Kling Glöckchen. Friedrich Bornemann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Bornemann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847678298
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      „Nein, der war ordnungsgemäß verschlossen. Ich habe ihn erst aufgeschlossen, als wir gemerkt haben, dass die Fernbedienung weg war“, antwortete Kruse.

      „Die Fernbedienung wird also nicht im Kran aufbewahrt?“, wollte Brasche wissen.

      „Eigentlich schon. Aber wir deponieren sie meistens in einem Versteck in der Fassade. Das ist einfacher. Da müssen wir nicht jedes Mal den Kran auf- und zuschließen.“

      „Und das Versteck kannte keiner außer Ihnen beiden?“

      „Nein, ganz sicher nicht!“, meinte Wippert.

      „Halten Sie es nicht für möglich, dass jemand Sie bei der Arbeit beobachtet hat?“, wollte Lüdenkamp wissen.

      „Das kann ich mir kaum vorstellen“, meinte Kruse. „Hier laufen zwar jeden Tag einige Menschen über den Platz. Manche bleiben auch stehen und sehen sich die allmählich wachsende Fassade an. Aber das Versteck für die Fernbedienung ist von draußen – ich meine außerhalb der Baustelle – nicht zu sehen. Ich zeige Ihnen das mal.“

      Brasche und Lüdenkamp stapften hinter Kruse her, nachdem sie sich bei Schneider vergewissert hatten, dass sie nichts mehr zertrampeln konnten. Kruse führte sie zu einem kleinen zurückspringenden Raum am linken Rand der Fassade, wo später - als krönender Abschluss - der Turm entstehen sollte. Dort hielten sich die Arbeiter bei schlechterem Wetter in den Pausen auf. Dort aßen sie ihre Mahlzeiten. Und dort brachten sie tagsüber auch ihre persönlichen Gegenstände unter. Ganz unten in einer Ecke zeigte ihnen Kruse einen kaum sichtbaren Spalt im Fundament.

      „Das ist unser Geheimfach“, sagte er.

      „Das ist von draußen ja tatsächlich nicht ohne Weiteres zu sehen“, stellte Lüdenkamp fest. „Da müsste Sie schon jemand gezielt ausgespäht haben, um an die Fernsteuerung zu gelangen.“

      „Das sehe ich auch so“, stimmte ihm Brasche zu.

      „Ihr Kollege hat uns erzählt, dass etwas mit einer Palette nicht stimmt“, sagte Lüdenkamp.

      „Ja“, antwortete Kruse. „Wir haben gestern die letzten Steine aus einer offenen Palette verarbeitet. Alle anderen waren noch verschweißt. Jetzt fehlt bei einer Palette der obere Teil der Folie. Und bei einem der Steine ist eine Kante beschädigt. Das kann natürlich auch schon beim Transport nach hier passiert sein. Aber das wäre ungewöhnlich. Haben wir bis jetzt jedenfalls noch nicht gehabt. Und die Folie war gestern Abend auf jeden Fall noch vorhanden.“

      „Schwarze Folie wie auf der Palette mit dem Toten?“, wollte Brasche wissen.

      „Nein. Die Steine sind alle in durchsichtiger, farbloser Folie verschweißt.“

      „Gut. Vielen Dank. Halten Sie sich bitte zur Verfügung. Wenn wir weitere Fragen haben sollten, melden wir uns. Ach ja. Wegen Ihrer Fingerabdrücke: Kommen Sie doch bitte morgen Vormittag ins Kriminalkommissariat im Kreispolizeigebäude, Reeser Landstraße.“

      „Okay“, sagte Wippert.

      Schlüsselfragen

      Der Tote wurde abgeholt und in die Pathologie in Duisburg gebracht.

      Die Arbeit der Spurensicherung ging weiter. Bisher hatte sie festgestellt, dass am Kran keine Einbruchsspuren festzustellen waren. Wenn die Angaben der beiden Steinmetze stimmten, dass es nur zwei Schlüssel gab, dann musste der Kran auf andere Weise bewegt worden sein. Die beiden hatten jedenfalls ihre Schlüssel vorgewiesen und angegeben, sie in der Tatnacht jeweils bei sich in ihrer Pension aufbewahrt zu haben.

      Die Palette konnte von der Baustelle stammen. Das war noch genauer festzustellen. Die aufgetackerte schwarze Folie dagegen stammte nach Angaben der beiden Handwerker ebenso wenig aus dem Baustellenbereich wie der kleine Karton mit den Tackerklammern, der neben der Palette lag.

