7 Monate Herbstgefühle. Anke-Larissa Ahlgrimm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anke-Larissa Ahlgrimm
Издательство: Bookwire
Серия: Glückszahl 7
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742730060
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      „Kommt eure Mutter auch noch dazu?“, fragte Marie schließlich neugierig, nachdem sie sich Butter auf eine Scheibe Brot geschmiert hatte. Ich sah fragend zu meinen Brüdern, welche fast schon synchron mit den Achseln zuckten.

      „Wenn sie sich nicht selbst etwas kochen will“, sagte Paul schmunzelnd.

      „Das würde ich ihr aber zutrauen“, murmelte ich und erhob mich von meinem Stuhl, um zu Haven am Grill zu schlendern. Kaum entdeckte er mich neben sich, drückte er mir einen Kuss auf die Wange.

      „Was ist los, Baby?“

      Ich stieß ein tiefes Seufzen aus und lehnte mich an seine Seite, während er das Fleisch auf dem Grill wendete. Ich wusste nicht, warum ich plötzlich so schlecht gelaunt war. Vielleicht weil mir bewusst geworden war, dass meine Mutter bald um die Ecke kommen würde. Und es eigentlich keine Chance gab, dass sie sich freuen würde Haven und mich gemeinsam zu sehen.

      Ich wünschte, mein Vater wäre hier. Mein Vater hatte Haven geliebt. Zumindest war das immer so rüber gekommen. Vielleicht hatte er ihn auch gehasst und es vertuscht.

      Aber das war auch egal, mein Dad war weg. Ich würde ihn nie wiedersehen und das war eventuell auch gut so.

       „Hey Bee, zieh nicht so ein Gesicht“, sagte Haven leise. Er wischte seine dreckigen Hände an der Schürze ab und zog mich dann in eine sanfte Umarmung. Seine großen Hände lagen an meinem unteren Rücken, während ich meinen Kopf an seine Brust lehnte. Ich konnte seinen Herzschlag spüren und lauschte ihm so lange, bis meine schlechte Laune zu verschwinden schien. Vielleicht hatte der Herzschlag eines Menschen, den man liebte, nicht nur eine Wirkung auf Babys. „Alles gut?“

      Ich nickte stumm und hob meinen Kopf, sodass ich Haven in die grünen Augen sehen konnte. Lächelnd stellte ich mich auf meine Zehenspitzen und drückte meine Lippen auf seine.

      Leider war das genau der Moment, indem meine Mutter sich entschied in den Garten zu treten.

      „Mon dieu“, stieß sie aus, wobei ich nicht ganz wusste, ob das dem zerstörten Gartenzaun oder Haven und mir galt. Es folgten noch weitere Schimpfwörter in ihrer Muttersprache und ich war sehr froh, dass weder Haven noch Lilac wirklich verstanden, was sie da sagte. In einer anderen Situation wäre ich vielleicht aus Havens Umarmung gesprungen und hätte so getan, als wäre nichts passiert. Doch das tat ich nicht. Ich blieb gelassen in Havens Armen und sah schweigend zu meiner Mutter. „Rubie Stephanie Carpenter!“

      „Bonjour, Maman“, grinste ich und drückte mich ein Stückchen fester an Haven, welcher sich ein wenig unwohl fühlte. Das bemerkte ich an seinem Gesichtsausdruck und an der Art und Weise, wie er seine Hände unruhig über meinen Rücken fahren ließ. „Wie war dein Tag?“

      „Bestens, bis ich durch die Tür gegangen bin.“ Die Stimme meiner Mutter war eiskalt und es breitete sich eine Gänsehaut auf meinen Armen aus. Für einen Moment holte ich tief Luft. Ich würde mich nicht von ihr runtermachen lassen. Nicht heute. „Seit wann bist du hier?“ Die Augen meiner Mutter schienen mich zu durchbohren, doch Haven würdigte sie keines Blickes.

      „Seit heute Morgen. Ich habe doch gesagt, dass ich im Herbst Urlaub habe.“

      „Du hast aber nicht gesagt, dass du ihn mitbringst.“

      „Überrascht?“ Ich sah meine Mutter mit erhobener Augenbraue an. In Gedanken forderte ich sie auf, zuzugeben, dass sie Haven und mich nicht zusammen sehen wollte. Sag es. Na los, sag es.

      Sie tat es nicht. Sie schwieg, warf meinen Brüdern strenge Blicke zu und marschierte in ihr eigenes Haus – mein altes Zuhause. Denn mein Neues stand gleich neben mir.

