Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erwin Guido Kolbenheyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748520993
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ein Bund Stroh. Vor der Lache wartete er, bis die beiden angekeucht kamen, schleuderte ihnen jene Knüppel der Reihe nach vor die Füße, die gerade gut zueinander paßten, und die Schürli hatten wohl zu achten, daß sie nicht fehlgriffen, sonst hagelte Schwur und Fluch auf sie nieder. Das schien sie härter zu treffen als Prügel; sie bekreuzten sich und sahen tief betrübt zu Boden.

      Der alte Ochsner schwieg. Er hatte versucht, sich ins Mittel zu legen, aber Baltisar schlug die Hilfe flüssig ab:

      „Loß ihn, lieber Bruoder, er hat sin Wesen nit us ihme Selbsten und ist ein Helfer wider ünser Sünden.“

      Rudi Ochsner zuckte die Achsel und arbeitete abseits. Er schnitt die Zwiesel zurecht, mit denen die Hölzer im Sumpfe verhangen wurden, und keilte sie in den Boden.

      So gedieh der Knüppelweg, als gelte es die ewige Seligkeit. Und es galt auch so viel, wenigstens für die beiden Schürli, deren Wangen zusehends hohler wurden, während die Augen stets inbrünstiger erglühten. Dem Hans wurde dabei nicht wohl zumut. Die beiden legten sich sachte auf sein Gewissen und sanken immer schwerer hinein, wie einer langsam im frischen Heu versinkt. Er verbiß öfter das Fluchen, als ihm bekömmlich war.

      Eines Tages gegen die Mahlzeit hin, als die beiden halb verlechzt ihre Knüppeltracht vor dem Sumpfloch abluden und demütig warteten, daß er ihnen vorwarf, was der Reihe nach angelegt werden sollte, packte der Hans einen Knüppel und schleuderte ihn in die Lache, daß er aufrecht stecken blieb und alle übel bespritzt wurden. Er griff die beiden, den Baltisar und den Heini, vorn an ihren Kutten jeden mit einer Faust, riß sie hoch und schüttelte sie, dabei fletschte er sie in hellem Zorn an:

      „Daß üch der hitzig Ritt ufbeiz! Potz Tauben, ich künnt es nimmeh schouen an! Was hänt ihr hinter den Rippen vor ein Bütel mit Dreck! Es künnt üch einer ertretin, daß ihr ufschreiet us der lästerlichen Hoffahrt! Wollet ihr anders sin unde baß!“

      Baltisar und Heini hatten einer des andern Hand erfangen, während sie zwischen Himmel und Erde hingen, sie hielten einander und versuchten zu lächeln, was zu ihrem Glück mißlang.

      Rudi Ochsner sprang hinzu und rief:

      „Bi dem Eid, Hans! Du sollt Fried haltin! Ich mahn dich zem ersten!“ Der Hans stieß die beiden ab, er starrte seinem Vater ungläubig in die Augen.

      Es kam nicht allzu häufig vor, daß ein Eidgenoß den andern um den Landfrieden mahnte. War einer aber beim Schwur aufgerufen, so galt es die Ehre des Mahners, vor den Herren zu klagen, wenn der Raufbold nicht abließ. Der Mahner lud eine nachhaltige Feindschaft auf sich.

      „Du tuest mir hart“, stammelte der Hans.

      Er trat zurück, aus seinem Gesicht war das Blut gewichen.

      „Ist keiner, der sichs an mir getrouet, Vater. – Die sänd ohnlidig, beid.“

      Schürli, Vater und Sohn, waren Hand in Hand auf einen Knüppelhaufen gesunken, sie fanden ihr Lächeln wieder. Beide hatten sich schon des Todes versehen, was ihnen nicht schwer fiel, da es ihre Gewohnheit war, des Äußersten gewärtig zu sein. Nur war ihnen diesmal leibhaftig angst geworden. Sie atmeten erleichtert und schlugen den Schrecken zu ihrem Bußschatz.

      „Loß die“, drang der alte Ochsner mit gutem Ernst, „die gohnt ein andern Weg, dann du und ich. Du künntist sie nit gewinnen. Sie tunds Gott zuo Gfalln und nehmend das Krüz.“

      Der Zorn des starken Mannes stockte und wich einem unverhohlenen Erstaunen. Das Herz des Alten, das schon gezittert hatte, wurde froh, da er sich des wilden Knaben erinnerte, der ihn vor Jahren aus gleichen verwunderten Augen angesehen hatte, wenn er einer Torheit überwiesen war.