      Völlig rätselhaft war auch, woher die Schrift auf der Unterseite der Palette stammte, die schon beim Herunterfahren entdeckt worden war und jetzt - nach dem Abtransport des Toten – genauer unter die Lupe genommen wurde. In großen pinkfarbenen Buchstaben war da – ebenfalls auf einer schwarzen Folie - zu lesen:

       AKTION

       ANTIFA

       SSADE

      Lüdenkamp, der noch vor Ort war, wunderte sich: „Antifa? Das ist doch die Abkürzung für ‚Antifaschismus’ und steht für linksradikale und autonome Gruppen, die Nationalismus und Rassismus bekämpfen. Von einer ‚Aktion Antifa’ und einer Gruppe S-S-A-D-E habe ich hier in Wesel noch nie gehört.“

      „Ich auch nicht“, stimmte ihm Schneider zu. „Es gibt natürlich auch hier bei uns Einzelpersonen und Gruppen, die sich gegen jede Art von Faschismus und Neonazismus aussprechen. Vor allem in den Schulen wird dieses Thema immer mal wieder aufgegriffen und diskutiert.“

      Lüdenkamp sagte: „Ich glaube, ich hab’s. Wir haben die Buchstaben falsch getrennt. Das heißt ‚AKTION ANTI FASSADE’ und richtet sich gegen den Bau der Rathausfassade.“

      „Du hast Recht. Das macht Sinn. Vor allem hier direkt an der Fassaden-Baustelle. Aber eine so radikale Gruppe, die keine Hemmungen hat, jemanden umzubringen und an einen Kran zu hängen? Damit alle ihn sehen können? Das ist ja schlimmer als früher am Pranger. Das kann ich mir hier in Wesel nicht vorstellen.“

      „Wie der Bedauernswerte auf der Palette umgekommen ist, das wissen wir doch noch gar nicht.“

      „Du hast Recht. War auch nur eine Spekulation. Warten wir erst mal die Ermittlungsergebnisse ab.

      Frau Wirtin

      Am nächsten Morgen tauchten Wippert und Kruse pünktlich um 9.00 Uhr im KK 11 auf. Lüdenkamp brachte sie zur Spurensicherung, wo ihnen die Fingerabdrücke abgenommen wurden. Dann meldeten sie sich wieder bei Lüdenkamp. Der nahm sie mit zu Brasche.

      „Zwei Fragen habe ich an Sie“, eröffnete Brasche das Gespräch. „Die Erste: Wo waren Sie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag?“

      „Sie meinen die Nacht, in der der Mann ums Leben gekommen ist?“, fragte Kruse.

      „Ja. Genau die.“

      „Verdächtigen Sie uns?“, fragte Wippert.

      „Nein. Sonst hätten wir Sie schon über Ihre Rechte belehrt. Wir müssen Ihnen diese Frage stellen. Sie waren vor und nach der Tat am Tatort. Ihre Fingerabdrücke sind vermutlich am Tatort gesichert worden. Das wird unser Experte gleich feststellen. Damit gehören Sie automatisch zu dem Personenkreis, mit dem wir uns beschäftigen müssen.“

      „Na wunderbar!“, stöhnte Kruse.

      „Wenn Sie ein Alibi nachweisen können, sind Sie aus dem Schneider.“

      „Wir sind zusammen nach Feierabend, also etwa um 18.00 Uhr, in unsere Pension gegangen“, berichtete Wippert. „Die liegt hier ganz in der Nähe. In der Goldstraße. Unsere Wirtin hatte schon ein paar

      Brote für uns vorbereitet. Das macht sie meistens. Die haben wir, zusammen mit einer Flasche Bier, in

      aller Ruhe aufgegessen.“

      „Und dann?“, fragte Lüdenkamp.

      „Dann haben wir ferngesehen. Um 20.00 Uhr die Tagesschau und danach …“

      „Ja?“

      „Weißt du noch, was es Donnerstagabend gab?“, fragte Wippert, an Kruse gewandt.

      „Warte mal. Ich glaube, da war der Tatort auf WDR.“

      „Das stimmt. Der hat bis viertel vor Zehn gedauert. Dann sind wir ins Bett gegangen und haben bis zum nächsten Morgen geschlafen. Nach unserer Arbeit sind wir meistens ziemlich müde. Da ist nichts mit langen Abenden.“

      „Gut.