Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erwin Guido Kolbenheyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748520993
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St.Gallen zuvor.

      Indem unser lieben Frauen allhie ze Einsiedlen Engelweih hinwiederumb ist das siebend Jahr umb und allso mit großem Drang der vielen Pilgeri mueß das hochgelobet Fest erneuet sin, wir aber in eim merklichen Mangel stehend, nit allso unseres Glaubens und gueten Willens, denen haufendweis Wallfahrenden zu ihrem Heil zue helfen, jedannocht mangelnd an Zahl und menschlich beschlossen Kräften (wir sein alleinig zween, als dir ist wohl bekennt) sijest du günstig gebeten und durch diese mine Botschaft und Bitt liebreich ermahnet: unser lieben Frauen Stift zu Hilf, Lob und Ehr bi etlichen zwenzig, als du von wegen des Heils derer zue St. Gallen vermügest ihrer zu entbehrn, von denen Brüdern schicken uf diese Engelweih. Die sollend Bicht hörn.

      Sunderlich aber so du ein hast, wohlberedt und von indringlicher Zung, als nit mit Pochen, Pultdreschen, Schwörn, Höll- und Tüfelmaln als viel mehr, der ouch ein ziemlichen jocus und herzhaftiges Wörtlin verstünd, so solltu ihn zum Predigen schicken. Dann also wöllends die Pilgeri gern, und ist billig nach ihres Weges Schweiß und Ohnrast, ihnen ein fründlichs Wort zu gunnen und ihre bußzerknirschete Seel verschnaufen lan.

      Desglichen gehet min dringlich Bitt: sie sollten, so es sich schicket, nit allzu jung an Jahren sin und an Kräften ehender gestillt und des Bluetes Ohnband entladen, indem wir sie einer wohlgeschmälzeten Atzung versichern, und wird desglichen des guten Tropfens kaum ermanglen, also sie nit denen Wallerinen, so Frauen als Maidlein, allzueheftig bi ihrem sündhaftigen Teil der menschlichen Natur vermahnend, item gar selbsten überführeten. Dann sollichs ist uf der letzten Engelweih beschechn und ist vermerkt worden, daß etlich nach Kompletezit in weltlicher Gewandung seind umbbirscht und habend ihr caratheria clericalis schlecht verhehlt, indem mit abfallendem oder verrucketem Barettli etlich habend die Platten gsehn, was ein Ärgernis gibt, sunderlich vor die Mannslüt. Und ist ufkummen, daß etlich gemurmelt hättind, als seiend Nunnen gnug am Ort. Das war nit wohl zue vernehmen vor unser lieben Schwestern. Die habend all tan was in ihren Kräften gestund.

      Demnach solltu vor deine Wahl und Usles’ besonnen sin, was dem Doctori Angelico ist über die menschliche Natur wohlweislich entschlüpfet, obglich er ein Dominikaner und mit nichten von unserm hochgepriesenen Orden ist gewest.

      Also stehet in quaestione LXXXIV wie folgt:

      ,Ipsa naturalis inclinatio ad virtutem verum valde diminutum.“

      Wahrlich ein Wort! Dann wir seind als von Nature in der Tugend gewaltiglich geminderet. Das gut Essen und Trinken allhie mehret aber naturam und minderet virtutem dest mehr. Hinwiederumb ist ohngerecht, denen Brüderen, so in harter Arbeit stehend, die Schüßlen und Krüg uf die Kredenz der strengen Regul zu stellen, dann es stehet: ,Du sollt dem Ochsen, der drischt, das Maul nit verbinden.“ Wenn schon nit dem dumben Vieh, als dest minder denen Brüderen. In Summa: Du sollt, wohl weiser Fründ und Helfer unserer Mutter Kirche in Sunderheit aber unseres hochgepriesenen Ordens, ein solich Dilemma oder Zweifel durch din berühmet Einsicht und angeboren Scharfsinn ex fundamento tilgen, glichwohl mir aber nit ein Haufen zahnlucketer Podagram und schlotternd Gebein, so in den Bänken, do sie bichten wollend, ehender schlaft als höret, zuschicken, dann ich besorg Ehr, Lob und Preis der hl. Jungfrau und sunderlich unseres erlauchten Ordens, item der Bichtpfennig ist kein kleins in Betrachtung der großen Zahl derer, die da wallen.

      Wir wollend nit nachstohn und also denen heiligen Aposteln auf dem Fuß folgen, uswerfend die Fischnetz. Ist ouch allhie kein ohnfruchtbar Gewässer, indem sie willig Zuströmen und sich begeben. Sollichs tut ouch uns armen Fischeren not, indem wir wohl nachfolgen aber in nichts nit zu glichen vermögen, was Fischkunst belanget, denen heiligen apostolischen Fischeren.

      Nun solltu sin empfahend diese Botschaft us eim getrüen Gemüt ohn ciceronische Blümlein und attische Tänz, dann ich bin ein schlichter Mann Gottes und der hl. Jungfrau zutan, so glichermaßen ihrem und Gottes eingeborenen Sohn vor sin göttlichen Wort nit hat ein eleganten stilum einbleuet, do sie ihme das Reden bibracht.

      Die hl. Jungfrau wolle diner pflegen und des hochberühmeten Stifts!