      Hans dehnte sich hin und her, wischte seine dreinfahrenden Hände an den Hüften, und sein belastetes Gewissen drückte den letzten Zorn nieder, er fragte:

      „Willtu die Kraihahnen nit vor heimlich Schälk achten, so eines Manns Gemüet us itel Hundsfötteri verhöhnend?“

      „Ich sinn, sie tunds nach ihrem Glouben umb Gottswillen.“

      Der Hans schob die Mütze in den Nacken und rieb die Stirn, hinter der es ungewohnt zuging. Er brummte in seinen blonden Bart: „Was vor ein sunderlichs Gefalln er bi denen künnt finden?“

      Hans meinte nicht seinen Vater, sondern den lieben Gott. Er sah den Prügel aufrecht in der Lache stehen, wunderte sich über seinen Grimm und riß den Knüppel aus, daß der Moorboden schmatzte.

      Er winkte den beiden.

      „Wohluf, wir wollend darumb nit sumen!“

      Doch Baltisar breitete vorerst die Arme gen Himmel und sagte:

      „Herre, host du dich gewandt von uns unde din Zuchtrueten von uns genommen? Und liebest uns nit meh? Dann wen du liebest, den züchtigest du. Siehe, wir sänd bereit.“

      „Des solltu nit verwunderet sin“, meinte der Hans. „Der willt mit siner Zuchtrueten nit allerweg in ürn ufgeschwollin Froschlaich houen, daß es zem Himmel sprützet, das scheitzlich Wohlgefallin!“

      „Hör ihn nit, Herr! So er dich lästeret, ists umb Unserer Schwachheit willen, darnoch wir des Heils noch nit erfüllet sänd zur Gänzi, daß es mit hellen Flammen von üns strahlet. Hör ihn nit, dann ouch in derselbigen verhärten Brust schlahet das Herz ehrbar gen den Vater, ob es ouch verborgen sije!“

      „Halts Moul! Arbeit! Und loß eins Manns Herz ohnbeleckt, du Tippei!“

      Damit gewann der Hans sein inneres Gleichgewicht wieder, und die Knüppel fanden ihren Ort in der Lache.

      Die Gotteshausleute mußten im Jahre der großen Engelweih weithin Wegarbeit leisten, so daß nur jene, die im Kloster schafften, auch dort verköstigt wurden. Die Auswärtigen erhielten ein Entgelt für eigene Speisung.

      Die Sonne hing über dem Tödi, und der Magen zeigte dieselbe Zeit an, so gingen die beiden ungleichen Paare zu ihren Bündeln. Doch die Schürli setzten sich nicht, sondern standen dicht bei einander und ratschlagten. Als sie übereingekommen waren, knüpfte der Baltisar das Tüchlein auf und ging, gefolgt von Heini, zu Rudi Ochsner.

      „Du bist der erst sider mannigem Jahr, so Unser nit speiet. Willtu des ärmren Bruoders Brot verachtin?“

      Rudi Ochsner sah Brot und Käse, und beides trug vielfach Zeichen des schürlischen Gewerbes. Allein er wußte, daß Frömmigkeit leicht über unschuldigen Erdenschmutz hinwegkommt. Er schnitt von der gereichten Speise ein wenig ab, um den Geber nicht zu kränken, und gab ihnen von dem Rauchspeck des Ochsnerhauses, was sie freudig nahmen.

      „Kummt, satzet üch ze üns“, sagte Rudi Ochsner.

      Sie taten es gern und hielten sich in bescheidener Nähe, sie genossen den Speck unter Augenzwinkern und beifälligem Gemurmel.

      Den gleichfalls angebotenen Wein wies aber Baltisar mit Haltung von sich, während sein Sohn Heini ein deutliches Verlangen kaum bezwang. Baltisar meinte:

      „Er ist des Tüfels.“

      „Er ist mit nichten des Tüfels, sundern Rapperswiler“, berichtigte der alte Ochsner.

      „Er ist dannocht des Tüfels, dann er hat min Leben vom rechten Weg abtrieben.“

      „Des züget din frumber Rüssel“, brummte der Hans.

      So hatte eine Vermutung, die von den Einsiedlern an die blaugesprenkelte Nase des Baltisar geknüpft wurde, ihre Bestätigung erfahren.

      „Hans Ochsner, du sollt eim Mann, der büeßt, ohngeschmächt sin Buoß verschärfin. SinGlouben solltu nit bespein.“

      Der Hans sah auf, als habe er nicht recht gehört, er runzelte die Stirn. Baltisar hob beschwichtigend die Hand und fuhr schlicht und leise fort:

      „Ich hab ein erschlahen im Rausch. Hab all das Meinig vor Wergeid gelan und muoß als dienen, bin hörig worden und muoß Kohlen brinnen, indem mir nit ist gelossen, was ouch die Kirchenbueß künnt decken. Als ist all min Leben der einen Schuld verpfändt. Und ist mir das Wib verschmacht’ unter der Armuet. Bi Gott,