7 Monate Herbstgefühle. Anke-Larissa Ahlgrimm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anke-Larissa Ahlgrimm
Издательство: Bookwire
Серия: Glückszahl 7
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742730060
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verzog sein Gesicht und küsste meine Stirn. „Ich hab nicht drauf geschaut, Entschuldigung.“ Für einen Moment blieben wir in unserer Umarmung stehen und sahen uns nachdenklich an. Vermutlich war dies der Zeitpunkt, wo ich ihm sagte, dass ich hundemüde war.

      „Haven, ich schaff das heute nicht mehr.“

      „Ich bin echt fertig, Bee.“

      Haven und ich hatten gleichzeitig angefangen zu reden und ich konnte mir daraufhin ein Lächeln nicht verkneifen. Ich deutete ihm mit einer Handgeste an, dass er zuerst reden durfte.

      „Mein Tag war einfach nur stressig. Erst hat mich mein Boss durch die Stadt gejagt, nur damit wir einen Kunden nicht verlieren und dann hat Lilacs Schule angerufen, weil sie sich übergeben hat. Also hab ich sie abgeholt und nach Hause gebracht. Als ich sie dann aber später zu Nala bringen wollte, hat sie sich gewehrt. Sie hat geschrien und geweint und mich angefleht, dass ich bei ihr bleibe.“ Bei der Erinnerung stieß Haven ein Seufzen aus und fuhr sich über das Gesicht. „Aber wir haben uns ja so über diesen Abend gefreut und ich wusste, dass sie bei Nala gut aufgehoben ist. Kaum war Lilac also bei deiner Freundin, hat mein Boss wieder angerufen und … um ehrlich zu sein, habe ich noch nicht mal was gekocht, sondern nur den Tisch gedeckt.“ Ein kleines Lächeln umspielte Havens Lippen und ich musste über seine letzten Worte lachen. Das sah meinem Freund irgendwie ähnlich.

      „Wir hatten einen Notfall im Krankenhaus. Viel zu viele Verletzte“, erklärte ich knapp und schenkte Haven ein aufgezwungenes Lächeln. „Aber du weißt, dass es nicht schlimm gewesen wäre, wenn wir den Abend mit Lilac verbracht hätten.“ Nickend küsste Haven meine Lippen und führte mich dann ein paar Schritte weiter in die Küche.

      „Möchtest du irgendetwas essen? Ich könnte uns schnell ein Sandwich machen“, schlug Haven vor, doch ich schüttelte lächelnd meinen Kopf. Ich hatte während der Zugfahrt bereits einen billigen Obstsalat vom Bahnhof gegessen, damit ich nicht vom Fleisch fiel.

      „Eigentlich möchte ich mich nur noch aufs Ohr hauen. Oder würde dir das etwas ausmachen?“

      „Schlafen klingt fantastisch“, grinste Haven und nahm meine Hand in seine, um mich ins Schlafzimmer zu ziehen. In diesem Moment war mir auch egal, dass ich mich eigentlich abschminken sollte – auch wenn ich das am nächsten Morgen bereuen würde. „Jetzt hast du dieses schöne Kleid ganz umsonst getragen.“

      Lachend schob ich die Träger von meinen Schultern und zwinkerte meinem Freund zu. „Du hast mich doch trotzdem darin gesehen.“ Wir schlüpften beide aus unserer Kleidung und ich zog mir dann ein altes Shirt zum Schlafen über. Kaum hatte ich mich auf der Matratze niedergelassen, ließ die Erschöpfung nach. Ich war endlich angekommen. Als ich dann auch noch in Havens Armen lag und wir unsere Beine unter der Decke verknoteten, machte es mir gar nichts mehr aus, dass wir kein schickes Abendessen hatten. Wir hatten das hier.

      „Je t’aime, Bee“, flüsterte Haven in mein Haar und entlockte mir ein breites Lächeln. Immer wieder aufs Neue kamen Glücksgefühle auf, wenn er diese Worte sagte. Er hatte es sich angewöhnt sie auf Französisch zu sagen. Er tat es nicht immer, aber wenn, dann machte es mich umso glücklicher.

      „Ich liebe dich“, erwiderte ich und malte mit meinen Fingern Kreise auf seine Brust. Haven summte leise und küsste meine Stirn. Ich wünschte, wir könnten diesen Moment einfrieren und für immer in ihm leben.

      „Sag mal, hast du nur ein Bein rasiert?“ fragte Haven plötzlich. Lachend versteckte ich mein Gesicht in seiner Brust, eine Antwort bekam er jedoch nicht.

      VI

      [11. September, 2016]

      Lilacs Hand in meiner war warm und zierlich, während wir durch den Zoo schlenderten. In den nächsten Monaten würden wir wohl eher nicht hierherkommen, da es mit jedem Tag kälter wurde. Deswegen wollte Lilac noch die Tiere anschauen, solange sie noch nicht alle in den Häusern waren. Hinter uns schlenderte Haven mit Pam und Zeke. Die beiden hatten zugestimmt uns zu begleiten und unser Ausflug war zu einer Art Doppeldate mit Kind entartet.

