Gesucht. Paul Kohler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Kohler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741848476
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über die Untergrundaktivitäten erzählt. In Wirklichkeit aber müssen Gangster genau von solchen Leuten die Bankgeheimnisse studieren: wie viel Geld wohl so im Durchschnitt der Tresor birgt, welche Sicherheiten auftreten und, und, und. Vor allem aber musste die Runde gemacht haben, dass der kleine fiese Chef die Alarmanlage wegen enormer Stromkosten abstellen ließ. Prompt läuft eben auch uns einer dieser Bankräuber ins Haus.

      »Ich bin nicht dazu geboren, George.«

      »Nein, gewiss nicht.«

      »Verdammt! Mir fallen noch nicht einmal die dämlichen Sprüche ein, mit denen Kriminelle so um sich schmeißen: ‘Hände hoch und alle auf den Boden’ sind bei mir keine Spontanität sondern bestenfalls nachgeredet von dem, was man so aus Filmen kennt.«

      »Authentisch war’ s.«

      »Ja?«

      »Ja.« Ich lege mich zurück auf den Rücken und versuche erneut meine Lieder zusammenzupressen. Wieder gelingt es nicht.

      »Ich werde heute Nacht kein Auge zu tun.«

      »Ich ebenfalls nicht«, bemerke ich flugs, bevor er mir nochmals unmissverständlich klarzumachen versucht, was er mit mir und mit sich und der ganzen Sache vorhat.

      »Ich werde dir nichts tun, George, und du kannst gehen. Gehen, wann immer du willst und wohin du willst. Anfangs dachte ich vielleicht, dass ich mit einer Geisel aus der Geschichte herauskommen und mit dem Geld abhauen könnte, aber du zeigst mir einen besseren Weg. Denn ich möchte nur eines, wenn du gehst: rufe die Polizei und nehme die Waffe an dich, weit fort, dass ich meiner gerechten Strafe zugeführt werden kann. Ich wäre dir deswegen dankbar, wenn Morgen früh die Polizei hier die Hütte stürmen und mich festnehmen würde.«

      »Jim, ich werde nicht gehen.« Ich setze aus und lasse ihm einen Moment, in dem er sich klar über das werden kann. »Ich für meinen Teil bin endlich dem tristen Alltag entflohen, habe auch endlich keine Angst mehr vor dem, was wir in unserem Verbund zu tun gedenken und werde unter keinen Umständen schon jetzt in mein altes Leben zurückkehren, nur um in wenigen Tagen wieder der Depp in der Bank zu sein, zu dem alle sein dürfen, wie sie nur wollen.«

      »Hm.«

      »Ein irrwitziger Zufall hat uns zusammengeführt und ich stehe kurz davor, vielleicht für mein Leben wichtige und außergewöhnliche Bekanntschaften zu schließen, wie mit dir. Also warum bitte sollte ich unsere Hatz jetzt schon beenden wollen?« Jim legt sich wieder und dreht sich auf die Seite zu mir; am Nachthimmel steht noch immer die Dunstwolke der Lichtverschmutzung der abertausend Lichter Londons und versperrt den Blick auf unser Sternenzelt. Es ist eben das Los, wenn man in der Stadt lebt und kaum raus kommt. »Tief im Inneren, Jim, liegt auch dein Wille, jetzt noch nicht gefasst zu werden, sondern durchzukommen.«

      »Ach, unmöglich.«

      »Ich habe mich entschieden und wenn du willst, dass ich zur Polizei gehe, dann sei einfach Morgen früh nicht mehr hier. Dann will ich es auch genauso machen, wie du verlangst.«

      »Meine Entscheidung?«

      »Deine, Jim.«

      »Ich werde nicht gehen können.«

      »Wieso nicht?«

      »Die Angst mich von hier weg zu bewegen ist einfach zu stark, als dass sich mein Wille gegen diese durchsetzen könnte. Ich bin nicht der Typ Mensch …«

      »Aber bringt es fertig, eine Bank zu überfallen. Ich verstehe nicht ganz.«

      »George, es ist wie eine Droge. Wenn ich auf Entzug bin verlangt mein Geist nach Befriedigung und nach dem, dass ich stehle. Nur so kann ich mich von den Drogen fernhalten und nur so kann ich überhaupt noch mit meinem Leben klar werden. Sollte das Wegbrechen, würde ich wohl an meiner eigenen Angst zu Grunde gehen.« Er hält kurz inne. »Es ist nicht so, dass ich nur auf den richtigen Moment vor der Bank gewartet habe, sondern mich nicht traute. Schon früh wollte ich, entschied mich dann aber wieder zu fahren … So ging das, bis ich den Entschluss gefasst hatte und eben tat, um mich zu befriedigen.«

      Wir blicken beide schnurgerade zur Decke, obgleich sich nicht wirklich etwas Besonderes dort abzeichnet, scheint es ein guter Punkt für unser Gespräch zu sein, an dem sich die Diskussion vereint und auf uns zurück prasselt. Ich zumindest hatte nicht damit gerechnet, einmal eine Ausfahrt mit einem Bankräuber zu machen.

