Friedrich Bornemann
Kling Glöckchen
Ein Niederrhein-Krimi
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Inhaltsverzeichnis
Eiszeit
Beo und Enna hatten es sich unter einem der leuchtend gelben Sonnenschirme vor dem Eiscafé ‚La Gondola’ bequem gemacht. Enna löffelte ein großes Spaghetti-Eis, während Beo zufrieden an seinem obligaten Eiskaffee nuckelte.
Der Name des Lokals und die Farbe der Sonnenschirme erinnerte Beo jedes Mal an Venedig. Enna und er hatten vor zwei Jahren ihr Detektivbüro für ein paar Tage geschlossen und eine erholsame Zeit in der Lagunenstadt verbracht. Natürlich hatten sie auch den Markusplatz mit dem Campanile besucht. Enna war die unzähligen Stufen im Glockenturm hinaufgeklettert, um die herrliche Aussicht über Venedig und den Canale Grande zu genießen. Beo hatte so lange auf einem mit gelben Tischen und Stühlen ausgestatteten Bereich am Rande des Markusplatzes gewartet, ein Bitter Lemon getrunken und drei Musikern zugehört, die auf ihrem kleinen Podium vor sich hin fiedelten.
Auf dem Großen Markt in Wesel waren natürlich keine Gondeln zu sehen, und statt eines frei stehenden Glockenturms gab es nur einen kleinen Dachreiter oben auf dem Dom. Die Temperaturen konnten in diesem Sommer aber ohne Weiteres mit denen in Venedig konkurrieren.
Am Nebentisch saß eine Frau mit einem etwa vierjährigen Mädchen, vermutlich ihre Tochter. Die Mutter - eine ausgesprochen modische Erscheinung mit halblangen blonden Haaren und einer Sonnenbrille mit großen, fast schwarzen Gläsern - blätterte gelangweilt in einer VOGUE, die sie ab und zu auch als Wind spendenden Fächer benutzte. Die Kleine leckte an zwei roten Eiskugeln in einer Waffel. Dabei sang sie fröhlich vor sich hin. Was sie da interpretierte, war nicht ohne weiteres erkennbar. Jedenfalls nicht für Beo und Enna, die mit Interesse ihre Bemühungen verfolgten, gleichzeitiges Eislecken und Singen zu koordinieren. Das schien nicht ganz einfach zu sein, weil das Eis in der Mittagssonne ziemlich schnell dahinschmolz. Mehrere rote Kleckse waren bereits auf dem ansonsten blütenweißen Top der Kleinen gelandet. Aber die Mutter blickte nur einmal kurz auf und bemerkte: „Das macht nichts. Wird nachher gewaschen.“
Beo blickte ein wenig verwundert, woraufhin Enna ihm ins Ohr flüsterte: „Wenn man mit so einer Handtasche unterwegs ist, dann reagiert man anders als das gemeine Volk!“ Beo blickte nach unten und sah auf dem Boden, zwischen der Kleinen und ihrer Mutter, eine geöffnete beigebraune Tasche stehen, die er spontan ‚potthässlich und höchstens zum Gemüse-Einkaufen geeignet’ fand. Enna klärte ihn flüsternd auf: „Das ist eine richtig teure Designertasche, eine Gucci, die kostet mindestens 700 Euro!“
„Oh!“,