      „Rubie, warum können Pinguine nicht fliegen?“, fragte Havens Tochter schließlich neugierig und drückte ihr Gesicht an die Glasscheibe, um die Vögel besser beobachten zu können. Nachdenklich verzog ich mein Gesicht und forschte in meinem Kopf nach irgendwelchen Antworten, die ich ihr bieten konnte.

      „Ich schätze einfach, weil ihre Flügel zu kurz sind. Sie sind für das Schwimmen gemacht und das können die Pinguine ja gut, nicht?“ Nickend klebte Lilac immer noch an der Scheibe. Seufzend zog ich sie an den Schultern vom Glas weg. „Minette, bitte kleb nicht so an der Scheibe. Wer weiß, wie viele Kinder da schon dran geniest haben.“ Eigentlich war ich echt nicht penibel, was Hygiene anging. Wir konnten nun mal nicht verhindern, dass wir bestimmt Sachen anfassten, auch wenn wir nicht wussten, wie viele Bakterien darauf waren. Aber wenn man nun rund um die Uhr ein Kind um sich hatte, das alles anfasste und auch sein Gesicht überall herandrückte, dann konnte man schon mal penibel werden.

      „Ich wünschte, ich könnte so toll schwimmen“, flüsterte Lilac und streckte ihre Hand nach dem Pinguin aus, der gerade vorbei schwamm. Schmunzelnd schlang ich von hinten meine Arme um sie und ließ sie sich an mich lehnen. „Können wir jetzt zum Aquarium?“

      „Wenn unsere Reisegruppe hier das auch möchte“, erwiderte ich und deutete auf Haven, Zeke und Pam, welche entweder Fotos von den Tieren schossen oder sie nachmachten. Ich kam mir vor, wie die Älteste der Gruppe. Wahrscheinlich hatte ich auch deswegen das Kind an der Hand.

      Lilac wandte sich an ihren Vater und dessen Freunde. „Können wir bitte zum Aquarium gehen? Das ist hier gleich in der Nähe.“ Sie zeigte mit ihrem Finger auf den Wegweiser, der nur ein paar Meter entfernt stand, und schob dann ihre Unterlippe vor.

      Es war kein Wunder, dass das kleine Mädchen die drei überzeugt hatte und mich jetzt durch die dunklen Gänge des Aquariums zog. Viel Licht gab es hier nicht, wenn man von der Beleuchtung der Becken absah.

      „Oh, schau mal eine Dorie“, sagte ich begeistert und nickte zu dem blauen Fisch. Sofort sah Lilac von den Seepferdchen weg und folgte meinem Blick.

      „Das ist ein Paletten-Doktorfisch“, sagte sie sachlich und beugte sich vor, um den Fisch besser ansehen zu können. Seit wir die Treppen hinunter gegangen waren, damit wir ins Aquarium kamen, war Lilac wie in ihrem Element. Sie konnte gar nicht aufhören ihre Bücher über Fische und das Leben im Meer zu zitieren. „Er ist in der Top Fünf meiner liebsten Fische, gleich nach dem Kabeljau. Aber den mag ich auch nur wegen dem Namen. Kabeljau, jau, jau.“ Kichernd lief Lilac zu dem nächsten Becken, indem unter anderem ein kleiner Hai herumschwamm. Kaum war ich ihr gefolgt, konnte ich meine Augen nicht von dem Tier nehmen. Ich hatte schon immer Respekt vor Haien gehabt. Ob sie klein waren und im Aquarium oder groß und im tiefen Meer. Auf eine Art und Weise sah er niedlich aus, schließlich war er nicht sonderlich groß, aber trotzdem … Ich wollte ihm nicht im Urlaub beim Schwimmen begegnen.

      „Rubie, ich geh mit Daddy und Zeke nach oben zu den Schlangen und Spinnen. Wir kommen bald wieder runter, okay?“, sagte das kleine Mädchen plötzlich neben mir und ehe ich meinen Mund auch nur aufmachen konnte, war sie schon wieder verschwunden.

      „Okay“, murmelte ich mehr zu mir selbst und drehte mich um, nur um Pam auf einer Bank zu entdecken. Von dort aus blickte sie abwechselnd auf ihr Handy und dann wieder zu den Fischen. Ihr blondes Haar war in einer Bommelmütze versteckt und als ich mich neben sie setzte, spielte sie gerade mit ihrem Nasenpiercing. „Wir wurden alleine gelassen, Pamela.“

      Pam stieß ein leises Schnauben aus und sah von ihrem Handy zu mir. „Ihr seid eine so süße Familie, dass man fast neidisch sein könnte“, sagte sie monoton und erst als ein Lächeln sich auf ihren Lippen ausbreitete, wusste ich, dass sie es nur nett meinte. „Und das seid ihr, eine Familie.“

      „Es fühlt sich gut an“, flüsterte ich glücklich. Bei dem Gedanken an das, was Haven, Lilac und ich hatten, erwärmte sich mein ganzer Körper. „Eine eigene kleine Familie zu haben.“

      „Du bist so eine Stiefmutter.“