Zehn Jahre älter wurde der deutsche Historiker und Geograf Heinrich Barth. Bereits in jungen Jahren hatte der gebürtige Hamburger ausgedehnte Reisen entlang der nordafrikanischen Mittelmeerküste unternommen und beherrschte mehrere Fremdsprachen. Auf Einladung der britischen Regierung beteiligte sich der erst 28-Jährige an einer Expedition durch die Sahara zum Tschadsee. Die Reise begann im März 1850 in Tripolis. Nach dem baldigen Tod seiner zwei Forscherkollegen wurde Barth Leiter der Expedition und entschied deren Weiterführung vom Tschadsee bis nach Timbuktu. Die Probleme Mungo Parks vor Augen, der immer wieder feindlichen Übergriffen ausgesetzt gewesen war, gab sich Barth auf der letzten Teilstrecke entlang des Niger als türkischer Muslim aus. Dass er während der Reise weitere heimische Sprachen und Dialekte gelernt hatte, erleichterte die Maskerade, die es ihm nicht zuletzt ermöglichte, sechs Monate in Timbuktu zu verweilen und unversehrt heimzukehren.
Zu den prominentesten Erforschern Ostafrikas zählen Sir Richard Francis Burton, John Hanning Speke, Dr. David Livingstone und Henry Morton Stanley. Ihre Verdienste werden in Tansania, Malawi und Sambia bis heute mit unzähligen Gedenktafeln, Museen und Ortsnamen gewürdigt. Weit weniger bekannt ist, dass zwei Deutsche, Johann Ludwig Krapf und Johannes Rebmann, von ihrer Missionsstation nahe Mombasa ausgedehnte Expeditionen ins Landesinnere unternahmen. Auf einer dieser Reisen stieß der Missionar, Sprachforscher und Geograf Rebmann im Mai 1848 bis zum Kilimandscharo vor, wenngleich er ihn nicht erreichte, sondern lediglich von Ferne sah. Seiner Schilderung, dass es drei Breitengrade südlich des Äquators Schnee geben sollte, glaubte in Europa so gut wie niemand. Kaum jemand nahm seine Hinweise auf eine ostafrikanische Seenplatte ernst.
Wenige Jahre später, im Juni 1857 startete die Expedition des Briten Richard Francis Burton. Zum Zeitpunkt seines Aufbruches war er 36 Jahre alt. Gerüstet mit Kenntnissen in mehr als einem halben Dutzend Fremdsprachen, darunter Arabisch, Persisch, Hindi und später auch Kiswahili, begab er sich gemeinsam mit John Hanning Speke, den er zuvor in Aden kennengelernt hatte, nach Ostafrika, um die großen Seen und die Quelle des Nils zu finden. Im Februar 1858 erreichten sie Ujiji am Tanganjikasee, nahe Kigoma, dem späteren Heimathafen der Liemba. Burton hielt den See für die Quelle des Nils. Speke reiste weiter und entdeckte den Victoriasee, den er wiederum als wahre Nilquelle identifiziert zu haben glaubte. Aus dem Streit um die Sache entstand eine lebenslange Feindschaft. Speke starb 1864 bei einem mysteriösen Jagdunfall. Er gilt als Begründer der Hamitentheorie, die der schwarzen Bevölkerung Afrikas jegliche Entwicklungsfähigkeit abspricht und diese lediglich den aus dem Norden stammenden hellhäutigeren Hamiten einräumt. Die Tansanier sehen das gelassen. Am südlichen Victoriasee ist noch heute eine Bucht nach Speke benannt.
Mitte des 19. Jahrhunderts erkundete der schottische Missionar David Livingstone das südöstliche Afrika. Seine dritte und letzte Expedition startete 1866 auf Sansibar. Von dort setzte er aufs Festland über und stand ein Jahr später am Südufer des Tanganjikasees, den die Einheimischen Liemba nannten, ein Name, der seit 1927 den Rumpf der ehemaligen Goetzen ziert. Livingstone erreichte das mehr als 500 km nördlich gelegene Ujiji im März 1869 und musste schwer erkrankt verweilen. In Europa galt er als vermisst.
Etwa zur gleichen Zeit hatte sich Henry Morton Stanley in New York zum Sonderkorrespondenten des New York Herald hochgearbeitet. Stanley, unehelich geboren und zunächst zum Großvater in Obhut gegeben, war anschließend in einem Arbeitshaus aufgewachsen. 1869 erhielt er von seinem Verleger den Auftrag, doch bitte Herrn Livingstone aufzuspüren. Zwei Jahre später, am 10. November 1871, fand Stanley den verschollen Geglaubten in Ujiji unter einem Mangobaum sitzend. »Dr. Livingstone, I presume.« Wahr oder erfunden, das Zusammentreffen ist legendär und die berühmten Begrüßungsworte wurden auch in Ostafrika von Generation zu Generation weitergegeben. Die Menschen verehren den berühmten Afrikareisenden vor allem wegen seines unermüdlichen Kampfes gegen die Sklaverei. Ihm zu Ehren gibt es in Ujiji ein Memorial. Die Anlage ist nicht wirklich schön, aber ambitioniert. Selbst an den Mangobaum wurde gedacht.
