Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Gelting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092639
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Loderer lag unübersehbar schräg gegenüber auf der anderen Platzseite. Sie war beeindruckt: Es war nicht unbedingt größer als die anderen Häuser, die den Platz im Rund begrenzten. Aber durch die hellen, glattgeschliffenen Sandsteinquader wirkte es auffallend herrschaftlich.

      Ihre Betrachtungen wurden unterbrochen: Zwei zottige, kraftvolle Kaltblüter zogen ein Fuhrwerk, hochbeladen mit Fässern, knirschend und polternd durch ihr Blickfeld in Richtung Weinmarkt. Dichtauf folgte ein zweites mit dicken Holzbalken beladenes Gespann. Schnaubend und stampfend, bei jedem Schritt angestrengt mit dem Kopf nickend, legten sich auch hier die beiden Kraftpakete mächtig ins Geschirr, verloren große Schaumflocken, die ihnen vom Maul rissen und aufs Pflaster tropften. Nach und nach wurden die gegenüberliegenden Häuser wieder sichtbar.

      Dort im Lodererhaus hatte sich jetzt die Eingangstür geöffnet. Aus der dunklen Öffnung traten nacheinander zwei Männer - beide wohl in der Mitte des Lebens und sehr vornehm gekleidet. Offensichtlich gab es nicht mehr viel zu sagen: Nur einen Augenblick später trennten sie sich, und der offensichtlich Ältere strebte in sehr strenger, gebieterischer Haltung dem wartenden Wagen zu. Der andere stand noch in der Türöffnung, ließ seinen Blick einen Moment ruhig über den Platz wandern, dann schloss sich die Tür hinter ihm.

      Der Fahrer, gerade noch die Sonnenstrahlen genießend, war schon dabei, seine Kleider zu ordnen, um dann den Einstieg des dunklen Wagens zu öffnen. Ohne ein Wort zu verlieren, bestieg der Strenge den Wagen. Der Fahrer schwang sich vorn auf das karge Brett und der Braune zog den Wagen in Richtung Stadttor.

      Einen Augenblick stand sie unentschlossen vor der breiten, in der Art eines Portals gearbeiteten Eingangstür, sie fürchtete, den Zeitpunkt ihres Besuches schlecht gewählt zu haben. Entschlossen betätigte sie dann den schweren, bronzenen Türklopfer, der etwa in Brusthöhe auf der Tür angebracht war.

      Unwillkürlich wich sie ein wenig zurück, als die Tür schon im nächsten Augenblick geöffnet wurde. In der Tür stand ein anderer als der, der sie gerade erst geschlossen hatte. Riesig, kahlköpfig und abweisend füllte dieser andere den Türrahmen aus: Ein eindrucksvoller Wächter des Hauses! Hier waren Worte ohne Wert! Therese erkannte das auf den ersten Blick und reichte dem Abweiser betont langsam ihr versiegeltes Schreiben. Wortlos, so als wäre sie ein Laufbursche, schloss dieser die Tür, und sie konnte erneut den Türklopfer betrachten. Allerdings reichte die Zeit gerade, um die Augenbrauen besorgt etwas nach oben zu ziehen und die Lippen aneinander zu pressen; die Tür öffnete sich erneut. Der Abweiser stand nun, gewissermaßen als Verlängerung der Tür, im Raum, wies wortlos und um keinen Taler höflicher mit einer knappen Handbewegung ins dunkle Innere des Hauses. Für die Dauer eines Atemzuges verharrte Therese, schaute ihn ruhig und gelassen an, ging dann schweigend an ihm vorbei und wartete, bis er die Türe geschlossen hatte. Unbeeindruckt ging er voraus und sie musste sich beeilen, um ihm durch einen langen, schmalen Flur und eine Treppe hinauf zu folgen.

      Und dann stand sie zum ersten Mal in ihrem Leben vor einer riesigen, geteilten Eingangstür, in deren Hälften Glasscheiben eingesetzt waren. Dort wo in andern Häusern hinter Holztüren Dunkelheit herrschte, brach sich hier hell funkelnd das einströmende Sonnenlicht. Der Hüne öffnete den rechten Türflügel, ließ sie eintreten und schloss die Tür wieder.

      Einen Moment verharrte sie gleich hinter der Tür. Genau ihr gegenüber befand sich ein Erker, durch dessen Fenster das herein quellende Licht den Raum verschwenderisch ausleuchtete und erwärmte. Sie war allein in diesem recht großen Raum, dessen aufwendig gearbeitetes Parkett und eine helle Stuckdecke vom Reichtum seines Besitzers zeugten. Schwere, aufgeraute Stoffe verbargen die Steinwände, und verbreiteten mit einem warmen Rostrot Wärme und Behaglichkeit.

      Die Glastür! Sie wandte sich um. Das untere Drittel der beiden Türflügel war jeweils aus mattglänzendem, dunklem Holz, welches auch den kräftigen Rahmen für die vier klaren Glasscheiben der oberen zwei Drittel bildete.

      Tausende kleiner Stippen, eingeschlossen in feinen Linien und Bögen, ließen auf den großen Glasfeldern jeweils einen im Sprung begriffenen Löwen entstehen, dessen Kopf zur Türmitte wies. Beeindruckt beugte Therese sich vor, wollte die eingelassenen Glasscheiben nur schnell einmal berühren, als sich seitwärts von ihr eine weitere Tür öffnete und Jacob Loderer den Raum betrat.

