Der VDR e.V. formuliert seine Ziele in seiner Stellungnahme wie folgt:
(Quelle: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2012_maritime_transport/gsa_de.pdf - VDR Antwort, 2012, Seite 1 ff)
„- unternehmerische Positionen in der Politik zu stärken
- ein wettbewerbsorientiertes Umfeld zu fordern
- die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen am Standort Deutschland zu fordern
- der sozialen Marktwirtschaft in der Seeschifffahrt zum Erfolg zu verhelfen
- eine Handelsflotte unter deutscher Flagge zu fordern
- die Wettbewerbsfähigkeit der Reedereien zu erhalten und zu verbessern
- zukunftsorientierte Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten
- ein effizientes, attraktives Bildungssystem zu erhalten und fortzuentwickeln
- die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zu stärken
- für ein leistungsfähiges, kostenorientiertes Sozialsystem einzutreten
- Schiffs- und Umweltsicherheit im internationalen Rahmen zu fordern
- unternehmerische Handlungsfreiheiten auf den Weltmärkten zu erhalten
- die Verantwortung der Reedereien für das Gemeinwesen zu verdeutlichen.“
Dieses Sammelsurium an Zielen lesen, wirken lassen und dann mit der Wirklichkeit vergleichen.
Und wir können feststellen, dass sich mehrere Ziele komplett ausschließen, auch im Jahre 2012.
Wenn wir die Gedanken weiter schweifen lassen in das Jahr 2015, dann wird erkennbar, dass mehrere Ziele inzwischen unerreichbar geworden sind. Denn wer im großen Stil Schiffe unter deutscher Flagge ausflaggt und unter ausländische Flagge bringt, damit eine große Anzahl deutscher Seeleute auf die Straße wirft und somit deren Sozialbeiträge dem deutschen Sozialsystem entzogen werden, ist sehr weit entfernt tatsächlich eine starke deutsche Handelsflotte unter deutscher Flagge zu fordern, sowie über soziale Marktwirtschaft und zukunftsorientierte Arbeitsplätze schwadronieren zu können.
Wer mittelmäßige Bildung und Ausbildung in der Seeschifffahrt zur Agenda erhebt, wie im o.g. Zitat wiedergegeben, weil sie einzig als Kostenfaktor betrachtet wird, ist Lichtjahre davon entfernt über effiziente und attraktive Bildungssysteme zu diskutieren, dafür fehlt ihm jedes Verständnis.
Wer von einem leistungsfähigen und kostenorientierten Sozialsystem spricht und dabei nur seine eigenen Interessen meint, wie die 100 % ige Erstattung der Lohnnebenkosten des Arbeitgebers und die Auffassung vertritt das Arbeitsschutz- und Sozialstandards überzogen sind, dem fehlt jede Grundlage dafür einzutreten.
Wie man als Reeder und Schiffseigner dann auch noch in der Lage sein will, seine Verantwortung für das Gemeinwesen zu verdeutlichen wird wohl deren Geheimnis bleiben. Das ist schlicht unmöglich, weil unglaubwürdig. Wahrscheinlich wird damit die offene Hand zum Empfang von Beihilfen durch das deutsche Gemeinwesen, vertreten durch die Bundesregierung, verstanden.
Es geht einzig und allein um:
o Wettbewerbsfähigkeit von Reedereien und Unternehmen am Standort Deutschland
o Unternehmerische Handlungsfreiheit auf dem Weltmarkt
o Ein wettbewerbsorientiertes Umfeld
o Stärkung unternehmerischer Positionen in der Politik
Letzteres ist eine besonders schöne Umschreibung für Lobbyismus und dem Hinweis, dass die Wirtschaft das Primat hat und nicht die Politik und, dass der VDR tatkräftig hilft dem Verkehrsausschuss des Bundestages die Gesetzesvorgaben in dessen Lastenheft zu schreiben. Der Verkehrsausschuss, also auch die Bundesregierung legen dann in ihrem Pflichtenheft dar, wie sie die Initiativen der maritimen Lobbyisten umzusetzen gedenken.
