Schlampe, Opfer, Schwein.. Norma Rank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norma Rank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847691389
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oft, ob sie vor der Menopause genießbarer gewesen war.

      Warum Mark so mit ihr umspringen durfte, wie er es tat, lag daran, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit teilten: Sie hatten bereits früher zusammen bei einem Messebauer gearbeitet.

      Der Geschäftsführer dort war ein Arschloch, wie es im Buche steht, denn er liebte es, das weibliche Personal zu schikanieren. Seine cholerische Art hatte ihm in seiner Jugend bereits einen Knast-Aufenthalt beschert, der seine schlagkräftige Natur erst richtig zum Vorschein brachte.

      Eines schönen Tages – sein Kopf hochrot, die Backen gebläht, der Puls rasend – verlor er seine Selbstbeherrschung gänzlich. Und genau das bekam Frau Sackser hautnah mit, als ihr der Chef in der Tiefgarage eine gewaltige Ohrfeige verpasste, nur weil sie versehentlich sein Auto gerammt hatte. Keiner vermag zu sagen, was noch passiert wäre, wenn Mark nicht just in diesem Moment ebenfalls beschlossen hätte, Feierabend zu machen.

      Mark sah die Rangelei, durchschaute den Sachverhalt in Sekunden, war sich dessen bewusst, dass die Gefahr noch nicht gebannt war, und positionierte sich ohne zu zögern schützend zwischen dem Angreifer und Gerlinde. Es kam zu einer Anzeige, einer Gerichtsverhandlung und infolgedessen zu einer Geschäftsaufgabe. Mark, der als Zeuge auftrat, trug seinen Teil dazu bei, dass die Richter nicht allzu milde urteilten.

      Im direkten Anschluss an den unliebsamen Vorfall nahm er die heulende Kollegin jedoch erst mal mit zum Bowling, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Und wie es der Teufel will, verliebte sich diese noch am gleichen Abend in Marks besten Freund Karl. Um es kurz zu machen: Karl war von Frau Sackser hingerissen, sodass zwei Jahre später bereits eine Hochzeit folgte. Der Erstgeborene kam einen Monat darauf zur Welt, und man machte Mark postwendend zum Taufpaten.

      Gerlinde hatte all das nie vergessen (was man ihr wiederum zugute halten musste), weshalb ihre Sympathie Mark gegenüber ungebrochen blieb, egal was geschah. Treu und loyal holte sie ihn vor einiger Zeit aus einer geschäftlichen Misere direkt in ihre Firma, obwohl dieser eigentlich Architektur studiert hatte und damit als Quereinsteiger galt. Seither wurde nachgemault, sich gestritten und kamerareif wieder versöhnt, aber beide wussten mit Gewissheit, dass sie sich im Ernstfall aufeinander verlassen konnten.

      Natürlich waren nicht nur Obrigkeiten in der Liebigstraße zugange, sondern auch eine Reihe von Mitarbeitern, die auf meiner Ebene schwammen, und es wäre unfair, diese unerwähnt zu lassen: Zu viert teilten wir uns einen Raum, der sich „Planungsvorstufe“ nannte.

      Da gab es Felix (32), der sieben Tage nach mir bei „K-Messe“ angefangen hatte und deswegen mit seiner eigenen Situation beschäftigt war, denn alles zu beschnuppern und sein Revier zu bepinkeln, erfordert höchste Konzentration. Er gliederte sich problemlos ein und zeigte sich offen für Gespräche, solange diese kritiklos mit seiner Person umgingen. Wir etikettierten ihn heimlich mit Sparfuchs, denn er liebte es, mit seinem Geld zu geizen. In der Kantine einen Block weiter, niemand sonst würde dort einen Bissen runterkriegen, handelte er mit Vorliebe an der Kasse, und wenn er einen extra Knödel gratis abstaubte, war er mit sich und der Welt zufrieden. Er lebte ganz nach dem Prinzip „Nehmen ist besser als geben“ und fühlte sich damit pudelwohl.

      Dann war da noch Anton (28), der sich in seiner Freizeit als exhibitionistischer Performancekünstler behauptete. Aufführungen, bei denen man nackt durch winterliche Minusgrade im Schnee um die Bavaria auf der Theresienwiese herumhüpfte, gehörten zu seinem außergewöhnlichen Repertoire. Gleichermaßen philosophisch wie in sich gekehrt, konnte man seine Absichten meist nur erahnen, was die Kommunikation mit ihm manchmal etwas schwierig gestaltete und Missverständnisse nicht ausschloss. Dennoch kamen wir bestens miteinander aus.

      Zu meiner Anfangszeit war jedoch hauptsächlich Reimund (30) mein Ansprechpartner. Er unterstützte mich nach Kräften und wurde damit praktisch zu meinem Mentor. Auch wenn Reimund launisch sein konnte, habe ich doch viel von ihm gelernt. Seine Kompetenz sicherte ihm einen Stellenwert in der Firma, dem selbst seine ungepflegte Erscheinung nichts anhaben konnte. Einen Haarschnitt benötigte er nicht, und seine Klamotten waren stets zerknittert. Die Löcher in seiner verlotterten Kleidung hatte ich irgendwann aufgehört zu zählen. Auch Körpergerüche kümmerten ihn wenig. Sein Geschmack beschränkte sich rein auf die Arbeit, sein Aussehen war ihm egal. Wen störten schon Oberflächlichkeiten wie zwei gleiche Socken? Und weshalb sollte man einen Pulli nicht auch mal verkehrt herum tragen?

