Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
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      Der Einspänner bog jetzt unvermittelt ab auf eine kleine Lichtung, die wie eine Bucht von der großen Wiese abzweigte. Rundum von hohen Bäumen umgeben stand mitten auf dieser Lichtung ein Haus, ein Bollwerk aus dicken Baumstämmen. Links neben dem Haus stapelten sich in einer langen, hinter dem Haus verschwindenden Reihe frisch gespaltene Holzscheite. Auf der anderen Seite des Hauses: Ein längerer Holzschuppen, aus dessen geöffneter Mitteltür das schweifschlagende Hinterteil eines Pferdes herausragte. Der Junge drehte sich zu ihr herum, lachte sie mit blitzenden, braunen Augen an und deutete mit dem Kopf auf das Haus, „Wir sind da!“ Ohne den Blick vom Haus abzuwenden und auch in der Erwartung, dass jeden Augenblick jemand am Haus erscheinen müsse, stieg Therese vom Wagen herunter. Der Junge wartete bis sie neben ihm stand, und fuhr dann auf den Schuppen an der Hausseite zu.

      Abwartend, ein wenig verloren stand sie allein vor dem Haus. Ebenerdig gebaut ruhten die Balken in der Mitte und an allen vier Ecken auf dicken Steinen, wodurch das Haus, vom Boden abgehoben, etwas höher stand. Wie ein schützender Helm ragte das Dach mit seinen grün und braun bemoosten Schindeln an den Seiten gehörig über die Seitenwände hinaus. Sie machte langsam ein paar Schritte auf das Haus zu, die Eingangstür, rechts von der Haushälfte über einer dicken, abgeflachten Steinplatte, blieb geschlossen, ebenso die Fenster. Bis auf die Fliegen, die sie in zunehmender Anzahl hartnäckig umschwirrten, schien sie niemand zu erwarten.

      Der Junge hatte das Pferd ausgeschirrt und brachte es in den Schuppen, aus dem nun zwei Pferdehintern herausschauten und schweifschlagend die Fliegen abwehrten.

      Therese beschloss, nicht länger auf der Wiese zu warten. Sie sah sich um und steuerte dann kurzentschlossen auf eine dicke, mächtige Baumscheibe zu, die, von der Sonne beschienen, an der Hauswand auf drei Steinen ruhte.

      „Er kommt!“ Der Junge schaute grinsend hinter dem zweiten Pferd hervor und wies mit ausgestrecktem Arm nach hinten. Am Waldrand hinter dem Haus zwischen dicht stehenden Holunder- und Haselnusssträuchern tauchte Pater Gregor auf. Einen Moment blieb er stehen, blickte zum Haus herüber und hatte sie dann erkannt. Er winkte ihr mit der linken zu und drückte gleichzeitig mit der rechten Hand ein Gefäß gegen seinen Bauch, lachte über das ganze Gesicht.

      Am Schuppen begegnete er dem Jungen, der mit einer Axt auf der Schulter hinter den Pferden zum Vorschein kam, klopfte ihm auf die Schulter und sagte etwas zu ihm, was jedoch nicht bis zu Therese drang.

      „Da seid ihr ja endlich. Gott sei Dank!“ Außer Atem machte er die letzten Schritte. „Zum Glück hat Stefan euch gleich gefunden. Ich hatte schon Sorge, wir würden euch nicht mehr rechtzeitig aus der Stadt bekommen.“

      Sie legte die Stirn übertrieben in Falten „War ich denn in so großer Gefahr, Pater?“

      „Ah – nehmt das nicht zu leicht! Viel hat nicht gefehlt, dann ständet ihr jetzt nicht hier auf dieser Wiese, sondern läget vielleicht auf einer ziemlich harten Streckbank.“ Dann zog die Sonne über sein Gesicht, seine oft so ernsten grau-blauen Augen blitzten vor Freude „Ich freue mich sehr, euch nach so langer Zeit gesund und wohlbehalten wiederzusehen. Ihr seht, wenn ich das als Pater so sagen darf, wunderbar aus! Kommt! Setzen wir uns da rüber!“ Seine Linke zeigte etwas umständlich vor der Brust her auf die Baumscheibe vor dem Haus. Tatsächlich war es seine rechte Hand, die ihre Aufmerksamkeit erregte: Merkwürdig verkrampft presste diese das Gefäß mit wilden Erdbeeren eher gegen den Bauch als es festzuhalten. Er stellte das Gefäß etwas umständlich auf den Tisch und setzte sich dann auf die Bank. Die rechte Hand ruhte wie eine fast geschlossene Kralle auf seinem Oberschenkel.