Livingstone starb 1873 in Chitambo am Bangweulusee im heutigen Sambia. Sein Leichnam wurde nach London überführt und in Westminster Abbey beigesetzt, sein Grab kann dort besichtigt werden. Auch in der anglikanischen Kirche, die britische Missionare nach dem Verbot des Sklavenhandels 1873 auf dem Areal des einstigen Sklavenmarktes in Stone Town auf Sansibar errichteten, finden sich Hinweise auf den Entdecker. Links neben dem Altar ist ein Holzkreuz an die Wand geschlagen. Es soll aus dem Baum geschnitten sein, unter dem Livingstone starb und unter dem sein Herz begraben sein soll. Getreu seinem Credo »Mein Herz ist in Afrika«.
Livingstone und Stanley hätten unterschiedlicher nicht sein können. Livingstone war Missionar und Philanthrop, Kämpfer gegen die Sklaverei. Stanley dagegen hasste Afrika, bereiste den Kontinent jedoch immer wieder. Zeitweilig stand er im Dienst des belgischen Königs Leopold II. und wurde »Bula Matari« genannt, »der die Steine bricht«, weil er Pisten quer durch den Busch trieb, rücksichtslos und brutal. Er starb 1904 in London, eine Beerdigung in Westminster Abbey blieb ihm verwehrt. Die Witwe schmückte seinen Grabstein mit den Worten: »Henry Morton Stanley, Bula Matari, 1841 – 1904, Africa«. Wenn das nicht Liebe ist.
Wer »Bula Matari« googelt, stößt auf Erstaunliches. Mehr als hundert Jahre später wollen vier junge Männer aus Brooklyn Steinbrecher sein und im Geiste Stanleys pogen: Joseph, Alan, Richard und Ben. »Bula Matari«, so der Name ihrer Combo, sind um Hardcore-Punk bemüht. Wohl eher gefällige Gitarrenmusik, findet Rolf, wenn man von den Texten absieht. »Put their fingers in the socket und watch them fry. Taxi drivers must die«, proklamieren sie in einem ihrer Songs. Die Jungs, in deren Entwicklung etwas schiefgelaufen sein muss, sollten zu den strengsten Eltern der Welt geschickt werden. Für solch spaßige Hardcore-Rebellen böte sich der Kongo an. Passend zu den Texten der Band, ist dort der Umgang mit Gliedmaßen nicht immer zimperlich gewesen. Warum die vier diesen Bandnamen gewählt haben, konnte ich leider nicht herausfinden. Typen, die Taxifahrer grillen wollen, beantworten keine Mails.
Das heutige Reisen in Afrika, speziell am Tanganjikasee, ist unzweifelhaft sehr viel sicherer und bequemer als in den Jahrhunderten zuvor, sofern die Reiseroute nicht gerade durch die Fronten immer wieder ausbrechender Bürgerkriege und Stammesfehden geplant wird. Dennoch ist der Kontinent ein exotisches Wesen geblieben, mit Risiken für Leib und Seele, von denen die Homepage des Auswärtigen Amtes lediglich die prominentesten benennt: Denguefieber, Bilharziose, Typhus, Hepatitis, Cholera, Malaria. Immer wieder einmal gibt es Pestausbrüche. Hinzu kommen Infektionsrisiken jeglicher Art sowie Beschwerden und Befindlichkeiten, die aus der Kombination ungewohnter klimatischer Verhältnisse, niedriger Ernährungsstandards und unerwartet hoher Reisestrapazen entstehen können. »Unvorbereitetes Wegeilen bringt unglückliche Wiederkehr«, das wusste schon Goethe.
Dementsprechend sind Impfungen, Pillen und Prophylaxen für viele Regionen nach wie vor unabdingbar. Natürlich gibt es unter den Reisenden wie immer und überall ein paar Außenseiter. Alte Hasen, die sich für immun halten. Peace Corps-Kämpfer, zum Beispiel, mit ihren oft jahrelangen Afrikaaufenthalten. Zwar sind die Entsandten anfangs scharf auf Linie und Sicherheit geeicht, doch einmal in Afrika abgesetzt, werden die guten Vorsätze schnell über Bord geworfen. Zu umständlich und wer weiß, wie der Körper die Langzeitbehandlung verträgt. Dabei sind Malaria und Cholera fraglos problematischer als Impfungen und Prophylaxen, selbst wenn die Beipackzettel von Lariam & Co. mit langen Listen von Grausamkeiten aufwarten.
Ebenfalls ins Gepäck gehört eine Portion gesunder Menschenverstand. Idealerweise in Kombination mit Gelassenheit, denn Angst ist ein schlechter Reisebegleiter. Vor dem Huhn vom Straßengrill oder aus der Kombüse der Liemba muss man sich nicht notwendigerweise fürchten, auch die Kulisse eines Vier-Sterne-Restaurants schützt in manchen Ländern nicht zwangsläufig vor mangelnder Hygiene.
Anders als früher müssen wir uns heute weder verkleiden, noch Angst haben, zu verhungern oder Pisten durch den Busch schlagen zu müssen. Letzteres übernehmen chinesische Baufirmen. Im Gegenzug gibt es Bodenschätze, beinahe geschenkt. Die Gefahr, überfallen zu werden, ist geringer, als in maroden Bussen, Bahnen oder auf