meinte: »Hier aus dieser Reihe darfst du dir etwas aussuchen.« Es war ein kleiner Gewinn in der untersten Reihe. Ein ca. 20 Zentimeter großer hellblauer Teddybär hatte es mir angetan. Als ich ihn in den Händen hielt konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich wollte nur noch nach Hause um meine Errungenschaft allen zu zeigen. Mein Großvater hatte alle Geschäfte getätigt, und so traten wir sofort den langen Heimweg an. In den zweieinhalb Stunden, bis wir zu Hause waren, habe ich meinem Großvater bestimmt gefühlte hundertmal erzählt, welch ein Glück ich doch hatte. Und er hat mir bestätigt, dass ich ein richtiger Glückspilz bin. Daheim angekommen, zeigte ich gleich allen das Stofftier. Die Geschichte mit meinem unverschämten Glück habe ich auch kundgetan. Großmutter hat sich mit mir gefreut, nur meine Mutter hat sich ganz abfällig über meinen Teddy geäußert. »Was verstehst den du schon von Glück. Anstatt des hässlichen Bären hättest du auch etwas Nützliches mitbringen können«, sprach sie.

      Meine Freude war dahin, am liebsten hätte ich geweint.

      Den hellblauen Bären stellte ich neben mein Bett. Immer wenn ich ihn ansah, wusste ich nicht, soll ich mich freuen oder soll ich weinen. Und über die Frage: »Was ist Glück«, habe ich öfter nachgedacht.

      Nach circa einem Jahr bei meinen Großeltern wurde ich eingeschult. Ich habe mich so richtig darauf gefreut andere Kinder zu treffen. Mit Alfons, der mit seiner Mutter und Oma aus Schlesien vertrieben wurde und wie schon gesagt bei uns in einem Zimmer im Erdgeschoss wohnte, wollte ich mit ihm den Schulweg gemeinsam gehen. Ich hatte gehofft er würde mir alles in der Schule zeigen. Aber es kam ganz anders. Es war meine erste große bewusste Enttäuschung.

      Zwei Tage vor Schulbeginn ist er mit seiner Mutter und Großmutter in die Stadt gezogen. Mein Großvater hat ihre wenigen Habseligkeiten auf einen Leiterwagen gepackt und in die Stadt gebracht.

      Ich war sehr traurig, vor allem weil mir das niemand gesagt hat, obwohl es alle wussten.

      Also musste ich zur Schule alleine gehen. Alle sind mit Ihren Eltern gekommen nur meine Mutter hat sich geweigert, obwohl mein Großvater sie dazu aufgefordert hat, mich zu begleiten. Alle hatten eine schöne, mit bunten Bildern beklebte, Schultüte. Nur ich hatte eine braune Papiertüte aus dem Krämerladen, in der normalerweise Zucker oder Mehl verpackt wurde. Es gab fast keine abgepackten Lebensmittel. Viele standen in großen Säcken oder Schachteln im Laden und wurden bei Bedarf erst abgewogen und verkauft.

      Die Schule war eine sogenannte Zwergen-Schule. Acht Klassen in einem Raum, mit alten Schulbänken und eingelassenem Tintenfass. Das einzige Klassenzimmer wurde im Winter mit Holz beheizt. Oft mussten wir Kinder das Brennholz im Schuppen, der neben der Schule stand, stapeln. Den Lehrer kannte ich schon, denn er ist ab und zu mit meinem Onkel in die Stadt gefahren.

      Er hatte kein Auto und zu Fuß war es sehr beschwerlich.

      Die Älteste seiner drei Kinder, war ein Jahr älter als ich.

      Mit ihr habe ich mich angefreundet und durfte so zweimal im Jahr zu ihr zum Spielen gehen. Ich ging gerne in die Schule, denn ich bin wissbegierig und das Lernen fiel mir leicht. Die ersten Schuljahre waren angenehm. Der Lehrer streng aber gerecht.

      In das nahe gelegene Dorf, zu anderen Kindern zum Spielen durfte ich leider nicht gehen.

      Zu Hause musste auf meine Großmutter achten, und zwar immer dann wenn alle auf dem Feld oder im Sägewerk arbeiteten. Wenn sie etwas brauchte musste ich es ihr bringen oder jemanden holen, der sie z. B. auf den Topf setzte, denn das konnte ich noch nicht. Ich habe ihr die Haare gekämmt, was zu Trinken gereicht. Tante Linda blieb auch oft bei meiner Großmutter, wenn noch Hausarbeiten zu machen waren.

      Dann schlich ich aus dem Haus und lief zum Sägewerk. Die genauen Arbeitsabläufe der verschiedenen Maschinen interessierten mich sehr. Außer dem großen Gatter gab es da noch eine Hobelmaschine, einen Doppelsäumer, eine Pendelsäge