      »Die Pistole? Wo hast du sie?«, fragt mich Jim.

      »Im Jackett dort, aber ich habe nicht vor, sie nochmals anzufassen.«

      »Hole sie hier zum Bett.«

      »Nein. Dort ist sie mir sicherer aufgehoben.«

      »Unser Spiel«, er scheint eben und durch mich neuen Mut zu fassen, »ist noch nicht vorüber und nun wollen wir auch für unsere Sicherheit sorgen, oder.«

      »Ja schon, aber dort im Jackett ist mir die Waffe am liebsten.«

      Ich weiß das er nur darauf aus ist, dass ich ihm die Waffe zurückgebe – so ganz offiziell eben. Das aber habe ich nicht vor, weil ich ihn sehen möchte, wie er sie sich einfach zurücknimmt. Immerhin ist es doch seine und mich tangiert nicht wirklich, ob sie nun im Jackett steckt oder bei ihm auf dem Nachttisch liegt. Fakt ist, dass derzeit diese Pistole mit zehn Schuss die einzige Verteidigung ist aber weder ich noch Jim vorhaben, sie abzufeuern.

      »Das Geld hätten wir wenigstens mit hier herauf nehmen können. Dort unten im Wagen ist es vor nichts und niemand sicher«, bemerkt er beiläufig.

      »Wenn es am morgigen Tag weg wäre, hätten wir zumindest ein Problem weniger, findest du nicht.«

      »Nein, irgendwie nicht wirklich.«

      »Wir müssen uns des Geldes entledigen. Die markierten Scheine würden sonst sofort die Aufmerksamkeit auf uns lenken. Ich weiß selbst gut genug wie schwer es ist, sich von Geld und dann auch noch dieser Menge zu trennen, erachte aber Freiheit als das wichtigere Gut.«

      »Trotzdem. Erstmal könnte man doch …«, sinniert er, aber ich schreite ein: »Nein. Nicht einen der Scheine werden wir ausgeben.«

      Endlich gibt Jim Ruhe und lässt auch mich ein wenig Kraft tanken. Ob einer von uns beiden am nächsten Tag nicht mehr aufwachen oder weg sein wird, oder vielleicht doch dem Portier unsere eigenartige Weise einzuchecken aufgefallen ist und er die Polizei verständigt hat, oder eventuell auch von ganz allein eine Streife auf das Geld gestoßen ist, wird sich zeigen, doch für das erste lässt man es dabei bewenden. Nur noch einmal stehe ich auf und banne die Straße mit ihren Laternen und den Motorengeräuschen vereinzelter Wagen und Londons Lichtglocke aus dem Zimmer – die Jalousien muss man zugeben sind nicht schlecht und man müsste ernsthaft darüber nachdenken, solche auch zu Hause anzubringen. Dort stören mich die Nachbarn wirklich täglich mit ihren nächtlichen Fernsehorgien. Im übrigen hatten wir das Doppelbett nicht auseinander gezogen und liegen nun dicht an dicht. Wieso auch nicht, es ist immerhin nur für eine Nacht. Morgen früh schon müssen wir weiter, wie auch immer wir von hier entkommen wollen, denn der Tank ist bis auf den letzten Tropfen leer geworden.

      Irgendwie gelingt es dann doch und man findet unter den eigenartigen Umständen gegen halb zwei ein wenig Schlaf, wenn auch jedes kleinste Geräusch Angst durch die Glieder jagt. Ich denke wirklich, an einen der besten Bankräuber geraden zu sein und ihn, sollte ich das Inferno – dass uns noch bevorstehen sollte – überleben, immer als Menschen ansehen werde, ganz gleich wie ihn die Welt und das Gesetz bestrafen wird. Meinetwegen bleibe ich der einzige Besucher Jims im Gefängnis, das für ihn unausweichlich erscheint.

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