Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
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so als wollte er sich die gewaltige Summe möglichst eindringlich vorstellen. „Vierzig Prozent sagtet ihr? Das sind noch einmal zweitausend Gulden! Unmöglich!“

      Indes, seine Skepsis und Sorge reichten nicht bis zu ihr. „Ich beabsichtige nicht, die Wechsel direkt beim Fürstbischof einzufordern.“

      „Sondern?“

      „Ich möchte den Gesamtbetrag der Wechsel in ein neues Geschäft einbringen – ganz einfach!“

      „Ganz einfach!“ er betonte das „a“ im ´Ganz´ übermäßig lang, während er sich in seinen Stuhl zurücklehnte, „Wie stellt ihr euch das vor? – Immerhin müsst ihr den Betrag zunächst einmal flüssig machen. Ohne Geld kein neues Geschäft!“

      „Nein! Nicht unbedingt! Ihr kennt die hiesigen Märkte, die Händler! Könntet ihr euch vorstellen, dass es euch möglich wäre, mir jemanden zu vermitteln, der zunächst einmal Geld in dieser Größenordnung braucht und der deshalb in der Lage wäre, mit dem nötigen Druck die Wechsel umzuwandeln?“ Sie machte eine kurze Pause, hielt seinen Blick mit dem Ihren fest, während er, vielleicht unsicher, ob er überhaupt richtig gehört hatte, wie angenagelt in seinem Stuhl saß.

      „Ihr solltet euch nicht so viele Gedanken über die unbestreitbare wirtschaftliche Notlage des Bistums machen. Diese ist ein von mir durchaus berücksichtigter Planungsfaktor!“ Es dauerte eine Weile, bis er sich ganz langsam aus seinem Stuhl nach vorn an den Tisch bewegte, dort, fast ein wenig unwillig, mit der Hand durch die Luft wischte, „Erklärt mir das!“

      „Nun, langfristig wird das Bistum auch wieder zu Geld kommen. Schon Izaak Goldberg war der Meinung, dass die Kirche der sicherste Kreditnehmer sei. Was liegt also näher, dem Fürstbischof jetzt mit einem Darlehen zu helfen, damit er seine Schulden bezahlen kann.“ Sie machte ein Gesicht, als wolle sie sagen: Ist doch klar, oder?

      Nachdenklich fixierte er sie, überlegte. Abwägend dann, „Ist es nur das Geschäft, oder wollt ihr nicht vielleicht eher eine Rechnung begleichen?“

      „Beides, wenn ihr so wollt!“ Sie lehnte sich zurück, bemühte sich, das Feuer in ihren Augen klein zu halten, „Ihr denkt wohl in die richtige Richtung, und da steht noch eine ziemlich hohe Rechnung aus! Aber, Tatsache ist, dass ich zwei Wechsel besitze, mit denen sich der Westerstetten eine ziemlich hohe Geldsumme beschaffen konnte. Er wusste, dass deren Ausstellung auch logisch deren Rückzahlung beinhaltete und zwar zu einem festgelegten Zeitpunkt. Das war und das ist ein ganz normales Geschäft – ich habe da keine Skrupel. Und wenn ich dem Marquard heute einen Anschlusskredit anbiete, um so die viel höheren Verzugszuschläge zu vermeiden, was ist daran verwerflich?“

      „Nein, nein, das ist geschäftlich vollkommen korrekt und dennoch: Euer Vorgehen erscheint mir nicht zufällig und in der gegenwärtigen Situation auch einigermaßen gnadenlos!“

      Ihr angedeutetes Schulterzucken sagten so etwas wie: „So ist eben das Leben!“.

      „Sagt mir noch eines,“ er legte den Kopf leicht in den Nacken und sein Ausdruck bekam etwas Lauerndes, „was veranlasst euch zu glauben, dass ich vertraulich mit euren Informationen umgehen werde, dass ich mich überhaupt auf dieses Geschäft einlassen werde? Immerhin liegen die Wechsel ja hier auf meinem Tisch!“

      „Ehrlich gesagt: Um eure Verlässlichkeit mache ich mir keine großen Sorgen! Izaak hat euch für die Abwicklung dieses Geschäftes empfohlen, das reicht mir!“ Sie verschwieg, dass auch Izaak Goldberg große Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit dieses Geschäftes hatte. „Außerdem:“ sie beugte sich weit vor, sah ihn mit großen Augen an, „Ich bin nicht erst seit heute auf der Welt. Ein Vertrauensbruch in einer Angelegenheit, bei der Zahlungen dieser Größenordnung abgewickelt werden, würde mehr als nur euren tadellosen Ruf beschädigen! So etwas spricht sich in Geschäftskreisen noch schneller herum als der Ausbruch der Pest. Wer wollte dann in diesen Zeiten noch mit euch verhandeln?“ Langsam lehnte sie sich wieder zurück, ohne ihn aus ihren fragenden Augen zu lassen.

