„Herzlich willkommen“, sagte sie freundlich. Zu Scholtysek gewandt ergänzte sie: „dort“, sie zeigte mit dem Zeigefinger der rechten Hand hin, „in der ruhigen Ecke, habe ich ihnen, separiert von anderen Tischen, einen großzügigen runden Tisch eingedeckt. Ist es recht so?“
Er nickte und bedankte sich bei der Hotelchefin. Dann nahmen sie die Plätze ein.
„Sie müssen hier ja aus und eingehen“, wandte Degoth sich an KOR Scholtysek.
„Das kann man so sagen“, entgegnete er und lächelte verschmitzt. „Ich bin öfter hier, nicht nur aus dienstlichen Gründen. Nach unserem Gespräch am Mittag, habe ich es von meiner Sekretärin arrangieren lassen. Wir sind so ungestörter.“
Auch aus der Ecke des Restaurants war der Blick auf die Ostsee, im Hintergrund die Kreidefelsen, märchenhaft. Die Getränke wurden serviert und es sollte noch eine Weile dauern, bis das Essen auf dem Tisch stand. Die Phase nutzte Scholtysek und bat Degoth, erneut, jetzt wo Heller dabei war, zu reflektieren.
„Lassen sie uns gemeinsam nochmals Revue passieren, welche Fakten wir bislang auf dem Tisch haben. Damit meine ich natürlich, was sie erlebten und beobachteten.“
„Gerne Herr Scholtysek. Dann fasse ich nochmals zusammen. Da kam in der Frühe ein Mann auf mich zu und legte aus heiterem Himmel los – ob Zufall oder Absicht - keine Ahnung. Wirr erzählte er über einen entsetzlichen Fund den er gerade gemacht hätte und wie er sich dabei beobachtet fühlte. Später, sie erinnern sich an meine weiteren Ausführungen“, dabei schaute er den Kriminaloberrat aufmerksam an, „trafen wir den seltsamen Kellner auf der Selliner Seebrücke. Und wieder eine Weile danach beobachteten wir eine Szene des Kellners mit einem Fremden am Strand. Aber anschließend, Degoth schaute dabei direkt hinüber zu Heller, „erblickte ich unter der Holzbrücke das besagte Skelett. Das hieb dem Fass den Boden aus. Meine Frau und ich waren erschüttert. Als wir etwa eine Stunde zuvor diese Treppe hoch und runter gingen, lag da nichts, überhaupt nichts. Insofern ging ich davon aus, dass es eine Verbindung mit dem Kellner geben könnte. Die Geschichte von dem Fremden am Vormittag könnte ebenfalls im Zusammenhang damit stehen.“
„Schon klar Degoth“, so Scholtysek, „soweit habe ich auch Heller auf den Stand gebracht. Was aber fiel ihnen schließlich noch besonderes auf? Z.B. an Kleidung, der Uhrzeit, Treffpunkten? Es könnte, wie sie wissen, jedes Mosaiksteinchen wichtig sein!“
„Na klar Scholtysek, vollkommen! Am Vormittag war es ein Mann, der ziemlich verlottert in der Gegend herum irrte. Er sprach zudem undeutlich.“
„War er vielleicht betrunken?“, so der Kriminaloberrat.
„Nein nein, eher ein Herumtreiber, der nicht wusste wie er sich besser ausdrücken sollte! Das war zu diesem Zeitpunkt mein Eindruck. Seine Kleidung war wirklich sehr schmutzig. Nun gut, im Sommer und so warm wie in diesem Jahr hier im hohen Norden, dachte ich mir zunächst nichts dabei. Er trug halblange Jeans mit Fransen und ein T-Shirt. Ich würde sagen in hellblau oder noch genauer, eher schmutzig grau!“ Die Anwesenden kicherten. „Dazu ausgelatschte Sandaletten. In der Hand trug er eine alte Tasche, hellgrau, darin lagen wohl seine wenigen Habseligkeiten. Das konnte ich teils sehen, da der Reißverschluss defekt war. Seine Größe schätze ich auf etwa ein Meter siebzig, schütteres Haar, schwarzgrau. Sein Gesichtsausdruck vernarbt und wetterhart. Er musste so um die sechzig Jahre gewesen sein. Der Kellner auf der Seebrücke war elegant, sportlich gekleidet, etwa ein Meter achtzig groß und hatte hellblondes, volles Haar. Er war schlank und sein Alter schätze ich auf etwa vierzig Jahre. Der Fremde am Strand war meiner Meinung nach gleichaltrig, jedoch mit vollem schwarzen Haar. Ebenfalls schlank, vielleicht mit einer Größe von ein Meter fünfundsiebzig. Was sie sich gegenseitig übergaben, konnten ich nicht natürlich exakt erkennen, aber es waren Päckchen jeweils weiß eingepackt und geschätzte sechzig Zentimeter lang, vierzig Zentimeter bereit; wie gesagt, geschätzt!“
„Sie haben aber eine tolle Beobachtungsgabe und ein phänomenales Gedächtnis“, so KHK Heller.
