Die Kiste Gottes. Stefan Gämperle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefan Gämperle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738081503
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es sich um einen beliebten Ausgangspunkt für Spaziergänge handelte. Die meisten Spuren führten zu einem schmalen Weg, der sich bald im Dickicht der Bäume und Sträucher verlor. Um den Parkplatz standen hohe Tannen, mit Ästen, die erst einige Meter über dem Boden aus den Stämmen heraustraten. Wie Skelette umringten sie den weiten Platz, der unter dem Schnee mit Kies bedeckt war.

      Er blickte auf seine Uhr. Es waren schon 15 Minuten über der Zeit. Acht Uhr hatten sie ausgemacht. Hätte er seinem ersten Gefühl nachgeben und nicht zu diesem Treffen erscheinen sollen? Er erhielt immer wieder solche Anrufe. Bei den meisten handelte es sich um irgendwelche Spinner und Fanatiker, die ihm geheime oder spektakuläre Papiere zeigen wollten. Oft gehörten sie zu den Anhängern von Verschwörungstheorien, welche hofften mit ihren Ideen und Theorien einen Platz in seinen Büchern zu ergattern. Diese Treffen erwiesen sich meistens als Zeitverschwendung. Interessant und amüsant waren sie aber allemal. Nur schon, weil er dabei Menschen begegnete, die mit Leidenschaft an die wunderlichsten Dinge glaubten, für die es keine offiziellen Beweise gab. Es war auch bemerkenswert wie viel Zeit und Energie diese Leute darauf verwendeten ihre Beweise herzustellen. Bei einigen brauchte er oft Tage, um den Schwindel nachzuweisen. Irgendwie fühlte er sich verpflichtet die Leute ernst zu nehmen. Die meisten lasen seine Bücher und somit verdankte er ihnen seinen Wohlstand.

      Deshalb stand er wohl jetzt hier in der Kälte. Aber auch, weil die Stimme am Telefon keine grossen Enthüllungen oder unglaubliche Vorkommnisse versprochen hatte, die man ihm zeigen wollte, sondern einfach sagte, er habe eine Lieferung. Punkt aus. Oberhofer konnte sich nicht vorstellen, um was es sich handelt, aber seine Neugierde war geweckt.

      Erst heute war er aus den Ferien zurückgekehrt. Die letzten vier Wochen hatte er sich beim Golfspielen und Schwimmen entspannt. Seit seiner Pensionierung im Frühling reiste er viel. Dies war schon seine fünfte Reise innerhalb eines Jahres gewesen. Endlich konnte er sich seiner grossen Leidenschaft, dem Golf, widmen. Sein Handicap hatte er schon unter zehn gedrückt und darauf war er stolz. In die Schweiz kehrte er einzig und allein wegen seiner Tochter zurück, um mit ihr und ihren drei Kindern das Weihnachtsfest zu feiern. Für den Januar plante er bereits eine Reise nach Südafrika. Auf dieser Reise wollte er sich weniger dem Golf, als seinem Buch widmen. Seit er nicht mehr als Professor für Physik arbeitete, hatte er sich mehr dem Golf als dem Schreiben gewidmet. Sein zehntes Buch lag bereit, er musste es nur noch einmal überarbeiten. Sein Verleger wartete schon ungeduldig darauf, aber Oberhofer liess sich nicht gerne drängen. Es gab noch zwei, drei Dinge die er noch einmal nachprüfen wollte.

      Er hörte wieder einen Wagen auf der Strasse. Doch er wurde nicht langsamer und fuhr an der Einfahrt zum Parkplatz vorbei.

      Achtuhrzwanzig. Oberhofer beschloss nicht länger zu warten. Er fror und er fühlte sich unsagbar müde. Die Zeitverschiebung machte ihm mehr zu schaffen als in jungen Jahren. Er ging zu seinem Wagen. Als er die Tür öffnete, hörte er erneut Motorengeräusche. Das Geräusch kam näher und es klang, als ob der Wagen abbremse. Oberhofer schaute zur Einfahrt und sah, wie sich das Licht der Scheinwerfer in den Weg drehte. Er schloss die Tür und wartete. Langsam fuhr das Auto den Weg zum Parkplatz hinunter. Es bog auf den Platz ein und hielt ungefähr 10 Meter von Oberhofer entfernt und schaltete das Fernlicht ein. Oberhofer hob die Hand vor die Augen, um nicht vom Licht geblendet zu werden. Der Motor erstarb und die Fahrertür öffnete sich. Die Scheinwerfer blieben weiter an und machten es Oberhofer unmöglich zu erkennen wer aus dem Wagen stieg. Die Person trat gemächlich vor den Wagen. Der Statur nach musste es sich um einen Mann handeln. Er hielt ein Buch in der Hand. Es schien als ob er den Umschlag betrachtete und dann Oberhofer musterte.

      „Ulrich Friedrich Oberhofer?“, fragte eine tiefe Stimme mit italienischem Akzent.

      „Ja, und wer sind Sie?“, antwortete Oberhofer und versuchte mehr von seinem Gegenüber zu erkennen.