      Wie sein Hausdiener von beeindruckender Gestalt, zierte sein Haupt jedoch dichtes, dunkles und offensichtlich schwer zu bändigendes Haar.

      „Euch gefällt die Tür?“ Ohne sich lange bei Begrüßungsfloskeln aufzuhalten, ging er auf den Gegenstand ihres Interesses ein.

      „Ich beneide euch darum, besonders das Glas hat es mir angetan. Ich habe so etwas noch nie gesehen!“ Sie wandte sich wieder zur Tür, „Nicht in einer Tür.“

      Seine Stimme übertrug den ehrlichen Besitzerstolz, „Das glaube ich euch gern! Glas in dieser Qualität wird zur Zeit nur in Italien, in Venedig und auf Murano gefertigt. Nirgendwo sonst in Europa werdet ihr solche Glasarbeit bekommen.“ dabei umriss seine rechte Hand, aus der ihr Schreiben zusammengerollt hervorschaute, ruhig und im großen Bogen eine der Löwengravuren.

      Therese sah zu ihm auf, „Wie entsteht solch ein Kunstwerk? Ich meine: Wie kommt ein Bild, noch dazu solch ein großes wie dieses, auf das Glas?“

      Sein Lächeln, welches die eigene Bewunderung für diese kunstvolle Arbeit deutlich ausdrückte und das angedeutete Kopfnicken zeigten Verständnis mit der Fragestellung. „Durch endlose Geduld, ein sehr gutes Auge, große künstlerische Fertigkeit und natürlich mit einem scharfen Diamantgriffel. Mit ihm werden diese vielen, vielen kleine Vertiefungen in die Glasoberfläche gebracht, ebenso diese Linien.“ Seine Hand fuhr den Linien des Kopfes und denen des Rückens nach. „Alleine diese sichere Linienführung entlang des Rückens ist schon eine Kunst.“ Wieder fuhr seine Hand geradezu liebevoll der Linie nach, „Der Griffel kann auf jeder Scheibe nur einmal angesetzt werden. Muss dann mit einem gewissen Schwung bis zum passenden Anschlusspunkt und so eben bis in die Schwanzspitze durchlaufen. Einen solchen Strich haben nur die Meister.“ Er wandte sich ihr direkt zu, lächelnd, aufgeräumt und gut einen Kopf größer als sie. „Aber ihr habt mir etwas mitgebracht, was die Grundvoraussetzung für unser reizendes Gespräch ist.“ Damit hob er die rechte Hand, in der er den Brief hielt. Das Siegel war erbrochen. „Setzen wir uns!“ Er wandte sich nach rechts zu einem großen massiven Tisch, bot ihr einen Platz an und saß ihr dann an der Längsseite des Tisches gegenüber.

      Die Unterarme auf den Tisch gelegt, die Hände übereinander, sah er sie ruhig an, musternd, überlegend. „Eine Frau kommt mit einem Empfehlungsschreiben meines jüdischen Freundes Izaak Goldberg zu mir. Das ist sehr erfreulich, aber auch sehr verwunderlich. Wie geht es meinem Freund Izaak? Ich glaube, wir haben uns jetzt gut drei Jahre nicht gesehen.“

      „Vermutlich werdet ihr ihn nur noch in Leipzig zur Messe treffen können. Die Unsicherheiten, die der Krieg mit sich bringt, haben ihm das Reisen verleidet, den Fernhandel hat sein Sohn Moshe übernommen.“

      „Ah. Ihr scheint Izaak und Moshe gut zu kennen!“ Pause. Er legte den Kopf etwas schräg nach rechts, blickte Therese nachdenklich an, die ihrerseits nichts anderes tun konnte, als seinem Blick ruhig stand zu halten. „Mich verwundert das sehr!“ Er änderte seine Haltung nicht, wirkte fast ein wenig misstrauisch. „Ihr müsst das verstehen: So lange ich Izaak Goldberg kenne, und wir miteinander Geschäfte machen, und das sind jetzt gut dreißig Jahre, hat er immer Geschäft und Frauen voneinander getrennt. Beides hat er geliebt, konnte ohne nicht sein, aber immer getrennt, wie Wein und Wasser.“ Sein Blick ruhte fest auf Therese als erwarte er eine Antwort.

      Therese senkte etwas den Kopf, ihr Blick parierte den seinen ruhig, aber zunehmend ernst, „Ich kann euch versichern: An dieser Maxime hat sich nichts geändert! Er folgt ihr wie eh und je. Und was mich betrifft, so folge ich, unter anderen Vorzeichen, dem gleichen Grundsatz.“ Dann langsamer, jedes Wort betonend: „Das Geschäft ist der gemeinsame Nenner!“

      Er beugte sich etwas vor, seine buschigen Augenbrauen waren jetzt leicht hochgezogen. „Ihr macht Geschäfte mit Izaak Goldberg!“ Eine Feststellung, die eher als Frage gedacht war und, Therese war sich nicht ganz sicher, Bewunderung oder Zweifel ausdrückte.

      „Ich mache hin und wieder Geschäfte