Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Kahesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738007732
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bei aller Dramatik des Fundes und erwiderte: „Sie sind ja gleich auf dem Thema. Ich erkenne, dass sie in der Tat mehr als ein Hobbykriminalist sind. Was schlagen sie denn vor?“

      Degoth bat zunächst seine Frau um Entschuldigung, dass diese Situation ihren Sommerurlaub so beeinträchtigen könnte. Sie aber lächelte! Ihr war wohl klar, dass es nun mal wieder soweit kommen würde. „Die Ausschweifungen kenne ich ja“, plapperte sie vor sich hin.

      „Ich gehe zur Seebrücke, nehme ein Glas Wasser zu mir und esse eine Kleinigkeit, während ihr hier fachsimpelt“, übernahm sie das Zepter.

      Sie waren allein, der „große“ Polizeichef Rügens und der Hobbykriminologe Michel Degoth. Dann begann Scholtysek weitere Fragen zu stellen. Ob ihm Personen aufgefallen seien oder er Gespräche führte, die ihn im Nachhinein nachdenklich machten, vielleicht sogar seltsam vorkamen.

      „Na, schießen sie mal los!“, sagte er schließlich.

      Michel Degoth berichtete alles, was ihm relevant schien.

      „Zunächst, das was ich ihnen bereits sagte. Hier stehen wir davor! Hinzu kommt noch ein Gespräch mit einem Mann, der mich vor einigen Stunden ansprach. Er hätte einen Fund gemacht. Nein, an dieser Stelle sei dies nicht gewesen. Und wirklich konkret stufte ich es auch nicht ein. Er berichtete nur wirr, dass er dabei von fremden Blicken beobachtet worden sei. Zumindest sei dies sein Gefühl gewesen! Insofern verdrängte ich es schnell wieder. Erst später, als wir auf der Terrasse des Restaurants der Seebrücke saßen, der Kellner, wie bereits erwähnt, ein eigenartiges Verhalten an den Tag legte, sich später am Strand mit einem Fremden traf und mir das Verhalten verdächtig vorkam, stieg mir in den Sinn, da könnte eine verabscheuungswürdige Untat dahinter stecken. Und dann natürlich ...., na ja, den hiesigen Fund. Sie haben es eben selbst gesehen!“

      Sie schwiegen zunächst! Beide! Doch die Ruhe machte Degoth wahnsinnig, er musste reden, war so unruhig und fühlte sich wie ein Spürhund. Ihm wurde deutlich, dass ein schwerwiegendes Verbrechen dahinter stecken musste. Aus seiner Sicht konnte es nicht anders sein! Plötzlich ein Skelett am Strand, unter einer Holzbrücke in der dunklen Ecke! Dazu in einem leuchtend weißen Paket. Auf der eine Seite versteckt, auf der anderen sichtbar platziert. Ist das nicht komisch? So faselte er ohne Scholtysek anzuschauen. In dem Augenblick ergriff Scholtysek das Wort.

      „Da müssen wir wohl wirklich sehr tief graben. Das heißt ich und meine Polizisten. So trivial scheint es wirklich nicht zu sein, wie ich es, zugegeben, anfänglich einstufte.“

      „Nicht nur sie Scholtysek, ich darf es doch sagen?“!

      „Ja klar Degoth, ich darf es doch sagen?“

      Beide lachten laut. Mehr vor Verlegenheit und Ratlosigkeit als aus Begeisterung! Das war nach dem Vorfall allemal klar.

      „Ich glaube“, sagte Scholtysek, „da will jemand auf Morde aufmerksam machen, die in grauer

      Vorzeit geschahen, vielleicht nie entdeckt wurden.“

      „Doch warum heute, nach Jahren oder gar Jahrzehnten?“, wandte Degoth ein. „Das ist doch die

      wesentliche Frage. Fühlt der oder die sich sakrosankt? Ich meine also unantastbar oder gar wie der

      liebe Gott?“

      „Vielleicht quälte jemanden bloß sein schlechtes Gewissen und er kann nicht mehr ruhig schlafen.“

      „Mag sein Scholtysek, aber welchen Zweck der große Unbekannte damit verfolgt, bleibt erst mal

      verborgen. Ist es ein Psychopath?“, setzte er nach.

      Nach dem kurzen Abwägungen und Bedenken, entschieden sie sich zurück zur Seebrücke zu gehen. Schließlich wartete Chantal auf ihren Mann. Sie saß alleine am Tisch und sah die Beiden schon von weitem. Auf der Seeterrasse eingetroffen setzten sie sich gleich zu ihr. Eine Tasse Kaffee sollte ihnen jetzt nicht schaden, meinten sie und winkten dem Kellner.

