Zerrissen. I. Tame. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: I. Tame
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737503501
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– fast verspielt.

      „Diese verdammten …“, ihm fiel einfach kein Fluch ein, um sein Entsetzen auszudrücken. Am liebsten hätte er ein großes Messer genommen und das tätowierte Stück Fleisch aus seinem Oberarm geschnitten. Das war so … beschämend … so entwürdigend.

      „Sie haben mich wie ein Stück Vieh …“, keuchte er, ließ sich zurücksinken und verdeckte mit einem Arm seine Augen. Er musste das erst mal verkraften. Annabelle strich ihm tröstend durch die Haare.

      „Keno“, flüsterte sie eindringlich, „du musst lernen, das zu ignorieren!! Es ist nur die Oberfläche! Es darf dich nicht erreichen, verstehst du?“

      Immer weiter strich sie durch sein Haar und massierte seine verkrampften Finger. „Sie haben sonst gewonnen, Keno!! Du darfst das nicht zulassen!“

      Er hob schnell seinen Kopf und atmete tief durch. „Das werd‘ ich nicht, Annabelle, verlass dich drauf! Ich hau hier ab. Ich schaff‘ das schon. Und euch nehm‘ ich auch mit, versprochen!“

      Annabelle lächelte nachsichtig. „Ach, Keno! Das wäre so schön!“

      Doch Keno merkte ihr an, dass sie nicht daran glaubte.

      Ein leises vorwurfsvolles Winseln aus Richtung Türe zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.

      Annabelle lächelte. „Was willst du schon wieder, du ungezogener Hund?“, rief sie gespielt ärgerlich.

      Und der Hund schien genau zu verstehen, dass Annabelle eigentlich ziemlich verliebt in ihn war. Sein Winseln bildete fast eine eigene Sprache. Laute in unterschiedlichen Tonlagen wurden klagend ausgestoßen, während die klickenden Pfoten auf dem Dielenboden sehr langsam näher tapsten.

      Keno lachte wieder auf. Er konnte gar nicht anders.

      „Na, komm mal her!“, lockte er schmeichelnd. Jetzt gab‘s kein Halten mehr. Wer so nett bat, dem konnte der Hund nicht widerstehen.

      „Wie heißt sie denn?“, fragte Keno, während er das Tier hinter den seidigen Schlappohren kraulte.

      Annabelle zuckte mit den Schultern. „Sie hat noch keinen Namen! Ja, sieh‘ mich nicht so erstaunt an. Der Hund war bisher wohl immer mit auf der Jagd und ist erst seit ein paar Tagen hier auf der Farm.“

      „Auf der Farm …“, wiederholte Keno gedankenverloren.

      „Ich zeige dir alles, wenn’s dir etwas besser geht, Keno. Du wirst erst mal hier bleiben. So haben sie es uns zumindest gesagt. Du sollst wieder gesund werden …“

      Annabelle schwieg verlegen. Aber sie musste gar nicht weiter reden. Sie wussten beide, was mit Keno passieren würde, wenn er wieder gesund war. Schnell schoben sie diese dunklen Gedanken beiseite.

      „Sie soll Annie heißen!“, beschloss Keno. „Schließlich ist sie so was wie deine kleine Tochter!“

      Annabelle lachte.

      „Ein schöner Name! Passt zu ihr. Kurz und frech. Man kann ihn schnell rufen. Und das musst du bei ihr auch. Sie macht nur Unsinn!“

Aldusblatt

      (Heute)

      Als es klingelt, setzt Keno‘s Herz einen Schlag aus. Das muss er sein! Seine Hand zittert als er die Haustüre öffnet. Und in dem Moment, als er in John’s verschmitzt lächelndes Gesicht blickt, entfährt ihm ein tiefes Seufzen.

      „Ich glaub’s nicht, du bist tatsächlich da!“, flüstert Keno entgeistert, während er John weiterhin anstarrt, als wäre er ein Marsmensch oder so was in der Art.

      So lange! Er musste so lange auf ihn warten, dass es jetzt umso unwirklicher erscheint, John im klaren Sonnenlicht im Türrahmen stehen zu sehen.

      Seine blonden Haare sind richtig lang geworden und er erscheint Keno größer als er ihn in Erinnerung hat. Aber verdammt – John’s Gesicht – dieses unglaublich schöne männliche Gesicht. Niemals im Leben würde Keno irgendein Detail davon vergessen – da könnte er noch so viele Jahre von ihm getrennt sein. Das männliche Kinn, die hohen Wangenknochen, die ultrahellen Augen, bei denen man nie sicher ist, welche Farbe sie nun wirklich haben: Blau oder Grau? Irgendwie eine Mischung aus Beidem. Oh Mann, und diese sinnlichen Lippen, die sich so oft zu einem ironisch-amüsierten Grinsen verziehen … wie gerade jetzt wieder.

