Mbuto Sangales war müde, wie so viele Menschen in diesen Tagen. Schlaf, wirklich erholsamer und langer Schlaf, stand auf seiner persönlichen Wunschliste ganz oben. Auf seiner dienstlichen Liste, da standen ganz andere Sachen.
Er richtete sich seufzend auf. Dr. Verenkötter fehlte ihm. Er schätzte den Deutschen, mit seiner immer ruhigen und sachlichen Art. Aber Verenkötter würde erst in zehn Tagen aus der Klinik kommen. Durchbruch eines Magengeschwürs. Kein Wunder, bei dem ganzen Stress. Er rechnete ja selbst mit ähnlichen Auswirkungen. Wenigstens trank er nicht so viel Kaffee, hatte sich für Tee entschieden.
Der Generalsekretär der UNO zog den Ausdruck zu sich heran. Darin würden die üblichen Probleme auf ihn warten, von seinem Assistenten bereits nach Dringlichkeit sortiert. Ja, der junge Mann war tüchtig. Kompetent und tüchtig. Er würde wieder ein Blatt vorne aufgelegt haben, auf dem er handschriftlich Hinweise, zu bestimmten Vorgängen, gemacht hatte. Seltsam. In den letzten Tagen wurde er altmodisch. Wer nutzte heutzutage noch einen Ausdruck auf Papier, wo man doch nahezu jede beliebige Datei auf nahezu jedes beliebige Gerät transferieren konnte? Aber das bedruckte Papier in Händen zu halten, vermittelte ihm ein erfreuliches Gefühl von Ruhe.
Sangales nahm einen langen Schluck. Mal sehen.
Drei Werften auf dem Mond in Betrieb. Nun, das wusste er. Hatte ja persönlich den symbolischen Startknopf der Produktionsanlagen betätigt. Vier weitere Anlagen würden in den kommenden zwei Wochen fertig gestellt. Sehr gut.
Mbuto blätterte weiter. Eine Anmerkung Prenaulds vom Kommandostab des UNSA-Hauptquartiers. Probleme mit der Ausbildung von Besatzungen. Sein Assistent hatte ein Memo angeheftet, und der Schwarzafrikaner blätterte zur angegebenen Seite. Ah ja. Die Leute kamen mit der Schwerelosigkeit nicht gut zurecht. Es war ein Jammer, aber die berüchtigte Raumkrankheit siebte einiges vom qualifizierten Personal aus. Sein Assistent hatte mit der Hand das Wort “Indianer” auf den unteren Rand geschrieben, und es mit einem Fragezeichen versehen. Indianer? Er musste seinen Mitarbeiter unbedingt fragen, was der sich dabei gedacht hatte. Manchmal hatte der Junge unkonventionelle und sehr hilfreiche Ideen.
Weiter. Inzwischen waren 23 Shuttles in Betrieb, drei von ihnen würden allerdings die folgenden zwei Wochen ausfallen. Dringende Wartungsintervalle. Ja, in den kommenden Wochen würde noch so Einiges ausfallen. Die enorme Belastung, von Mensch und Material, musste sich ja irgendwann rächen.
Weiter. Knapp 150 modifizierte Satelliten befanden sich jetzt zur Raumverteidigung im Orbit. Gut, das mochte helfen. Sangales hoffte, der unbekannte Gegner würde die Erde gar nicht erst angreifen. Verdammt, man wusste kaum etwas über die Fremden. Nur sehr wenig über ihre Technik und nichts über ihre Absichten und ihre militärische Stärke. Was waren ihre Motive für die Angriffe? Woher kamen Sie? Der Mars war mit Sicherheit nicht ihre Heimat. Warum griffen sie dort an und nicht die Erde? Wollten sie in Ruhe die Kampfkraft der Menschheit testen? Würden sie die Erde direkt angreifen?
Fragen, auf die es im Augenblick keine Antwort gab.
Weiter. Oslo. Ja, das war eine furchtbare Katastrophe. Die ganzen Toten und Verletzten. Tragisch. Glücklicherweise gab es keine Strahlung. In Indonesien war noch ein anderes Kraftwerk ausgebrannt, aber glücklicherweise gab es keine Verluste und die Sicherheitssysteme hatten das Schlimmste verhütet. Dennoch würden diese Ereignisse die Unruhe in der Bevölkerung noch schüren.
Mbuto Sangales kniff die Augen zusammen. Sie brannten wieder einmal. Ja, seine Augen waren auch nicht mehr die Besten. Er hatte ja eine Lesebrille, aber er mied ihre Nutzung. Sangales lächelte unmerklich. Vielleicht war es ja eine gewisse Eitelkeit. Aber an die variablen Kontaktlinsen konnte er sich nicht gewöhnen.
Er legte den Ausdruck zur Seite. Indianer?
