Von GOETZEN bis LIEMBA. Sarah Paulus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sarah Paulus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783737527675
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      Sarah Paulus & Rolf G. Wackenberg

      Von GOETZEN bis LIEMBA

      Auf Reisen mit einem Jahrhundertschiff

      artissage

      © 2014 artissage

      © 2014 Sarah Paulus und Rolf G. Wackenberg

      Alle Rechte vorbehalten.

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      Aktualisierte Auflage 2014

      Konzept und Text: Sarah Paulus und Rolf G. Wackenberg

      Vorwort: Alex Capus

      Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin

      Satz und eBook-Produktion: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

      Fotos: Rolf G. Wackenberg

      Umschlaggestaltung: Rolf G. Wackenberg

       www.sarahpaulus.de www.wackenberg.com www.liemba.wordpress.com

      ISBN Printausgabe: 978-3-00-042050-4

      ISBN eBook: 978-3-7375-2767-5

      Für unsere Lieben

      Eveline, Karin, Siegfried und Benjamin

      Inhalt

       Vorwort

       Es war einmal …

      Kapitel 1 | ANREISE | Christus, Cholera und Fegefeuer

      Kapitel 2 | MPULUNGU | Wo ist Mr. Masimba?

      Kapitel 3 | KASANGA | Flaschenpfand und Militär

      Kapitel 4 | KALA | Der schwarze Fleck

      Kapitel 5 | WAMPEMBE | Nachtgedanken

      Kapitel 6 | MSAMBA | Carl Peters ist schuld

      Kapitel 7 | NINDE | Captain’s Lunch

      Kapitel 8 | KIPILI | Zirkus Liemba

      Kapitel 9 | KIRANDA | Der Duft der Masse

      Kapitel 10 | KABWE | Auf der Brücke

      Kapitel 11 | KAREMA | Im Casino

      Kapitel 12 | IKOLA | Kriegerische Zeiten

      Kapitel 13 | KALYA | Der letzte Grabstein

      Kapitel 14 | KIBWESA | Doppelherz

      Kapitel 15 | LOGOSA | Luxus und Moral

      Kapitel 16 | HALEMBE | African Queen

      Kapitel 17 | SIGUNDA | Vom Kongo

      Kapitel 18 | KIRANDO | Babyalarm

      Kapitel 19 | KIGOMA | Die letzte Vorstellung

       Epilog

       Danksagung

       Bildteil

       Quellen

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      Ich hatte eine Zweierkabine erster Klasse auf dem Schiff gebucht. Als ich sie aufsuchte, war die Tür von innen verriegelt. Und als ich klopfte, öffnete ein Soldat in der Uniform der tansanischen Armee. Er trug eine Kalaschnikow an der rechten Schulter. Er lächelte nicht.

      Weil man mit bewaffneten Soldaten nicht streiten soll, bat ich den Kapitän um Hilfe, der gleich nebenan eine freie Kabine für mich fand. Darin befand sich ein doppelstöckiges Kajütenbett, ein Waschbecken ohne Wasserhahn. Es war heiß. Nackte Wände aus lindgrün bemalten Stahlplatten, an denen die Luftfeuchtigkeit in feinen Rinnsalen zu Boden floss. Eine nackte Glühbirne an der Decke. Solange sie brannte, versteckten sich die Kakerlaken. War das Licht aus, wuselten sie einem über den Leib. Und übers Gesicht.

      Ich beschloss, die Nacht auf dem Achterdeck zu verbringen. Es war windstill, der Mond noch nicht aufgegangen. Spiegelglatt zog sich der See bis zum kongolesischen Ufer hin, die Hügel standen schwarz vor dem Abendhimmel. Da und dort das Licht von Fischerbooten, in denen einsame Männer mit Stablampen Fische in die Netze lockten.

      Auf dem Achterdeck hatte sich eine deutsche Reisegruppe niedergelassen. Freundliche und höfliche Menschen. Ich holte eine Runde Kilimandscharo-Bier. Einige Reisende äußerten verschämten Stolz auf das ehemals deutsche Schiff, auch unausgesprochene Nostalgie war spürbar. Einer sagte, es könne doch nicht alles nur schlecht gewesen sein damals. Doch, entgegnete ich. Franzosen, Deutsche, Briten, Belgier, Niederländer, Portugiesen, Spanier, Italiener – alle Kolonialisten waren die gleichen Schlächter.

      Das verdarb ein wenig die Stimmung. Der Mond ging auf, ich holte noch eine Runde Kilimandscharo. Und dann noch eine. Die Nacht verging. Im Morgengrauen drosselte der Steuermann die Motoren, vom Ufer her näherte sich eine Dhau. Ein paar Männer kletterten zur Ladeluke hoch und stemmten mannshohe Jutesäcke an Bord, die gefüllt waren mit kleinen getrockneten Fischen. Im Gegenzug nahmen sie kistenweise Cola, Fanta und Sprite entgegen. Als sie fertig waren, sprang ich kurz entschlossen zu ihnen hinunter und fuhr mit der Dhau ans Ufer.

      Die Liemba ist heute ein ganz und gar afrikanisches Schiff. Der Kapitän und die Besatzung wissen wohl, dass sie vor hundert Jahren in Deutschland erbaut wurde, aber es interessiert sie nicht. Die Menschen haben hier andere Probleme. Krieg. Hunger. Epidemien. Völkermord. Aids. Piraten. Und das Wetter kann jederzeit umschlagen. Auf dem Tanganjikasee kann es sehr rasch sehr ungemütlich werden.

      Die Gegenwart ist hier anstrengend genug, niemand hat Zeit für Historie.

      Ich war im Oktober 2006 nach Tansania gereist, um einen Roman über dieses Schiff zu schreiben. Wer aber etwas über dessen Vergangenheit erfahren will, wird am Tanganjikasee nicht fündig. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Erinnerung an den Kolonialismus fast ausschließlich von den ehemaligen Kolonisatoren verwaltet wird. Wer sich für die Goetzen interessiert, besucht am besten das Militärarchiv in Freiburg im Breisgau, das Kolonialarchiv in Berlin, das belgische Staatsarchiv in Brüssel oder die British Library in London. Oder er besucht online das Koloniale Bildarchiv der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.

      Und es gibt, immerhin, im tansanischen Nationalarchiv in Dar es Salaam ein paar deutsche Aktenstöße, die eine abenteuerliche Vergangenheit hinter sich haben.

      Zu der Zeit, da die Goetzen in Kigoma zusammengebaut wurde, wütete in Europa der Erste Weltkrieg. Am Tanganjikasee war davon vorerst nicht viel zu spüren, aber der deutsche Gouverneur und die koloniale Schutztruppe schauten vier Jahre lang sorgenvoll hinüber ans westliche Ufer, wo Belgier und Briten ihre dampfbetriebenen Boote in Stellung brachten. Recht schnell ging alles zu Ende. Der Feind näherte sich nicht übers Wasser, sondern in einem langen Fußmarsch um den See herum und befand sich schon bald im Anmarsch auf Kigoma, die