      Ze Einsiedlen geben die pro festo Marci Evangelistae

      ANNO MCCCC …

      Kuonrad von Rackeiberg

      Fürstabt allhie.“

      Inzwischen war ein Regentag mit seinem grauen Lichte durchgebrochen. Der Abt hatte die Primglocke überhört, es mochte auf Terzenzeit zugehen. Abt Konrad überlas seinen Brief und fühlte sich erleichtert. Er stand noch vor der kitzligsten Arbeit: Umgießen in lateinische Eleganz. Aber der Anfang war gemacht, und der Fürstabt blieb entschlossen, dort, wo der Wortschatz des Cicero nicht ausreichte, den Mutterlaut bestehen zu lassen, denn es galt den lateinischen Gugelleuten zu zeigen, daß es ihrer Eleganz an Saft gebreche. Er konnte es keck wagen. Sie kamen, auch wenn sie lächelten. Man wußte, daß man ausgefüttert und mit vollem Säckel heimkehrte.

      Zu gleicher Zeit hingen die Eidgenossen einen Brief in Zürich öffentlich aus, mit ihrer Länder und Städte Secret und Insiegel bewehrt. Sie sprachen den Pilgern der untreuen Läufe halber Sicherheit zu und Geleit, zwischen Bodensee und Rhein durch all ihre Städte, Dörfer, Länder, Gebiete, Gerichte, Zwinge und Bänne frei ihres Leibes und Gutes zu wandeln und zu fahren.

      Die Kaufleute, Bettelmönche, Loliharden und alles fahrende Volk redeten den Brief überallhin aus. Sie lockten den feisten Bürger gern vom warmen Neste weg auf die Landstraße und hatten ihre Freude an Zuzug und Masse. Im weiten Umkreise des Gnadenortes spannten sie ihre Netze und schuppten die Fische – oberflächlich wohl im Vergleiche zur Häutung am Gnadenorte, denn was da auf der Landstraße von der offenen Hand lebte, hatte kein Recht, jemand den alten Adam auszuziehen und den neuen, der vom Ablaßsegen funkelte, über Ohren, Augen und Herzen zu werfen – aber immerhin ergötzlich genug.

      Der Frühling und Sommer wurde den Einsiedlern heiß und manch eines Häuslers Säckel verblutete in die Taschen der Maurer und Zimmerleute. Klaus Weßner stieg mehrmals in seine Mausefalle hinunter und liebkoste die angeschimmelten Lederbeutel, ehe er sie rinnen ließ. Das Dorf schallte vom Hiebe der Beile und vom Pochen der Hämmer. Der schwarze Adler, der rote Ochs ließen die verräucherten und bespienen Wände ihrer Herrenzimmer abkratzen und auf tünchen; der Pfau, der andere Ochs und besonders der weiße Wind schlugen ihr Inneres mit guten Stoffen aus. Pfau, Ochs und Windhund erwarteten die vornehmen Herren.

      Im Haus an der Teufelsbruck türmten sie das Gerät in zwei Kammern und zimmerten einen Notstall amSihlhang zurecht; Mensch und Vieh mußten für die beiden Wochen der Engelweihe weichen. Bänke und Tische standen rings um das Haus auf blankgeschälten Pfählen. Herr Wilhelm sollte mit Frau und dem Kleinen für die Zeit hinüber ins Pilgerspital, das hochgiebelig am Eingang von Einsiedeln stand, um Priester, Studiosi und Kranke aufzunehmen, bis die Kammern überfüllt waren.

      Dem Fürstabt summte der Kopf von Verordnungen: Beichtväter, Feuer, Wachen, Prediger, Krämer, Bäcker, Metzger, Wirte … je höher der Sommer stand, desto mehr Sessionen mit aller Welt Obrigkeit. Und Propst Diebold seufzte nach der Beschaulichkeit des letzten Winters, wie der Fisch im Boote nach der Welle.

      Hans Ochsner erhielt eine neue Rüstung. Er war mit andern hundertfünfzig auserwählt. Die sollten an der Schindellegi,auf der Klause, an der Alpbruck und der Teufelsbruck, unter den Klostertoren und in der Kirche Wache stehen, der Vagabondie, dem Aussatz und anderer Pestilenz zu wehren. Schirmer hießen sie und waren alle Erlesene des schwyzer Schlags, die ihren Mann zu fassen wußten. Ihnen allen drohte das Schelmenbuch der Reisläufer. Sie lauschten begierig, wenn einer vom Bodensee herüberkam und etliches über den Kaiser Max und den schwäbischen Bund zu reden wußte.

      Die Schiffe der beiden Schiffergenossenschaften zu Zürich lagen frisch geteert im Uferwasser. Die Meinradsbrunnen weithin auf den Straßen waren gereinigt.

      Auf dem Brühl vor dem Kloster standen zwei Kanzeln, und am Galgenberg waren Pranger und Trülle neu gezimmert worden.

      Im Stalle der Abtei schnoben die beiden Engelweihochsen unter der Feiste, ein jeder seine fünfundzwanzig Zentner schwer, ihrem Ehrentage entgegen, da sie, schwarz-gelb geputzt, in feierlicher Prozession zur Schau geführt werden sollten, ehe sie ihr Fleisch und Fett dem Bratspieß überlieferten.

      Der große Wechselschuppen