Der Generalsekretär tippte auf das Sensorfeld seines Schreibtisches. “Können Sie einmal kurz hereinkommen? Ich habe da eine Frage, wegen Ihrer Anmerkung. Ja, richtig, wegen der Indianer.”
Keine dreißig Minuten später schickte Sangales eine Dringendmeldung an den Stab der UNSA.
“Indianer?” Jean Prenauld blickte irritiert auf die entschlüsselte Nachricht auf seinem Notepad. Was sollte das denn schon wieder? Er blickte ratlos die anderen Mitglieder des Stabes an. Doch die schienen ähnlich verwirrt.
“Vielleicht eine politische Geste?” Nishimura tippte eine Anfrage in seinen Laptop, las den vorbeiscrollenden Text. “Tut mir leid, ich finde hier zwar eine Menge Daten, aber keine Erklärung. Moment, da ist ein Querverweis. Ah, hier steht, dass sehr viele Indianer im Hochbau eingesetzt werden.”
“Ja, stimmt”, bestätigte der panamerikanische General Howard. “Sind absolut Schwindelfrei, die Burschen, und kennen keine Höhenangst.”
Jean Prenauld stockte. Nachdenklich legte er seine Stirn in Falten. Verdammt, dass er daran nicht gedacht hatte. Er stellte eine Verbindung mit dem ärztlichen Dienst des UNSA-Hauptquartiers her. Der Mediziner verwies ihn an einen Kollegen. Schließlich erhielt der Franzose eine knappe und interessante Information.
Nachdenklich wandte er sich den anderen zu. “Ich hätte daran denken sollen. Wir haben einige Indianer im Raumdienst, nur drei oder vier, und keiner von ihnen hat je Symptome der Raumkrankheit oder ähnliches gezeigt. Außerdem gibt es noch eine weitere interessante Information. Nahezu alle Indianer haben die Blutgruppe Null. Diese Leute wären prädestiniert für die Raumflotte und für die Marines.”
“Dann ziehen Sie die roten Brüder doch ein”, empfahl Admiral Han.
Der Panamerikaner schüttelte sofort den Kopf. “So einfach ist das nicht. Indianer haben einen Sonderstatus. Man kann allenfalls versuchen, die Werbetrommel zu rühren und Freiwillige anzuwerben. Ich müsste... ja, ich müsste jemanden finden, der sich mit dem Ältestenrat unserer indianischen Bevölkerung in Verbindung setzt.”
Jean Prenauld machte eine Notiz. „Schön. Howard, bitte kümmern Sie sich persönlich um diese Angelegenheit.“ Dann sah er in die Gesichter der anderen. “Weiter im Text. Seit zwei Tagen werden in Star-City die ersten Schiffe gebaut. Fürs Erste haben wir nur die alten Schiffe und die neue russische Pjotr Amassov. Also, die Zerstörer Lancaster, McArthur, Tse-Tung, Makeb und Muhammad. Dazu die Kreuzer Montana und Aboukir sowie die erwähnte Pjotr Amassov. Schließlich die beiden Träger Moskva und Enterprise. Damit müssen wir vorläufig auskommen. Es wird Monate dauern, bis die ersten Neubauten vom Stapel gelaufen sind. Wobei dann noch immer die Testflüge und Endausrüstung anstehen.”
“Ich habe mir die neuen Konstruktionspläne noch einmal gründlich angesehen. Wirklich beeindruckend.” General Ibn Daud gab das fünfte Stück Zucker in seinen Tee. “Großartige Schiffe.”
Tanja Olnarewa nickte. Auch wenn die neuen Konstruktionen noch einige Verbesserungen gegenüber der Pjotr Amassov aufwiesen, so erfüllte es sie doch mit einem gewissen Stolz, dass die Neubauten auf einem russischen Entwurf basierten.
“Ja”, bestätigte Admiral Han. “Aber sie werden sich erst noch bewähren müssen. Ebenso wie die neuen Besatzungen. Derzeit ist der Bau von 12 Schiffen geplant. Drei F-Träger für Flugkörper, also Kampfjäger, ein Träger für Truppen, also T-Klasse, sechs Kreuzer und zwei Zerstörer. Die UNO-Vollversammlung wollte ursprünglich mehr Zerstörer zur Erdverteidigung, aber der Sicherheitsrat hat sie überzeugen können, dass wir unbedingt Offensivkraft benötigen, um den Mars und das Energum zurückzugewinnen. Was macht die Entwicklung der neuen Jäger?”
Howard zeigte sein übliches, schmallippiges Lächeln. “Letztlich haben wir uns für den Bau der neuen F-37A entschieden. Wir haben das Beste vom Besten aller Nationen zusammengeworfen. Die Produktion läuft bereits. In drei Wochen dürfte die erste Staffel fertig gestellt werden. Dann beginnt die Schulung der Piloten.”
“Gut.” Howard seufzte leicht. “Je mehr Zeit uns die Aliens