      „Ich bin’s, der große böse Wolf. Du kannst mich also rein lassen!“

      Und – verfickt nochmal – seine Stimme gibt Keno den Rest. Dieses dunkle Timbre trifft ihn voll im Solarplexus. Geil! So geil! Kein Vergleich mit seiner Stimme am Telefon! Keno packt John wortlos an seiner Jeansjacke und zieht ihn mit einem heftigen Ruck über die Schwelle ins Haus. Ein Tritt und die Haustüre schlägt hinter den beiden zu. Ein Sicherheitsschloss hätte nicht fester zuschnappen können als die darauf folgende Umarmung. Die ersten Minuten kleben sie geradezu aneinander; den Kopf beim anderen auf die Schulter gelegt, die Arme wie Stahlmanschetten umeinander geschlungen. Und wie so oft in ihrer Beziehung ist es Keno, der vor Erregung seinen Emotionen freien Lauf lässt, während John ihm leise murmelnd zuredet und versucht, ihn zu beruhigen. Keno ist nicht in der Lage zu reden. Er schluchzt und schnieft. Sein ganzer Körper bebt, zuckt und zittert. Endlich! ist alles, was ihm einfällt. Endlich! Jetzt wird alles wieder gut!

      Und während er heult wie ein geprügelter Hund, wiegt John ihn langsam hin und her, fährt sachte mit der flachen Hand über Keno’s Rücken, um ihm schließlich beruhigend den Nacken zu massieren.

      „Hey, Cat! Alles o. K., ich bin ja da, Baby!“, flüstert er ihm zu und Keno’s Rücken überzieht eine wohlige Gänsehaut. Schließlich drückt er John ein Stück von sich weg und wischt sich energisch mit beiden Händen über die Augen.

      „John Garland, wenn du nochmal so lange brauchst, bis du dich entschließt, zu mir zu kommen, kannst du dich von deinen Eiern verabschieden, kapiert?“, stößt er mit zittriger Stimme hervor.

      John grinst breit. „Da bist du ja endlich, mein Kätzchen. Ich dachte schon, aus dir wäre die totale Memme geworden.“ Und ohne weiteren Kommentar legt er eine Hand in Keno’s Nacken und zieht ihn zu sich heran.

      „Ich bin auf Turkey“, murmelt er noch, bevor sich seine Lippen fest auf Keno’s legen. John’s Zunge leckt fordernd und erobert schließlich den Mund seines Geliebten. Ein tiefes Knurren begleitet diese Liebkosung. Doch seine Hände legen sich zärtlich auf Keno’s Gesicht. Das ist so … so unglaublich vertraut. Dieses Gefühl trifft Keno mitten ins Herz.

      Sein Atem geht schneller und seine Hände tasten sämtliche Stellen von John’s Oberkörper ab. Jeder Muskel und jedes Körperteil an ihm sind Keno so vertraut, als ob er sich selbst abtasten würde. Und John’s Geruch erst … mhmm … tief saugt Keno das typische John-Aroma ein. Und ohne dass er es gewollt hätte, vergleicht Keno diese sinnliche Erfahrung mit Mika. Sie sind so unterschiedlich – aber jeder auf seine Weise faszinierend.

      Erneut schmiegt sich Keno glücklich in John’s Arme.

      „Ich muss dir so viel erzählen, Baby. Und es wird fast nur Scheißdreck sein. Ich muss dich verletzen und bin mir nicht sicher, ob du mir überhaupt glauben wirst …“

      Wieder schiebt Keno John ein Stück von sich weg. Unsicher sucht er dessen Blick. Doch wie immer blickt John mit einer Unerschütterlichkeit zurück, die Keno schlagartig beruhigt.

      „Cat!“ Oh, verdammt, wie kann jemand nur so eine tiefe Stimme haben? John wischt ihm die letzten Tränenspuren aus den Augenwinkeln, während er leise weiter spricht.

      „Ich bin jetzt hier. Du kannst mir alles erzählen, was dich bedrückt. Und ich werde dir glauben! Das weißt du ganz genau!“

      Seine hellen Augen scheinen bis in Keno’s Seele zu blicken. Er schluckt trocken. Wenn du wüsstest was auf dich zukommt, denkt er immer noch ziemlich verzagt. Doch John’s Lächeln schenkt ihm Zuversicht.

      „Aber vielleicht sollte