Schlampe, Opfer, Schwein.. Norma Rank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norma Rank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847691389
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oder einem Wochenendeinsatz.

      Ich saß mit einer zu vernachlässigenden Bettgeschichte übermüdet in einem Frühstückscafé. Frank Sinatras „My Way“ hallte etwas zu laut aus den Lautsprechern, während ich unbefriedigt an meinem heißen Kakao schlürfte und darüber nachdachte, was Mark wohl in diesem Moment machte. Claudius – ein Esoteriker vor dem Herrn – vermochte zwar mit Hilfe des Tarots bahnbrechende Zukunftsprognosen abzugeben, aber einer Frau Genuss zu verschaffen gehörte definitiv nicht zu seinen Fähigkeiten. Glücklicherweise bemerkte er nicht, wie abwesend ich war.

      „Zu essen?“ erkundigte sich eine dralle Blondine in reiferen Jahren, die mit Sicherheit auch schon mal bessere Zeiten erlebt hatte. Den ranzigen Geruch von abgestandenem Fett in der Nase, orderte ich unentschlossen ein Müsli mit frischen Früchten, während ich überlegte, was ich hier eigentlich wollte.

      „Sonst nichts, Chérie?“ fragte Claudius nonchalant. Scheinbar erinnerten ihn die quietschenden Holzstühle an das gute alte Frankreich, das er gar nicht kannte. Mit fahlem Geschmack im Mund (ich sehnte mich nach meiner Zahnbürste, die leider unberührt in meinem Appartement lag) schüttelte ich nur unwirsch den Kopf. Er bestellte sich zwei Eier im Glas – ein durchaus witziger Aspekt – und Toast. Schweigend sah ich mich um. Die wenigen Gäste waren ausnahmslos Paare, turtelten miteinander und hielten Händchen. Als mein Blick auf Claudius fiel, konnte ich außer seinen Falten im Gesicht, die bestätigten, dass er viel zu alt für mich war, nichts erkennen. Oder doch: Seine tiefblauen Augen, die stets funkelten und mich in sein Bett gelockt hatten.

      Um nur irgendetwas von mir zu geben, teilte ich ihm mit, was mir gerade durch den Kopf ging: „Dann habe ich wohl heute frei!“

      Lüstern lächelte er mir zu. Die Worte standen noch im Raum, als mein Handy zu läuten begann. Um meinem Gegenüber (aus dessen Bett ich gerade kam) nicht unhöflich zu begegnen, versuchte ich, mir meine Freude darüber nicht anmerken zu lassen, dass Mark an der Leitung war.

      Er hatte tatsächlich angerufen! Natürlich gab es einen jobbedingten Hintergrund, aber er hatte nicht die Nummer eines Kollegen gewählt, sondern meine! Dass auf der Praterinsel am Laufsteg noch ein Logo fehlte, war nebensächlich. Er brauchte meine Hilfe, und ich nahm das als Kompliment. Selbst der Umstand, dass man mich an meinem freien Tag zum Dienst beorderte, schmälerte meine Begeisterung nicht, und wir verabredeten uns in einer Stunde im Büro (Zahnbürste hin, Zahnbürste her).

      Claudius sah mich fragend an, hatte er doch das breite Grinsen in meinem Gesicht sofort erkannt und richtig gedeutet, auch ohne seine Karten zu Rate zu ziehen. So suchte ich gar nicht weiter nach Erklärungen, sondern dankte ihm für die wunderbare Nacht, gab ihm widerwillig einen Kuss und stürmte, ohne etwas gegessen zu haben, aus dem Café.

      Der Tag war warm und sonnig, ganz meiner Stimmung entsprechend, und die Reifen von meinem kleinen Fiat quietschten, so rasant fuhr ich durch die Stadt. Ich parkte nur wenige Meter vor der Firma, stieg beschwingt aus dem Auto und sperrte die Tür auf (in diesen Tagen hatte jeder der Mitarbeiter einen Schlüssel).

      Da ich vor Mark ankam, war ich bereits dabei, die Pläne und Farbfächer einzusammeln, als er hereinkam. Auch ihm schien es nichts auszumachen, seinen freien Tag mit mir zu verbringen. Die Atmosphäre war allerdings wider Erwarten eine andere als gewöhnlich. Lag das daran, dass wir erstmalig ganz alleine waren, oder merkte man mir etwa an, wie ich die Nacht verbracht hatte?

      Um Unsicherheiten zu überspielen, flachste ich albern herum, obwohl ich dabei peinlich genau darauf achtete, nicht zu überschwänglich zu wirken. Ich kam mir vor wie ein Teenager, bei dem es zum ersten Mal ans „Eingemachte“ ging.

      Eine eigenartige Spannung lag in der Luft, die mich zwar nervös machte, aber nicht unangenehm war. Ein aufregendes und fremdes Gefühl beschlich mich, das durch seine Art, wie er mich anschaute, noch verstärkt wurde. Er sah in mir definitiv kein Neutrum mehr, sondern eine weibliche Person, die ihm gefiel. Durch ihn wurde ich zu etwas Besonderem, und das war ein einzigartiges Erlebnis! (Zu blöd, dass wir Frauen dazu einen Mann brauchen! Ich sollte dringend einen Therapeuten aufsuchen!)