Und wie sollen diese letztgenannten Ziele erreicht werden? Natürlich - mit üppigen staatlichen Beihilfen
Die Stellungnahme der Gewerkschaft Ver.di zur Befragung über die
(http://ec.europa.eu/competition/consultations/2012_maritime_transport/verdi_de.pdf - Ver.di Antwort, 2012)
„ÜBERPRÜFUNG DER LEITLINIEN DER GEMEINSCHAFT FÜR STAATLICHE BEIHILFEN
IM SEEVERKEHR“
nimmt sich im Vergleich zur Antwort des VDR e.V. bescheiden aus und ist in der Argumentation auch noch mit Fehlern behaftet. Der Ver.di Vertreter, Karl-Heinz Biesold, im Jahr 2012 Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt der Gewerkschaft Ver.di, der hierbei als Verfasser in Erscheinung tritt und sicherlich nach bestem Wissen sich den Fragen stellte, beweist, dass Ver.di nicht im Ansatz in der Lage ist der Stellungnahme des VDR e.V. die Stirn bieten zu können. Leider! Ver.di hätte bei intensiver Recherche dem VDR argumentativ ebenbürtig entgegentreten können. Diese Gelegenheit wurde verpasst. Und gegenüber einer EU Kommission kann Ver.di mit fehlerhaften Inhalten im Interesse deutscher Seeleute nicht punkten.
Das Grundanliegen Biesolds, über die Möglichkeiten deutscher Schifffahrtsunternehmen zu berichten aus der deutschen Flagge zu flüchten, sich unter Bareboat Charter zu begeben und dennoch die deutsche Tonnagesteuerregelung in Anspruch nehmen zu können, ist absolut richtig. Er geht auch kritisch auf die deutschen gesetzlichen Konstrukte ein, die Reedern solche Möglichkeiten eröffnen.
Ebenso sind seine Anmerkungen über die Situation deutscher Seeleute in diesem Zusammenhang, also dem damit verbunden Stellenabbau deutscher Seeleute absolut korrekt. Leider hat Siebold das Prinzip der Tonnagesteuer nicht durchdrungen. Es stimmt nicht, dass die Gewinne beim Betrieb eines Schiffes nach § 5a steuerfrei gestellt sind. Ebenso wenig stimmt, dass den Berechnungen der Gewinnermittlung die Bruttoraumzahl (BRZ) zugrunde gelegt wird. Basis der Gewinnermittlung ist die Nettoraumzahl (NRZ) und der daraus ermittelte pauschale Gewinn ist zu versteuern, mit dem Effekt, dass das Steueraufkommen drastisch reduziert wird. Und es trifft auch nicht zu, das Schiffe zur Inanspruchnahme der Tonnagesteuerregelung „überwiegend in einem deutschen Schiffsregister eingetragen sein müssen“. Schiffe müssen definitiv im internationalen deutschen Schiffsregister eingetragen sein, um in den Genuss der Tonnagesteuer kommen zu können. Allerdings sind sie nicht verpflichtet die deutsche Flagge führen zu müssen, wie in § 7 Flaggenrechtsgesetz dargelegt.
Weiterhin geht Siebold auf den Lohnsteuereinbehalt durch die deutschen Schiffseigner ein und vermerkt, dass 2004 der Lohnsteuereinbehalt von 40 % auf 80 % erhöht wurde. Das ist falsch. Bis Mitte des Jahres 2016 war der Lohnsteuereinbehalt gesetzlich auf 40 % festgesetzt. Danach wurde er, wie auf der 9. Nationalen Maritimen Konferenz im Jahr 2015 durch die Bundesregierung angekündigt, auf 100 % erhöht. Da scheint der Ver.di Vertreter Biesold etwas völlig falsch verstanden zu haben. Denn es muss eigentlich heißen, dass 40 % Lohnsteuereinbehalt und die Finanzhilfen des Bundes in etwa einem 80 % igen Lohnsteuereinbehalt entsprechen würden. Der Autor gewinnt den Eindruck, dass sich die Sparte Seefahrt bei Ver.di eher auf populistisch anmutende Behauptungen festlegt, anstatt sich mit tatsächlichen selbst überprüften Fakten und Daten zu beschäftigen. Es scheint so zu sein, dass Begriffe wie Förderrichtlinien, Subventionsberichte der Bundesregierung und Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums zur Tonnagesteuer von 2002, sowie amtliche nationale und internationale Statistiken bei Ver.di nicht tiefgründig und gewissenhaft genug analysiert und gewürdigt wurden. In der Gegenargumentation zum Antwortschreiben des VDR e.V. ist das aber unabdingbare Notwendigkeit, um eine Beweisführung an den Tag legen zu können, die Ver.di in die Lage zu versetzen vermag, zahlreiche Argumente des VDR e.V. zu entkräften.