Es war heiliges Land. Schon seit vielen Generationen. Schon lange bevor der legendäre Medizinmann Sitting Bull gelebt hatte. Die Paha Sapa, die heiligen Berge der Sioux-Stämme. Der weiße Mann nannte sie die Black Hills. Doch für den roten Mann verkörperten sie mehr, als Berge, Hügel, Täler, Wälder und Flüsse. Das Gebiet war seit Generationen in der Hand des roten Mannes, und Colonel Bill Wareagle war immer wieder seltsam berührt, wenn er hier, am Ufer des Big Horn River, weilte.
Der schlanke Ogalalla-Sioux, in der Uniform der Armee der Vereinigten Staaten von Panamerika, blickte hinab in das Tal. Ein Stück entfernt, hinter jener Hügelkette, lag der kleinere Little Big Horn River. Lagen jene Hügel, an denen die vereinten Stämme der Sioux und Cheyennes, vor über dreihundert Jahren, fast die Hälfte von Custers siebenter Kavallerie vernichtet hatten.
Wareagle mutete es seltsam an, dass er hier in einer Uniform mit den Insignien der 7th US-Cavalry saß, der Uniform des weißen Mannes. Auch wenn dieses Regiment schon lange von den Pferden auf gepanzerte Fahrzeuge umgestiegen war, und inzwischen sogar eine Staffel von Jägerpiloten für den Raumdienst stellte.
Bill Wareagle sah unten im Tal die Staubwolke, in der die jungen Krieger des Stammes ihre traditionelle Büffeljagd begingen. Oh ja, es gab wieder Büffel. Ein paar große Herden hatten sich erholt, und die Indianer waren die einzigen Menschen, denen eine limitierte Jagd auf sie gestattet wurde.
Es war die Zeit der Kriegerweihe, in der die jungen Männer der Stämme in den Rang von Männern erhoben wurden. Das Tal war gesäumt von Menschen. Männern, Frauen und Kindern, in der Tracht ihrer Stämme.
Ganz leise vernahm Wareagle die anfeuernden Rufe der Menge über dem Donnern der Hufe, und die Schreie der Krieger, die mit kurzem Jagdbogen und der Büffellanze auf Jagd waren.
Ein oder zwei Menschen in dieser Menge würden die Jagd mit Vid-Kameras aufzeichnen. Mehr moderne Technik war nicht gestattet.
Ein sanfter Wind strich durch das Tal. Bill Wareagle war, wie die meisten seines Stammes, ein modern lebender Mensch, der die Errungenschaften der Zivilisation nutzte. Er mochte die Zahl nicht schätzen, wie viele Rechtsanwälte, Ingenieure, Facharbeiter und dergleichen, in der Menge standen. Doch hier, in diesem heiligen Land, waren sie Indianer. Streiften alle moderne Zivilisation ab. Hier gab es kein Holo-Video, kein Internet, keine Kommunikatoren, keine Autos. Alle Technik war an den Grenzen des Nationalreservats zurückgelassen worden.
Fast alle Technik.
In der Mitte des aus Büffelhäuten errichteten Versammlungszeltes stand ein Holo-Projektor, und die Ältesten, des Stammesrates der Sioux und Cheyenne, betrachteten das Abbild eines Wesens, das nicht von der Erde stammte. Ab und zu glitt der Rauch aus der traditionellen Pfeife durch die Projektion, umgab das Alien mit einem fremdartigen Nebel.
Wareagle hörte der Debatte der Ältesten und Häuptlinge zu. Er mochte ein Adlerhäuptling unter den Weißen sein, doch hier war er Krieger. Ein einfacher Krieger, der in den Palaver der Weisen nicht ungefragt eingriff.
Der indianische Colonel hatte sein Anliegen vor mehreren Stunden vorgetragen, danach bereiten die Ältesten und Häuptlinge unter sich. Vor zwei Stunden rief man ihn wieder hinzu, doch bislang durfte er nur zuhören. Indianer genossen den Plausch, bei dem erst über große Umwege zum Kern der Dinge gekommen wurde. Wareagle hatte ihnen seine Lebensgeschichte unterbreitet, gewürzt mit Anekdoten und Scherzen, die vielleicht nur ein Indianer wirklich verstehen konnte. Nun kam es darauf an, ob er gut gesprochen hatte.
“Sie sind nicht Böse.” Der zeremonielle Kriegshäuptling der Stämme blickte ruhig auf die Projektion. “Auch sie sind Geschöpfe des Großen Geistes.”
Zustimmendes Gemurmel erhob sich ringsum.
“Sie haben Böses getan, Vater”, warf Wareagle ein und legte respektvoll die flache Hand vor die Stirn.
“Auch der weiße Mann hat Böses getan. Viel Böses. Dennoch ist er nicht von Grund auf schlecht oder würde mein Sohn dem Bösen dienen?”