      „Wer ich bin ist nicht wichtig. Ich habe hier ein Paket für Sie.“

      „Was ist in dem Paket?“

      „Keine Ahnung. Ich habe nur den Auftrag es Ihnen persönlich zu übergeben.“

      „Und von wem ist es?“

      „Ich weiss nur von wem ich den Auftrag erhalten habe und diese Person würden Sie sicher nicht kennen.“ Der Mann ging zur Hintertür des Wagens, öffnete sie und nahm etwas vom Rücksitz. Dann schlenderte zurück vor den Wagen und stellte es auf den Boden.

      „So. Damit ist mein Auftrag erledigt“, sagte der Mann und stieg ohne ein weiteres Wort in den Wagen. Der Motor wurde gestartet und sofort fuhr das Auto rückwärts durch die Auffahrt zur Strasse zurück.

      Oberhofer hörte wie der PKW auf die Strasse einbog, beschleunigte und in der Nacht verschwand. Die Motorengeräusche erstarben und nach wenigen Sekunden umhüllte ihn wieder die Ruhe der kalten Winternacht.

      Oberhofer stolperte irritiert auf das Paket zu. Dies alles erschien ihm mehr als merkwürdig, so irreal. Es war komplett anders verlaufen als bei seinen üblichen Treffen mit kuriosen Leuten, die ihm etwas zeigen oder verkaufen wollten.

      Er spürte wie die Spannung in ihm wuchs. Wer immer das Packet geschickt hatte, er hatte es geschafft ihn neugierig zu machen. Sein Verstand begann auf Hochtouren zu arbeiten. In ihm stieg die Unruhe. Sie hatte ihn schon immer beflügelt, hatte ihn zum Forscher gemacht. Ihr hatte er seinen Erfolg zu verdanken. Denn wenn diese Unruhe in ihm wirkte, konnte sie nichts und niemand bremsen, bis das Rätsel oder das Problem gelöst war.

      Seine Augen gewöhnten sich langsam wieder an die Dunkelheit. Vor ihm auf dem Boden lag ein kleines Paket im festgefahrenen Schnee. Schlichtes Packpapier ohne Schnur. Oben auf dem Paket lag ein Buch. Oberhofer hob es auf und betrachtete es. Es handelte sich um sein letztes Werk. Oberhofer legte es in den Schnee und schaute sich das Paket genauer an. Nichts war darauf geschrieben, keine Adresse, kein Absender, kein Stempel, nichts.

      Als er die Autotür geöffnet hatte, setzte er sich mit dem Paket in den Wagen und lies die Türe offen. Im Schein der Innenbeleuchtung untersuchte er die Lieferung erneut. Er drehte es in alle Richtungen und betrachtete die Seiten genau. Doch er konnte nicht den geringsten Hinweis auf den Absender finden. Er riss das Papier herunter und zum Vorschein kam eine Holzkiste. Auch auf dieser Kiste konnte er keinen Hinweis auf den Absender oder den Herkunftsort entdecken. Es gab keine Scharniere an der Kiste. Den Deckel hatte man darauf genagelt. Schlichtes Holz, wie man es überall finden würde. Oberhofer überlegte ob er Werkzeug bei sich hatte, um die Kiste zu öffnen. Im Kofferraum fand er ausser dem Wagenheber und dem Wagenkreuz nichts Brauchbares und zum Öffnen der Kiste eignete sich beides nicht. Enttäuscht setzte er sich wieder auf den Fahrersitz und nahm die Kiste erneut in seine Hände. Alle Versuche die Kiste mit blossen Händen zu öffnen scheiterten. Es gab keinen Punkt an dem er hätte zupacken können, um den Deckel abzuheben. Schliesslich musste er sich eingestehen, dass es keinen Sinn macht, es weiter ohne geeignetes Werkzeug zu versuchen. Er legte das Paket auf den Boden vor dem Beifahrersitz, schnallte sich den Sicherheitsgurt an und startete den Motor seines BMWs. Aus den Lautsprechern des Autoradios erklang die Sinfonie Nr. 41 von Mozart. Langsam steuerte er den schweren Wagen die Zufahrtsstrasse hinauf. Es herrschte kein Verkehr und er bog nach links in Richtung Sumiswald auf die verlassene Strasse ein.

      Er fuhr durch den malerischen Winterabend. Der Mond erhellte die mit Schnee bedeckten Wiesen und Hänge. Die Hänge erhoben sich in der Ferne zu Bergen. Auf den Bäumen und den Wäldern lag eine feine Schicht Schnee. Die Berge glänzten im Mondschein und hoben sich vom dunklen Himmel dahinter ab. Eine Landschaft wie aus einem Wintermärchen.

      Von all dieser Schönheit bekam Ulrich Friedrich Oberhofer nichts mit. Seine Gedanken kreisten allein um die Kiste. Auch die Übergabe im Wald liess ihn nicht los. Wer konnte ihm ein Paket unter so merkwürdigen Umständen zukommen lassen? Er versuchte sich an eine ähnliche Gegebenheit zu erinnern, aber es viel ihm nichts Vergleichbares ein. Noch nie hatte eine Übergabe auf so mysteriöse Weise stattgefunden. Die üblichen Treffen fanden meist in Restaurants oder bei ihm zu Hause statt. Noch nie hatte er sich mit einem Boten im Wald getroffen. Üblicherweise waren die Leute, die ihm etwas geben oder zeigen wollten ganz erpicht darauf erkannt zu werden. Ihre Entdeckungen sollten unbedingt mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Zumindest wollten sie in seinen Büchern namentlich erwähnt werden. Heute war