      Irgendwie beeindruckte, reizte und ärgerte ihn diese Frau gleichzeitig. Zum Teufel mit Izaak Goldberg! Unbewusst ließ er sich in den Stuhl zurücksinken, verschränkte die Arme über der Brust, musterte sie überlegend.

      Eine Weile tat sich gar nichts. Seine Augen tasten sie ab, schweigend, überlegend, prüfend. Schon keimte in ihr die Sorge, doch zu hoch gesetzt und verloren zu haben.

      „Ihr seid eine bemerkenswerte Frau und versteht wahrlich euer Handwerk, vermutlich die Schule Izaak Goldbergs. Gut! Ich mache euch einen Vorschlag, der ganz nach eurem Geschmack sein wird. Aber er ist für uns beide – für euch und für mich – nicht ohne Risiko! Was mich betrifft, so müsste ich mich auf eure absolute Verschwiegenheit verlassen können! Meine Person darf in keinerlei Zusammenhang mit diesem Handel genannt werden. Dessen muss ich ganz sicher sein!“

      Sie legte den Kopf etwas zurück, hintergründig lächelnd, „Eure Informationen sind bei mir ebenso sicher aufgehoben, wie meine bei euch.“

      „Ja, ja!“ Er gluckste etwas, schaute sie belustigt an, „So etwas hätte ich mir ja denken können. Zu eurem Risiko: Es besteht zuerst mal darin, dass dieser Händler Protestant wäre!“

      „Ich sehe darin kein Risiko!“ Unvermittelt musste sie schmunzeln, „Vielmehr erhöht dieser Umstand für mich den Reiz des Handels. Der Fürstbischof muss einem Protestanten…“

      „Einem…“ er fügte dies mit erhobenem Zeigefinger ein, „ihm bestens bekannten Augsburger Protestanten!“

      „Noch besser! Dem muss er schweren Herzens die Wechsel einlösen! Mein Gott, er wird nachts nicht schlafen können, wenn er sich vorstellt, wie dieser Protestant das viele Geld in den Kampf gegen die katholische Liga einbringt.“ Sie wandte sich ihm direkt zu, immer noch lächelnd und ihr Blick bekam eine Wärme, die ihm irgendwo im Bauchbereich unter die Haut ging. „Ihr könnt es nicht wissen, aber, das tut meiner Seele gut, ist ein Tropfen Öl auf die Wunde.“

      „Ich dachte es mir! Nur, und das ist der andere Punkt: Ihr werdet es nicht leicht haben! Er ist ein tyrannischer Mann, der herrschen will und das Herrschen gewohnt ist. Er ist schwierig und wird euch – zumal als Frau – nicht so ohne weiteres akzeptieren. Euer Geld ja, euch dagegen wird er bedenkenlos an die Wand drücken.“ Sein Gesicht verriet ihr, dass er nicht übertrieb. Er meinte es ernst, machte sie nachdenklich.

      „Hm! Aber dieser Mensch braucht dringend einen größeren Geldbetrag?“

      „Ganz dringend! Er betreibt in Augsburg mehrere große Webereien. Stellt pikanterweise Decken, Vorhangstoffe und was weiß ich noch für die Kirchen und Klöster der Region her – auch für die Eichstätter! Der Handel läuft über einen katholischen Mittelsmann.“

      „Ich nehme an, der heißt Loderer!“ Lächelnd teilten sie sich die diebische Freude. „Außerdem beliefert er viele Heere mit Zeltplanen, Uniformstoffen und Wolldecken. Auch immer über Zwischenhändler.“

      „Wie gehabt!“

      „Wie gehabt!“ antwortete er schmunzelnd. „So! Nun ist der Mann in der unglücklichen Lage, dass sich die Aufträge zwar türmen, er aber nicht in erforderlicher Menge weben kann, da ihn die Katholiken teilweise enteignet und die Webstühle einfach verkauft haben. Er muss also neu aufbauen, unbedingt!“

      „Wie hoch ist das Risiko einer erneuten Enteignung?“

      „Ausschließen kann man das in diesen Zeiten nie ganz. Aber ich glaube, wir haben das überstanden. Und es gibt niemanden, der solche Mengen liefern könnte. Eure Wechsel kämen ihm also wie gerufen. Er würde sie als Wink des Himmels verstehen. Und ihr könnt euch darauf verlassen: Der würde sie in Eichstätt flüssig kriegen. Nur wie gesagt, ihr müsst sehr auf der Hut sein!“

      „War das dieser streng dreinschauende Herr, der eben direkt vor mir aus eurem Hause kam?“

      „Ja-ja! Habt ihr ihn noch gesehen? Ganz in Schwarz gekleidet, der Herr Spenner! – Ein tyrannischer Asket!“

      Für einen Moment herrschte Schweigen. Weit zurückgelehnt saß sie in ihrem Stuhl, blickte mit schräg gelegtem Kopf und leicht