»Was hast du vor?« Fifi hob den Kopf. Ihr Blick sagte ihm, dass sie mit seiner Leistung zufrieden war.
»Lola wartet auf mich...«
»Hast du was mit ihr?« Fifis Stimme klang irgendwie leicht eifersüchtig.
»Aber nein!« Roger schnallte den Patronengurt um seine Taille.
»Sag die Wahrheit«, sagte Fifi. Sie setzte sich aufrecht hin. Ihre Augen sprühten Blitze.
»Hör mal, Fifi«, erwiderte Roger. »Wir sind doch nicht miteinander verheiratet!«
»Aber du hättest gern was mir ihr«, sagte Fifi stur. »Ich seh’s dir an der Nasenspitze an!«
»Für eine Frau, die demnächst einen anderen heiratet, hast du aber komische Anwandlungen«, sagte Roger.
»Ich heirate ihn ja gar nicht.«
Roger stand inzwischen an der Tür und lauschte in den Korridor hinaus. Die Standuhr in Fifis Gästezimmer sagte ihm, dass er eine halbe Stunde hier verbracht hatte. Verdammt! Lola würde sich bestimmt Sorgen um ihn machen. Hoffentlich beging sie keine Kurzschlusshandlung...
»Ich muss jetzt gehen.« Er blies Fifi ein Kusshändchen zu. »Das Fort ist groß, und in zwei oder drei Stunden geht die Sonne auf.«
Fifi spitzte die Lippen. »Pass auf dich auf – und lass dich nicht mit fremden Frauen ein.« Sie kuschelte sich ans Laken und seufzte selig. Wahrscheinlich schwelgte sie in Erinnerungen an die letzten dreißig Minuten.
Roger zwinkerte ihr noch mal zu, dann öffnete er die Tür und schlich hinaus. Im Haus war alles still. Er kam an die Treppe und ging leise hinab. Eigenartigerweise bebten nach der Rammelei mit Fifi seine Knie, und das hatte er nur selten erlebt. Im Schutz der Finsternis schlich er nach unten, fand den Salon und suchte nach der Kellertür, die Fifi ihm am Nachmittag gezeigt hatte.
Er fand sie rasch, aber er auch noch etwas anderes, und das hatte er nicht erwartete: Ein dunkler Schatten löste sich von einer weißen Wand und stürzte wie eine riesengroße Krähe auf ihn zu. Zuerst glaubte er, es sei Lola, die, statt allein in den Keller vorzudringen, hier auf ihn gewartet hatte. Doch als ihn ein Faustschlag am Kinn traf und er zurücktaumelte, wusste er, dass er sich geirrt hatte.
Die Gestalt war ein Mann, und da er ihn nicht angesprochen, sondern gleich angegriffen hatte, wurde Roger sofort klar, was hier ablief: Kensington war ihnen auf die Schliche gekommen. Dass sein Gegner weder einen Laut von sich gab, noch Alarm schlug, konnte nur bedeuten, dass man keinen Wert darauf legte, das Personal oder Fifi zu wecken.
Na schön, dachte Roger. Ist mir Recht.
Sein Kinn tat weh, aber er ignorierte es. Er stürzte vor, hob beide Hände, bekam den Stetson des Unbekannten zu fassen und zog ihn ihm mit einem raschen Griff über beide Augen.
Sein Gegner grunzte verblüfft. Eine Sekunde später traf ein Haken sein Kinn und eine Kniespitze sein Gemächt. Der Kerl klappte zusammen wie ein Taschenmesser, und Roger nutzte die Gunst der Sekunde, um mit einem Hieb auf seine Nase nachzusetzen.
Offenbar hatte er den Angreifer nun so wütend gemacht, dass er sein Vorhaben vergaß, keinen Lärm zu machen. Im matten Licht der Sterne, das durch die großen Salonfenster fiel, sah Roger, dass die Rechte des Burschen nach seinem Schießeisen tastete. Im gleichen Moment fiel sein Blick auf eine bauchige Flasche, die neben ihm auf einem Tisch stand. Rogers Rechte scherte aus, bekam den Flaschenhals zu packen und riss ihn hoch. Als die Hand seines Gegners den Coltgriff umfasste, knallte die Flasche gegen sein rechtes Ohr.
»Oahh...«
Bong! Und noch einmal. Roger hörte das Eisen zu Boden scheppern. Sein Gegner – er sah nun, dass es Flint war – wankte. Seine Augen zeigten den stumpfsinnigen Blick eines Ochsen, der gegen eine Steinwand gelaufen ist. Aber er war nur benommen, nicht besinnungslos. Roger hieb noch einmal zu, diesmal von unten nach oben. Der Flaschenboden knallte gegen Flints Kinn. Sein Kopf flog nach hinten. Er taumelte und schlug mit dem Schädel gegen die Wand. Roger hörte ihn leise seufzen. Flint rutschte langsam an der Wand entlang zu Boden und blieb liegen.