„Ja, ja, Respekt“, fügte Scholtysek kurz an.
„Aber meine Herren, das ist noch nicht alles!“, sprudelte Degoth weiter. „Während sie Scholtysek nach Bergen fuhren, flanierten wir auf der Strandpromenade und machten einen Schaufensterbummel. Dabei beobachtete ich, nein, nicht meine Frau“, Chantal schmunzelte, „an der Landungsbrücke Aktivitäten. Und siehe da, kurz davor standen der besagte Kellner und der Fremde erneut in ein intensives Gespräch vertieft.“
„Ja, aber doch ein alltäglicher Vorgang, so Scholtysek und kein....“
„Stopp, halt mein Lieber, denn plötzlich rannten sie, wie von einer Tarantel gestochen, los zur Brücke, schnurstracks auf ein Boot zu. Dort stiegen sie ohne Umschweife ein. Sie starteten direkt das Schnellboot und waren binnen ein oder zwei Minuten in hohem Tempo auf und davon.“
„Aber mein Lieber – beide lachten – ist doch immer noch legal, wie?“
„Sicher, aber hier Scholtysek, haben sie die Nummer des besagten Liegeplatzes und der von den Nachbarbootsanlegeplätzen. Sicher ist sicher, dachte ich mir!“
Chantal schaute ihn lächelnd an und sagte: „Du bist mir ein Schelm, erklärst, wie schön es ist auf diese Brücke zu laufen und dann recherchierst du mal eben nebenbei!“
„T` schuldigung mein Liebling!“, kam es über seine schmalen Lippen.
Die Polizisten amüsierten sich. Bevor das Essen aufgetragen wurde, ergriff Scholtysek das Wort: „Finde ich wirklich sehr umsichtig Degoth, das hat was, wirklich, sie fehlen mir im Polizeidienst!“ Und mit Blick zu dem ersten Polizeioffizier Heller sagte er weiter: „Was meinen sie, wäre doch einer für unsere Truppe.“ Heller grinste, und bejahte es! Was sollte er in dem Moment auch dem Kriminaloberrat anderes antworten?
„Schwören sie ihre Leute ein, Heller. Sie sollen an alles, aber behutsam, ran gehen. In diesem Stadium wollen wir absolut keine Öffentlichkeit, kein Aufsehen erregen, ist das klar? Schon gar keine Presse. Unbedingt beachten, denn sonst machen wir die Pferde scheu und der Schuss geht nach hinten los!“
„Ja selbstverständlich Chef, ohne Frage!“, meinte Heller.
„Was wurde mittlerweile eigentlich aus dem Skelett?“, mischte sich Degoth wieder ein.
„Darum kümmerte sich die Rechtsmedizin. Wurde bereits eine Stunde nach dem Gespräch am
Strand abgeholt. Noch auf der Seebrücke stehend, telefonierte ich.“
„Ist auch nicht von schlechten Eltern, ihr Einsatz“, so Degoth.
Sie brachen alle in ein schallendes Gelächter aus. Und befanden, bei dem Ernst der Sache, dürfte Humor trotzdem nicht zu kurz kommen. Während des Essens, darum bat Degoth zuvor, wollten sie im Beisein seiner Frau nicht mehr von dem Fall reden. Es sollte locker und entspannt zugehen. Bei dieser Verabredung blieb es auch. Nach dem Essen trennten sich ihre Wege. Degoth ging mit den Kollegen der Polizei zur Landungsbrücke und seine Frau flanierte währenddessen in die Seitentrasse Sellins. Einige Modegeschäfte hatten es ihr besonders angetan! Aber das war für Michel Degoth wirklich nichts neues.
Degoth führte die Polizisten, die gerade auf der Brücke eintrafen, an die besagte Stelle. Einige Minuten später nahm Heller bereits Kontakt mit der Wasserschutzpolizei auf. Sein Anliegen, die Namen der Bootsanlieger in Erfahrung zu bringen. Es hieß von Beginn an Steinchen für Steinchen zu untersuchen, damit das Mosaik irgendwann die kommenden Tage Konturen annehmen würde.Diese Zeit nutzten Scholtysek und Degoth um erneut zu philosophieren, ob es ein tragischer Unfall gewesen sein könnte, der, womöglich vor Verzweiflung vertuscht wurde. Oder, ob ein geplanter Mord eine Rolle spielte. „Oder“, fügte Degoth kurz und bündig an, „gar einen Serienmörder sein Unwesen treibt.“
Diese Unsicherheit würde solange bleiben, bis die Rechtsmedizin verwertbare Spuren gefunden hat. Darüber waren sich die Ermittler einig. Der KOR nutzte nun die Gelegenheit und setzte Degoth ins Vertrauen. Er berichtet, dass vor einigen Tagen