      Aber zurück zum Thema: Wir hatten alle nötigen Unterlagen zusammen, und Mark stand bereits im Hausgang. Er dachte einen Moment lang nach. Dann schien er sich einen Ruck zu geben und fragte: „Hast du auch wirklich Lust, mich auf die Insel zu begleiten?“

      „Warum?“ Wieder einmal überrumpelt, wünschte ich das Gesagte zurücknehmen zu können. (Klar, hurra, lass uns fahren, wollte ich schreien!)

      „Nun ja, ich könnte deine Hilfe wirklich gut brauchen!“ Seiner Stimme nach hatte ich ihn verunsichert – ich Schaf.

      Derweil schaltete sich auch meine vordere rechte Hirnhälfte wieder ein, die ad hoc eine kleine Pause eingelegt hatte. Ich zeigte mich spontan, aber nicht überschwänglich, schien abzuwägen, wirkte besonnen. Dass Mark auch ohne mich ein Logo anbringen konnte, war uns beiden klar, also musste er auf meine Gesellschaft Wert legen.

      „Natürlich bin ich dabei – ist doch Ehrensache!“ antwortete ich zwar schneller als geplant, aber nicht ohne Bedacht. Das Zusammensein mit Mark würde die vergangene Nacht ganz klar um Längen übertreffen – Tarot hin oder her, dennoch hatte ich Bedenken.

      Wir liefen nebeneinander die Straße entlang, als ich es nicht mehr aushielt: „Meinst du, es ist für deine Frau in Ordnung, wenn ich in eurem Wagen mitfahre?“ Da wir rein beruflich etwas zu erledigen hatten keine besonders logische Frage.

      Mark erwiderte nur schulterzuckend, dass dieses Auto seines sei und sie ihr eigenes habe. Also gingen wir zu dem schwarzen Buick und fuhren los. Was für ein Schlitten! Es beängstigte mich, ihm räumlich so nahe zu sein, dennoch konnte ich nicht sagen, was ich mehr genoss: seine Gegenwart oder die Anzahl der PS unter meinem Sitz.

      Gesprächsthemen zu finden, erwies sich als relativ schwierig, da wir beide nicht genau wussten, warum ich jetzt eigentlich hier war. Und selbst Mark wirkte ausnahmsweise ein wenig verklemmt.

      „Schön, dass ich nicht alleine fahren muss“, startete Mark den Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen.

      „Ja, finde ich auch.“

      „Das Wetter ist echt super heute!“

      „Ja, finde ich auch.“

      „Weit ist es ja nicht!“

      „Ja, das stimmt.“ Scheiße, den Rhetorik-Kurs hatte ich wohl in dieser Woche verpasst. Man kann sich aber auch dumm anstellen. Jedes Muli wäre gewitzter gewesen!

      Gottlob war die Strecke nicht besonders lang, und eine Viertelstunde später stiegen wir bereits wieder aus dem Wagen.

      Auf dem Gelände der „in fashion munich“ angekommen, kam uns bald die stets hektische Gerlinde entgegen. Offenbar schlitterte sie nur knapp an einem Nervenzusammenbruch vorbei. An ein „Hallo“ oder „Schön, dass ihr da seid“ kann ich mich nicht erinnern, wohl aber an den Satz, der irgendwann zwischen einem beeindruckenden Redeschwall unverhofft daherkam: „Na, das war ja klar, dass der werte Herr Engel nicht alleine erscheint, sondern sein kleines Hündchen mit dabei hat!“ Patsch – aber so war sie, die Gute. Sie warf einem eine beiläufige Bemerkung, einen Nebensatz hin, der nachhaltig dafür sorgte, dass die Stimmung den Bach runterging und man sich ebenso beleidigt wie schuldig fühlte.

      Mark grinste nur amüsiert und zwinkerte mir belustigt zu. Ich nahm das nicht ganz so gelassen auf, denn damit stand für mich eindeutig fest: Gerlinde vermutete, dass irgendetwas zwischen uns lief, und das war nun tatsächlich das Letzte, was ich brauchte – von der Unverschämtheit ihrer Formulierung mal abgesehen. Sie brachte mich damit nicht nur in Verlegenheit, sondern gab mir gleichzeitig das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun und mich erklären zu müssen, obwohl dazu keinerlei Anlass bestand und es sie obendrein einen feuchten Kehricht anging. Aber sie vom Gegenteil zu überzeugen war der Mühe nicht wert, denn hatte sie ein Urteil gefällt, gab es daran nichts mehr zu rütteln.

      Ich stand somit einfach nur da und suchte nach dem nächsten Mauseloch. Jetzt kapierte ich auch, warum meine Abteilung sich jüngst so komisch benahm und die Stimmung so leicht kippte. Die seltsamen Ansätze von Unzufriedenheit, die ich mir nicht hatte erklären