      Therese lehnte sich gegen die Wand, genoss deren Wärme, die sich sogleich ihrem Körper mitteilte, „Ja, es geht mir gut und ich bin froh, dass ich euch gefunden habe!“

      Er nickte verstehend „Die Art und Weise, wie ihr die Verbindung hergestellt habt, war sehr originell. Woher wusstet ihr, dass ich jeden Morgen dort am Marienaltar bin?“

      „Meister Vogel, der Bäcker, hat es mir gesagt.“

      Er legte die Stirn leicht in Falten, „Ihr wohnt bei ihm?“

      „Da hatte ich noch Glück, alle Quartiere in der Stadt sind belegt.“

      Er nickte bedächtig, „Seit Wochen schon! Aber es hat nicht viel gefehlt, dann wäre es mit eurem Glück vorbei gewesen. Um ein Haar wäre euch diese Kammer zum Verhängnis geworden. Wisst ihr das?“

      Sie schaute ihn ruhig an, neigte den Kopf leicht hin und her, zeigte dann auf seine rechte Hand. Die Handfläche nach oben glich sie einer im Krampf erstarrten Kralle. „Was ist mit eurer Hand geschehen?“ Er folgte ihrem Blick, hob die Hand etwas hoch und schaute sie, in dieser Haltung verharrend, mit einem leisen Lächeln an „Das war der Preis für ein wertvolles Menschenleben!“ Seine Linke wies entspannt auf sie, „Der Einsatz hat sich ganz offensichtlich gelohnt“

      Augenblicklich schossen die Bilder an Thereses Augen vorbei. Das dunkle Verließ, der Gestank, die Angst, die Treppe, der Folterraum und übergroß: der Pocher! „Hat er euch meinetwegen gefoltert?“

      „Er hat, der Pocher!“ Nachdenklich blickte er auf die immer noch angehobene Hand, „Der Kerl hat noch in der Nacht eurer Flucht versucht, etwas aus mir heraus zu pressen, hat mich geschlagen, gestochen und gequetscht, um mich wach zu kriegen. Es ist ihm gottlob nicht gelungen.“ Er nahm keine Erdbeeren mehr, lehnte sich zurück, den Kopf an die Wand, für einen Augenblick holte ihn die Erinnerung ein. „Dieser Pocher ist kein Mensch! Ihr solltet euch vor ihm in Acht nehmen! Es war unvorsichtig, ihn wieder auf die eigene Spur zu setzen!“

      Von irgendwoher tönte verhalten das Krachen wuchtiger Axtschläge, ganz in ihrer Nähe gluckste und gluckerte ein Bach und die Fliegen hatten die Erdbeeren entdeckt. „Zwar lebt der Westerstetten nicht mehr, aber seine Narren lauern immer noch! Und jetzt wird sich der Kerl wieder in euch verbeißen!“

      Sie beugte sich vor, schaute ihn fest an, „Pater! Der hat meine Spur nie verloren. Der Kerl war immer dicht hinter mir und hat mich durch das Reich gehetzt wie ein Wild. Ich habe nie verstanden, warum der mich so verbissen gejagt hat.“ Sie beugte sich vor, „Warum hasst der Kerl mich so? Ich habe alle Gründe der Welt, ihn zu hassen! Aber er mich?“

      Mit leicht zusammengekniffenen Augen sah er sie einen kurzen Moment abwägend an. „Ihr wisst nicht, welches Unheil dem Pocher in der Nacht eurer Flucht zugestoßen ist?“

      Therese legte den Kopf etwas schräg, „Was dem Pocher zugestoßen ist?“ Eine ganze Zeitlang schwebte die Frage ohne Anschluss zu finden im Raum. Axtschläge drängten sich in die Stille. Nachdenklich schaute Pater Gregor auf den Boden, wo sein rechter Fuß einen kleinen Erdhügel zusammenschob und dann wieder einebnete.

      „Zu dem Zeitpunkt, als man euch in den Turm warf, war seine Frau im letzten Monat schwanger.“ Sein linker Zeigefinger legte sich bedeutungsvoll über die Lippen, berührte lose die Nasenspitze. „Ausgerechnet in der Nacht, als ihr fliehen konntet und der Pocher niedergeschlagen auf der Straße lag, ist in seinem Haus ein Brand ausgebrochen. In den wenigen Minuten, in denen er da lag, stand sein Haus lichterloh in Flammen. Ich habe es vom Turm aus noch gesehen, das ging rasend schnell. Nur seine Frau hat er da noch herausgeholt. Haus, Stall und Vieh, alles hat er verloren.“

      Sie schüttelte den Kopf, verstand nicht „Einfach so? Ich meine, es hat einfach so angefangen zu brennen?“

      Er zog die Mundwinkel nach unten, die Schultern ein wenig hoch,

      „Es wird schon einen plausiblen Grund für den Brand geben, muss es ja. Nur, für den Pocher passte das alles zusammen, für den war das Hexenzauber. Alles Unglück, was ihm in der Nacht widerfahren ist, habt ihr ihm angezaubert, ihr und der Satan. Davon ist er bis heute fest überzeugt.“

      „Das ist doch Unsinn! So was kann er nicht wirklich glauben.“

      „Wartet: Der Brand war noch nicht alles.“ Er löste sich von der Wand und wandte sich ihr direkt zu, „Noch während des Brandes begannen bei der Frau die Wehen. Jetzt stellt euch das Durcheinander vor: Da brennt vor ihm das Haus und mit ihm alles, was er besitzt. Ihr ward zuvor entkommen und nun, mittendrin in allem Gehetze, beginnen bei seiner Frau die Geburtswehen.“

      „Auf