      „Nochmals zurück...., sagen sie mal Degoth: wie sah den der Mann, den sie vor Stunden auf der Uferpromenade trafen und der Kellner, den sie vor etwa zwei Stunden hier erlebten, aus? Welche näheren Anhaltspunkte können sie mir nennen?“

      Sie waren sich einig, dass sie diese Männer vernehmen müssten, in jedem Falle. Und überzeugt, das wäre ein erster Schritt auf dem Weg Richtung Ergebnis.

      „Das wird dauern“, folgerte Degoth. „Oder?“ Er nippte an seinem Kaffee und sprach aus, was er gerade dachte: „Wie wollen wir jetzt verfahren?“

      Er formulierte es so, als wäre er Mitarbeiter des K III und würde seinen Chef darum bitten, ihm die Freigabe für die weiteren Ermittlungen zu ermöglichen. Scholtysek schaute ihn verdutzt an. Er war auf der einen Seite erfreut einen couragierten Mann an seiner Seite zu wissen, auf der anderen Seite aber beunruhigt, dass er als Hobbykriminologe vielleicht über das Ziel hinausschießen könnte. Und dann der Satz: „Also, wie wollen wir nun verfahren?“ Das hätte ja eher von ihm stammen können! Schließlich verabredeten sie sich für den frühen Abend

      im Restaurant des Hotels Marina. Chantal sollte natürlich dabei sein, denn nach Stralsund zurück und anschließend wieder nach Rügen, das Hin und Her, dass war ihm für heute doch zu viel. Alleine wollte er seine Frau schon gar nicht lassen.

      Den Weg, den sie bereits in der Frühe zur Promenade nahmen, gingen sie wieder hinunter zum Parkplatz. Arm in Arm liefen sie gemächlichen Schrittes, als ein Unbekannter sich ihnen in den Weg stellte. Nicht gerade provozierend, konnte man es nennen, aber doch irgendwie fordernd. „Erinnern sie sich? Ich habe heute am frühen Vormittag Kontakt mit ihnen aufgenommen! Dabei erwähnte ich, dass etwas seltsames passiert sein musste. Nun, es ist etwas geschehen, ein.....“, er stockte. „Haben sie nichts gefunden?“

      „Habe keine Erinnerung. Erzählen sie mal was sie erlebten.“

      „Was heißt erleben, so kann ich es nicht direkt sagen, jedoch sehen und hören, das trifft eher zu!“

      „Aber Mann, berichten sie endlich um was es geht, was passierte und warum wenden sie sich gerade an mich, nicht an die Polizei auf Rügen? Zudem haben wir es eilig.“, legte Degoth temperamentvoll los. „Es war eine Eingebung. Einfach so, eben eine Eingebung! Ich dachte sie könnten mir dabei helfen, Menschen, die dafür verantwortlich sind, ausfindig zu machen. Aber wie komme ich darauf, warum mische ich mich nur ein?“, lallte er schließlich.

      „Ein Problem ist es für mich nicht. Aber unklar bleibt, was sie von mir erwarten. Wo ist was geschehen? Einen vertrauenswürdigen Eindruck machen sie nun ganz und gar nicht, um das ganz offen auszusprechen!“

      Der Unbekannte schaute verdutzt drein, fasste sich aber schnell und antwortete: „Schon möglich, denn ich lebe seit meiner Ausgliederung aus der Gesellschaft als Tagelöhner auf Rügen. Arbeite mal hier, mal dort.“

      Degoth und Chantal staunten nicht schlecht, behielten aber ihre Fassung! Was will der Kerl, dröhnte es in ihren Köpfen? Dann berichtete der Unbekannte, dass er ein Skelett fand, „wissen sie, total frei von allem! Es muss lange rumgelegen haben und zufällig durch den natürlichen Prozess der Evolution wieder ans Tageslicht gefördert worden sein.“ Evolution, stutzte das Ehepaar Degoht, hört sich nicht nach Straßenjargon an!

      „Mag sein“, so Degoth, „aber ist ihr Urteil nicht etwas voreilig? Woran machen sie das alles fest? Überdies, wo fanden sie es?“

      Einem oberflächlich gekleideten Mann, der eine zottelige Frisur trug, sollte er das abnehmen! Er hatte Zweifel, das alles als bare Münze zu nehmen. Doch der Mann fuhr fort: „Ich sah es dieser Tage in Strandnähe, mehr zufällig, als ich dort, was ich täglich tue, durch den feinen Sand stampfte. Sie wissen, Rügens Strände mit dem weißen, weichen Sand, beinahe wie in der Karibik, verzaubern. Plötzlich lag unter dem Steg, ich meine der Landungsbrücke, eben dieses Skelett.

      „War es ohne Hülle? Ich meine ohne Schutz?“

      „Ja, ohne Schutz, genau. Deshalb wurde ich ja so schnell darauf aufmerksam. Außer mir vor Schreck war ich und irrte einige Zeit am Strand entlang. War nicht