      Es handelte sich im Großen und Ganzen um einen recht lustigen Haufen mit den unterschiedlichsten Charakteren. Wir hatten Spaß, flachsten gelegentlich albern herum und nahmen uns gegenseitig gerne auf die Schippe. Langweilig wurde es nie, und ich freute mich darüber, dass man mich akzeptierte.

      Unstimmigkeiten nahm ich mir sehr zu Herzen. Und meine genetisch bedingte Harmoniesucht, die ich von meiner Mom übernommen hatte, machte es auch den Anderen oft nicht leicht. Es war mir enorm wichtig, dass wir uns alle gut verstanden, und – aufgrund meiner weiblichen Veranlagung – wollte ich grundsätzlich alles bis ins kleinste Detail ausdiskutieren. Damit biss ich jedoch bei meinen „Jungs“ meist gehörig auf Granit. Wir sprechen hier schließlich über drei Männer. Aber das machte nichts, denn auch in dieser Hinsicht waren sie hervorragende Lehrmeister fürs Leben.

      Mein tägliches Highlight hieß jedoch nach wie vor unumstritten Mark, und die Augenblicke, die ich an seinem Schreibtisch hockte, wurden länger.

      Er begleitete mich neuerdings, wenn ich mittags zum Bäcker ging, und auch die Zigarettenpausen verbrachte ich nicht mehr alleine in der Küche, sondern immer öfter in seinem Büro.

      Ich scheiterte zwar kläglich daran, mein verdorbenes Gedankengut einzubremsen, dennoch flirtete ich nicht und verhielt mich weitestgehend diskret, obwohl ich innerlich danach lechzte, mich unschicklich auf seinem Schoß zu räkeln. Aber einen Quickie in der Besenkammer à la Boris Becker würde es nicht geben.

      Die Gespräche, die meist ganz gewöhnlich mit der Frage „Wie geht's?“ begannen, waren ein Mix aus Trivialität und Tiefgang. Wir unterhielten uns wie Freunde, ließen immer mehr Substanz zu, und ich erfuhr, dass er tatsächlich 35 Jahre alt war. Ich hatte also mit meiner Schätzung gar nicht so daneben gelegen und hielt den Altersunterschied zwischen uns durchaus für vertretbar.

      Bedauerlicherweise kristallisierte sich jedoch schon bald heraus, dass ich Marks Gegenwart augenscheinlich nicht ganz so unbemerkt genoss, wie ich gedacht hatte. Zweifelsfrei erahnte der Rest der Abteilung, dass hier etwas im Gange war ohne genau zu wissen was. Aber wie auch? Ich kapierte ja selbst kaum, was genau geschah. Es schlichen sich unerwünschte Begleiterscheinungen ein, die in Form von Neid und Missgunst zutage traten. Unterschwellige Bemerkungen über mich oder meinen „Sonderstatus“ häuften sich, wodurch das bisher so angenehme Klima ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde.

      Doch während ich mich bei meinen Kollegen rege ins Zeug legte, um die Wogen wieder zu glätten und Vorbehalte auszuräumen, veränderte sich mein Umgang mit der sprunghaft gelaunten Frau Sackser in eine ganz andere Richtung: Ich gewann ihr gegenüber an Selbstvertrauen und nahm nicht mehr jede ihrer Attacken persönlich.

      Je mehr ich mich Mark verbunden fühlte, desto mehr vertraute ich ihm. Er würde mich beschützen, wenn es hart auf hart kam, und nicht zulassen, dass man mir ernstlich schadete. Neben ihm konnte mir niemand etwas anhaben – glaubte ich jedenfalls.

      Wir suchten nach Gemeinsamkeiten, und wir fanden sie. So hatten wir gleichermaßen eine Schwäche für Schokolade, Horrorfilme, Musicals und geschichtliche Romane, konnten aber dafür Freibäder, Gesellschaftsspiele und griechisches Essen nicht ausstehen.

      Ich erinnere mich an zwei Wochen, in denen wir partout das Rauchen aufhören wollten. Wir hatten – unabhängig voneinander – einen Bericht im Fernsehen gesehen, der darüber aufklärte, wie schädlich Nikotin und Teer waren. Als hätten wir vorher noch nie davon gehört, erkannten wir urplötzlich das Risiko, das von den verfluchten Glimmstängeln ausging, die uns abhängig machten.

      Gesund zu leben wurde für uns ab sofort zur fixen Idee. Symbolisch bröselten wir Seite an Seite unsere letzte Zigarette in die Toilette und schmissen den Filter in den Abfall. Jeden Morgen empfingen wir uns gespannt mit der Frage: „Und, hast du durchgehalten?“, worauf beiderseits ein stolzes Nicken