Die Angelsächsin. Sabine Keller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine Keller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844231922
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sie hergeschickt und bezahlt sie für ihre Dienste. Und das muss ein einflussreicher und wohlhabender Mann sein, so eine Privattruppe ist nicht billig. Aber wie war noch der Name, den er vorhin genannt hat? Longune, oder? Ich kenne diesen Namen irgendwo her“, grübelte Robert.

      „Ja, mir kommt er auch bekannt vor. Hat er nicht etwas mit Henrys Söhnen zu tun?“

      „Richtig, das ist es! Patrick Longune, er ist einer der engsten Vertrauten von Prinz Geoffrey, einem von Henrys Söhnen. Der Mann war schon immer ein erbitterter Gegner des Königs. Kaum jemand ist ihm begegnet, da er den König wie den Teufel meidet. Ich kenne ihn auch nicht persönlich. Aber sein Name tauchte hin und wieder auf, immer im Zusammenhang mit üblen Machenschaften und Intrigen gegen Henry!“

      „Stimmt, ich erinnere mich jetzt. Der Name hat keinen guten Klang. Wenn der Kerl hier mitmischt, kann es kaum etwas Gutes sein.“

      Die französische Küste war nur noch ein dunkler Streifen am Horizont hinter ihnen und der Segler glitt mit geblähten Segeln zügig durch die endlos erscheinenden Wellen. Kapitän Brannock gab seinem Steuermann letzte Kursanweisungen und kam dann zu den Rittern.

      „Ich kann das Ruder jetzt für eine Weile meinem Steuermann überlassen. Wollt Ihr mich nicht unter Deck begleiten?“

      „He, und was ist mit uns, wir frieren auch!“ Die Söldner hatten den Kapitän gehört und der untersetzte Wortführer rief die Worte zu ihnen herüber.

      „Tut mir Leid, es ist nicht für alle Platz“, gab der Kapitän zurück. „Außerdem verdienen königliche Ritter eine angemessene Behandlung.“

      Die Männer fuhren wie von der Tarantel gestochen auf. „Königliche Ritter! Ach so ist das, Ihr habt uns vorhin absichtlich getäuscht! Ihr wolltet uns ausspionieren! Das wird Euch schlecht bekommen!“ Der Wortführer zog sein Schwert und wollte mit seinen Kumpanen auf die Ritter losstürmen.

      Die Ritter mussten sich notgedrungen verteidigen und zogen ebenfalls die Waffen, aber zum Kampf kam es nicht. Der Kapitän stieß einen durchdringenden Pfiff aus und fast augenblicklich standen einige seiner Matrosen neben ihm, mit kräftigen Knüppeln bewaffnet. Die Seeleute hatten nur auf das Zeichen gewartet, sie hatten die Söldner auf Befehl ihres Kapitäns von Anfang an nicht aus den Augen gelassen.

      „Nehmt Euch zusammen, auf meinem Schiff werden keine Passagiere angegriffen. Entweder Ihr verhaltet Euch friedlich, oder ich lasse Euch bis nach England einsperren“, verkündete Brannock ruhig. „Ihr habt die Wahl.“

      Der Wortführer der Söldner musterte die kräftigen Seeleute abschätzend und ließ dann sein Schwert sinken.

      „Schon gut“, fauchte er wütend. „Hier an Bord seid Ihr im Vorteil. Aber wenn wir diese Spione an Land in die Finger bekommen, dann gnade ihnen Gott!“ Mit hasserfüllten Blicken auf die Ritter gab er seinen Männern einen Wink und sie ließen sich fluchend wieder zwischen den Fässern nieder.

      Die Ritter folgten dem Kapitän die engen Stiegen hinunter in die winzige Schiffskajüte, froh dem kalten Wind zu entkommen.

      „Verzeiht, da habe ich wohl etwas Falsches gesagt“, meinte Brannock.

      „Wir haben die Männer in dem Glauben gelassen, wir wären Königsgegner und wollten so etwas über ihren Auftraggeber erfahren.“

      „Aha, deshalb die heftige Reaktion. Tut mir ehrlich leid. Jetzt habt Ihr ein paar unversöhnliche Feinde, weil ich nicht den Mund halten konnte.“

      „Ist schon gut, das konntet Ihr wirklich nicht wissen. Aber wir sollten den Männern in England besser aus dem Weg gehen.“

      „Könnt Ihr sie nicht einfach im Hafen vom Beamten des Königs verhaften lassen? Der Sheriff wird Euch sicher gerne helfen, denn immerhin haben die Söldner Euch angegriffen. Wer gegen königliche Boten vorgeht, sollte nicht ungeschoren davon kommen, finde ich.“

      Wenn die Ritter geahnt hätten, was ihnen noch bevorstand, dann hätten sie wohl auf den Rat gehört. So aber wollten sie nicht nachtragend sein wegen einer kleinen Meinungsverschiedenheit.