Roger stieß keuchend die Luft aus. Dann bückte er sich und betrachtete sein Opfer eingehender. Flint regte sich nicht mehr. Er starrte mit hohlem Blick ins Leere. Er schien sich das Genick gebrochen zu haben.
Roger schüttelte sich. Dann trat er langsam zurück. Er hatte einen Menschen umgebracht, wenn auch in Notwehr. Wenn sie ihn erwischten, bevor er Roxanne Prentiss gefunden hatte, würde man ihn am nächsten Baum aufknüpfen. Kensington war in Hard Times ein angesehener Mann. Möglicherweise duzte er sich mit dem Marshal und dem Friedensrichter.
Rogers Karten standen schlecht. Er fragte sich, was Flint überhaupt hier gemacht hatte. Hatte er etwa den Kellereingang bewacht? Dafür musste es einen Grund geben.
Roger öffnete die Tür. Es war dunkel dort unten, doch an der Wand, rechts von ihm, befanden sich drei Haken, an denen zwei Laternen hingen.
Eine fehlte. Hatte Lola sie an sich genommen? Er nahm eine Laterne an sich und zündete sie an. Im Schein des Lichts stieg er eine Steintreppe hinab und kam in einen etwa zehn Quadratmeter großen Raum, von dem zwei Gänge abwichen. Der eine, rechts von ihm, war mit einer Tür versehen. Roger versuchte sie zu öffnen. Abgeschlossen. Er wandte sich dem finster gähnenden Gang zu, der ihm gegenüber lag. Er wich nach rechts und links ab. Vor ihm waren zwei kleine Räume, in denen Holzstapel lagerten. Brennmaterial für den Winter. Roger ging nach links. Er kam in eine typische Kellerzone mit etwa einem Dutzend offenen Lattenverschlägen, in denen sich Gerümpel und alte Möbel türmten.
Er ging zurück, nahm die linke Abzweigung. Auch hier stieß er auf zahlreiche Verschläge, aber nichts wies darauf hin, dass sie eine Gefangene beherbergten. Der Gang war mindestens fünfzehn Meter lang. An seinem Ende befand sich eine weitere Tür.
Roger ging in die Knie und warf einen Blick durch das Schlüsselloch. Er blickte in einen kleinen Raum oder einen weiteren Gang. So genau war es nicht zu erkennen. Vor sich sah er einen Türrahmen, der von einer in der Mitte geteilten Decke verhängt war. Durch den Schlitz in der Mitte glaubte er das Licht einer Kerze zu erkennen.
Roger schaute sich um und prägte sich den Rückweg ein. Dann löschte er die Laterne und stellte auf den Boden. Seine Hand legte sich vorsichtig auf den Türknauf. Klick. Die Tür ging auf. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass es sich um einen Vorraum handelte. Er baute sich vorsichtig hinter der Decke auf und lugte durch den Spalt.
Dahinter befand sich ein wohnlich eingerichteter Raum. Ein Schlafzimmer? Er sah ein Himmelbett mit dicken Kissen. Die Decke war zurückgeschlagen, auf dem weißen Laken lag ein schwarzes Korsett. Vor dem Bett stand ein paar Stiefel, das er an den Beinen der Entführten gesehen zu haben glaubte.
Roger frohlockte. Er hatte das Versteck gefunden! Doch wo steckte Roxanne? Und wo, zum Henker, blieb Lola?
Im gleichen Moment ging in dem Raum eine Tür auf, die er bislang übersehen hatte. Roxanne trat ein. Sie trug goldene Sandalen mit hohen Absätzen und einen kurzen roten Spitzenunterrock, das sich so eng an ihren Leib schmiegte, dass er mehr zeigte als verbarg.
Roger fragte sich, ob sie ihm jetzt auch noch so hochnäsig entgegentreten würde.
Er schlug die Decke beiseite und trat ein.
»Hallo, Durchlaucht...«
Roxanne zuckte zusammen als sei er eine Klapperschlange. Sie riss Mund und Augen auf und zeigte ein heftiges Entsetzen.
»Überrascht?« Roger schaute sich kurz um. Das luxuriös eingerichtete Zimmer, in dem sie sich aufhielten, sah eigentlich kaum wie ein Gefängnis aus. Außerdem war es nicht verschlossen gewesen.
Was hatte Roxanne daran gehindert, es zu verlassen? Ziemlich unverständlich war ihm auch, wieso die Entführte nun einen roten Unterrock trug, wo er sie doch bei ihrer letzten Begegnung in einem schwarzen gesehen hatte. War Kensington ein so verständnisvoller Kidnapper,