      VIII

      [18. September, 2016]

      „Hat Maman gestern Abend eigentlich noch etwas über Haven und mich gefragt?“, fragte ich nonchalant, während ich versuchte, die sich windende Lilac auf meinem Schoß zu behalten. Wie Haven – oder eher Marie – vorhergesehen hatte, war heute ein warmer Tag geworden. Meine Brüder waren sofort von der Idee begeistert gewesen zum nächsten See zu fahren. Lilac wollte sofort die Fische dort kennenlernen und ich hatte nichts dagegen die Sonne im Freien zu genießen. Haven wollte lieber den Tag mit seiner Mutter verbringen, was ich ihm nicht verdenken konnte. Eigentlich wollte er auch mit seiner Tochter Lori Walsh, Lilacs leibliche Großmutter, besuchen, allerdings weigerte sich Lilac. Sie wollte „diese komische Frau“ nicht sehen und würde lieber mit „Ylvie“ schwimmen gehen. Und jetzt zappelte sie so sehr, dass ich Angst hatte ihr die Sonnencreme aus Versehen in die Augen zu schmieren.

      „Naja, sie hat schon etwas gesagt“, fing Paul zögernd an, nachdem er sein Handtuch auf der Wiese ausgebreitet hatte. „Aber das ist wirklich nichts, was du hören möchtest oder solltest.“

      Ich seufzte schwer und strich durch Lilacs Haare, um sie locker zusammenzubinden. „Warum kann sie mir das nicht alles ins Gesicht sagen?“

      „Mir hat sie auch noch nie ins Gesicht gesagt, dass sie Daisy hasst“, sagte Maxime und drückte mir einen Kuss auf den Kopf. Ich schüttelte mich vor Kälte, da mein Bruder bereits im Wasser gewesen war und nun auf mich tropfte. „Aber das tut sie abgrundtief – warum auch immer.“ Er zuckte und ließ sich neben mir nieder. Ich bewunderte ihn, dass er so locker damit umging. Wir redeten schließlich davon, dass seine Mutter seine eigene Freundin nicht leiden konnte. Jedes Mal, wenn ich über den Hass von meiner Mutter gegenüber Haven dachte, wurde ich selbst furchtbar wütend. Wie konnte sie ihn nur hassen? Weshalb?

      „Werde ich Daisy eigentlich heute noch kennenlernen?“ Ich entschied mich das Thema zu wechseln, da ich einfach nur einen glücklichen Tag mit meinen Brüdern verbringen wollte – ohne die nicht nachvollziehbare Logik meiner Mutter.

      Maxime schoss das Blut in die Wangen, bevor er sanft den Kopf schüttelte. „Sie ist bei ihrer Großmutter. Aber vielleicht ist sie ja Weihnachten hier?“ Es klang mehr wie eine Frage als eine Aussage und ich musste mir ein breites Grinsen verkneifen. Mein Bruder, der unsicher und peinlich berührt war, das war nichts, was ich oft zu Gesicht bekam. Es stand ihm. Die roten Wangen, meinte ich.

      „Das hoffe ich sehr für euch beide. Ich möchte sie endlich persönlich kennenlernen.“ Ich zwinkerte meinem kleinen Bruder zu. „Ich bin mir sicher, Haven wird Weihnachten auch hier verbringen wollen, also sind wir hundertprozentig in der Stadt.“

      „Gut, dass du das Thema ansprichst“, sagte Yves plötzlich überraschend ernst. Verwirrt beobachtete ich, wie die Drillinge mit Lilac ins Wasser gingen und meine anderen zwei Brüder mich weiterhin ruhig ansahen.

      „Welches Thema? Weihnachten?“, fragte ich durcheinander. Maxime schüttelte seufzend den Kopf.

      „Es geht um Haven. Beziehungsweise um Haven und dich“, erklärte er langsam, wobei Yves zustimmend nickte. Mir schoss die Röte ins Gesicht und starrte auf meine Finger. Das nahm mein Bruder als Zeichen weiterzusprechen. „Versteh uns nicht falsch, wir mögen Haven, das weißt du. Aber das kommt doch alles sehr plötzlich.“

      Ich nickte verständnisvoll. „Für uns auch. Also es kam sehr plötzlich. Ich meine, diese Gefühle waren auf eine Weise schon immer da, aber –“ Ich hielt einen Moment inne, um meine Gedanken zu sammeln und die richtigen Worte zu wählen. Ich wollte, dass meine Brüder nachvollziehen konnten, wie ich mich fühlte. „Ich hab in den letzten Monaten mit Haven einige Male gedacht, dass wir alles überstürzen und dass es letztlich in einem Scherbenhaufen enden wird. Aber jedes Mal beweist Haven mir das Gegenteil und wir … wir funktionieren einfach.“

      „Also stimmt es auch, dass ihr eine gemeinsame Wohnung habt? Nach zwei Monaten Beziehung?“, hakte Yves mit erhobenen Augenbrauen nach. Als ich verlegen nickte, stieß er ein leises Schnauben aus. „Das ist verrückt.“

      Ich stieß einen verzweifelten Ton aus. Wie wollte ich das den beiden nur erklären? „Ich weiß, Yves. Aber Haven zu lieben ist wie … wie mit einem Cabrio auf der Überholspur. Die Welt zieht so schnell an uns vorbei, aber der Wind fühlt sich so gut an.“

      Zuerst