      „Es ist ja weiter nichts passiert. Die Kerle sind nur ein wenig schlecht gelaunt, deshalb wollen wir sie nicht gleich einsperren lassen“, beschwichtigte Duncan den Kapitän. „Aber vielleicht könntet Ihr die Söldner im Hafen noch einige Zeit von Euren Matrosen festhalten lassen, damit wir ungehindert reiten können. Wir wollen unser Glück lieber nicht herausfordern.“

      „Sicher, das kann ich tun, wenn ich auch nicht verstehe, warum Ihr die Raufbolde nicht härter zur Rechenschaft zieht. Na, das ist Eure Sache. Aber erzählt, was gibt es für Neuigkeiten unten im Süden?“

      Bereitwillig berichteten sie alles Wissenswerte aus Frankreich und lauschten ihrerseits den Erzählungen des Kapitäns. Er kam mit seinem Schiff weit herum und konnte entsprechend viele Geschichten zum Besten geben. Auch wenn einiges davon sicherlich Seemannsgarn war, so hatte er doch schon manches erlebt.

      Im letzten Jahr, so erzählte er, konnte er mit seinem Schiff bei einem Unwetter vor der englischen Küste gerade noch einer Horde Strandpiraten entgehen.

      „Mein Schiff war in einen kräftigen Sturm geraten. Es schüttete wie aus Kübeln und die Brandungsgicht an der Küste machte es noch schlimmer, ich konnte kaum etwas erkennen. Ich wusste, dass es an diesem Küstenabschnitt gefährliche Klippen gibt, deren Position ich eigentlich auch recht gut kenne, aber bei diesem Wetter war die Küstenlinie nur verschwommen zu sehen. Ich konnte beim besten Willen nicht sagen, wo wir uns genau befanden. Das war aber nicht schlimm. Eigentlich musste ich ja nur in genügend großem Abstand die Küste entlang weitersegeln, bis ich das nächste Leuchtfeuer ausmachen konnte.“

      Bei Unwetter wurden üblicherweise von bestimmten Fischerdörfern an gut sichtbaren Stellen helfende Leuchtfeuer entzündet, das wussten die Ritter. Die Positionen dieser Feuer waren genau festgelegt und jedem halbwegs erfahrenen Seemann bekannt und so hielt der Kapitän in jener Nacht Ausschau danach.

      „Da sah ich es auch schon! Viel früher als erwartet leuchtete der Feuerschein vor uns auf. Ich wunderte mich zwar, aber nun gut, dann war das Schiff im Sturm eben weiter abgedriftet, als ich gedacht hatte. Ich habe keinerlei Verdacht geschöpft. An dieser Stelle gibt es eine vorgelagerte kleine Insel und man hat als Kapitän die Wahl: Man kann zwischen Küste und Insel hindurchsegeln, die Durchfahrt ist auch bei Sturm breit genug und gut zu befahren, oder man nimmt den weiteren Weg außen vorbei über das offene Meer und muss dann einen entsprechenden Zeitverlust hinnehmen. Ich entschied mich für den kurzen Weg. Wie gesagt, die Durchfahrt ist an sich ungefährlich. Also steuerte ich näher an die Küste heran, auf das Feuer zu. Ich war schon recht nahe, da hörte ich plötzlich ein Donnern, wie von einer starken Brandung. Erst da wurde ich hellhörig. Dieses Positionsfeuer liegt auf einem Hügel über einem sanften Strand, es konnte dort also keine Brandung geben!“

      Er unterbrach sich kurz, trank einen Schluck heißen Rum und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.

      „Das war verdammt knapp! Erst im allerletzten Augenblick wurde mir klar, was gespielt wird. Das war nicht die Küste, sondern die Insel selbst! Die verdammten Piraten hatten ein falsches Signalfeuer entzündet! Schon hatte die Strömung uns erfasst und drückte das Schiff auf die Klippen der Insel zu. Ich warf das Ruder herum und schickte ein Stoßgebet in den Himmel. Mehr konnte ich nicht tun. Unser Schiff war schon vom Sog ergriffen und reagierte unerträglich langsam auf das Ruder. Oh Mann, ich habe Blut und Wasser geschwitzt! Endlich schwang der Bug träge herum, wir streiften krachend mit der Seite einen scharfen Felsen, aber wir kamen vorbei. Ein paar Planken waren eingedrückt worden und etwas Wasser drang in die Laderäume ein. Wir hatten unsere liebe Mühe, die Lecks notdürftig zu flicken, immer die Angst im Nacken, doch noch zu sinken. Wir verbrachten eine bange Nacht mit Schöpfen und konnten schließlich mit Schlagseite, aber immerhin lebend den nächsten Hafen anlaufen. Ich denke, da hatten wir sämtliche Seegeister auf unserer Seite, so knapp sind wir dem Tod von der Schippe gesprungen!“

      „Wie gut, dass wir heute besseres Wetter haben! So etwas muss ich wirklich nicht miterleben!“ Duncan schüttelte sich. Er mochte Schiffe