Wareagle machte eine verneinende Geste. “Dennoch, Vater, haben sie angegriffen und getötet.”
Einer der anderen Ältesten nahm die Pfeife, führte die zeremoniellen Atemzüge durch, stieß den Rauch in die vier Himmelsrichtungen, nach oben und nach unten. “Der weiße Mann kam in unser Land, hat getötet, Verträge geschlossen und gebrochen. Hat wieder getötet. Aber er hat sein Unrecht erkannt. Heute sind wir Freunde und unsere Brüder tragen seine Uniform.”
“Das ist wahr.” Bill Wareagle versuchte unmerklich, sich ein wenig anders zu setzen. Er war den Indianersitz einfach nicht mehr gewohnt. “Zwei unserer Brüder sind im Kampf gegen den Spinnen-Feind gefallen.”
Eine Frau trat ein, reichte Büffelfleisch und Pemmikan. Eine andere stellte einen frischen Krug mit Wasser in das Zelt. Wareagle kannte sie. Eine erfolgreiche Managerin in der Computerbranche.
Die Ältesten schwiegen, bis die Frauen gegangen waren, hingen ihren Gedanken nach.
Bill Wareagle bat erneut um das Wort. “Meine Väter, ich stehe hier auf unserem heiligen Boden in der Uniform des weißen Mannes. Doch seit die Fremden erschienen sind, ist es nicht mehr die Uniform der Weißen. Es ist die Uniform aller Menschen. Die Uniform eines Planeten, der sich gegen einen Feind zur Wehr setzen muss. Einen Feind, der uns bedroht und der getötet hat, und von dem wir so wenig wissen. Es mag die Zeit kommen, da wir diese Spinnen-Wesen verstehen und ihnen freundschaftlich begegnen können, aber jetzt ist die Zeit, sich zu wehren. Den Kampf aufzunehmen, um Zeit zu gewinnen. Vielleicht die Zeit, die wir brauchen, um verstehen zu können. Ich bitte meine Väter, mir die Erlaubnis zu gewähren, nach Kriegern für diesen Kampf zu rufen.”
“Mein Sohn möge uns alleine lassen.” Der Älteste lächelte Wareagle freundlich zu. “Die Ältesten haben seine Stimme gehört und werden sich beraten.”
“Wojounihan”, grüßte Wareagle. Respekt. Respekt, den er für den Rat der Ältesten empfand. Sie mochten an Traditionen festhalten, aber auch Wareagle glaubte an die alten Dinge. Auch er hatte die Lanze gegen den Büffel erhoben, bevor er sie gegen einen Kampf-Jet tauschte.
Er würde abwarten, was der Ältestenrat entschied.
Kapitel 16 Angriff auf die Erde
Lieutenant Greer fühlte seine wachsende Verzweiflung. Er war übermüdet, er war gereizt. Seit Stunden schlug er sich nun schon mit den Neuen herum. Die United Nations Carrier Ship „Enterprise“ brodelte vor Leben. Der Platz des Radarcontrollers, den normalerweise Bill Greer oder einer seiner Kameraden einnahm, wurde gerade von einem Lieutenant der Armee bedient. Mit Bill Greer, der als Instrukteur fungierte, standen noch drei weitere, ebenfalls auszubildende Controller, um ihn herum.
Wenn man bedachte, dass die Brücke des Trägerschiffes zwar zehn Meter breit, aber nur vier Meter tief war, dann herrschte hier ein dichtes Gedränge. An der Stirnseite befanden sich die Konsolen des Rudergängers, wie die Piloten der großen Militärschiffe traditionell genannt wurden, und die des technischen Offiziers, der die Maschinen kontrollierte. Dahinter war der Sessel des Captains montiert. Wenn dieser nicht vorsichtig war, konnte er seinem Vordermann unsanft ins Kreuz treten. Wobei Buzz Phillips, der Kommandant der Enterprise, seinen Sessel drehen konnte. Im Moment war der Captain durchaus versucht, dies zu tun, und den hinter ihm stehenden Personen etwas Distanz einzubläuen. Schon zum dritten Mal rempelte ihn einer der Auszubildenden versehentlich an und der Captain knirschte innerlich mit den Zähnen.
Hinter dem Captain erstreckte sich die schmale Konsole von Radarüberwachung und Funk. Dementsprechend wurden die beiden hier tätigen Offiziere auch als Raumüberwachungs-Offizier und Raumfunk-Offizier bezeichnet. Phillips hielt diese langen Worte für moderne Worthülsen. Für ihn war der Funker noch immer “Sparks”, der Spargel, in Anlehnung an die langen Funkantennen und Masten vergangener Tage. Der Raumüberwacher war noch immer das “Auge” seines Schiffes. Buzz Phillips hörte der Diskussion in seinem