Schlampe, Opfer, Schwein.. Norma Rank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norma Rank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847691389
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Engagement, mit dem wir uns auf der Insel geschlossen in die Arbeit gestürzt hatten, war ursprünglich, beinahe „therapeutisch wertvoll“ für das Team gewesen, doch ganz offensichtlich waren die Pausen mit Mark und unsere Bemühungen, dem Anderen ständig über den Weg zu laufen, nicht ganz unbemerkt geblieben. Abgesehen davon hatte ich natürlich wenig Einfluss auf Gerlindes böse Zunge, die mit ihren Unterstellungen selten hinterm Berg hielt. Fuck!

      Wir brachten das verdammte Logo an, dann fuhr Mark mich zurück zu meinem Wagen. Der Tag hatte schön begonnen, jetzt aber kämpfte ich mit den Tränen und kaute noch immer an Gerlindes Worten. Wieder daheim strengte ich meine Gehirnzellen an und wog ab, was das alles konkret zu bedeuten hatte. Wenn die Kollegen neidisch auf mich reagierten, dann vielleicht deshalb, weil ich wirklich etwas tat, was nicht in Ordnung war?

      Was sollte das alles? Wie weit wollte ich eigentlich gehen? Und warum nahm Mark mich gedanklich so in Beschlag? Wieso freute es mich, wenn ich merkte, dass auch er sich mehr und mehr für mich erwärmte? Und das, obwohl das Ganze mit uns vollkommen sinnlos und ohne Zukunft war? Wäre ich im Stande, eine Ehe zu gefährden? Würde ich das Risiko eingehen, dass mehr zwischen uns lief?

      Erschrocken stellte ich fest, dass ich mich von den Schlampen, wie ich Frauen heimlich nannte, die sich auch bei verheirateten Männern nicht zurückhielten, kaum noch unterschied. Klar, es spielte sich vieles in meiner Fantasie ab, aber war das besser? War ich vielleicht doch so etwas wie eine Schlampe?

      Als am Sonntag dann endlich die Messe für Besucher geöffnet wurde, war ich natürlich da – mit Marion zusammen – und schaute mir Helgas Lauf an. Voyeuristisch und leidensfähig. Schlampe hin, Schlampe her!

      Das schoss mich ja so was von ins Aus! Ich kam mir beinahe schäbig vor, sah ich doch eine Frau, mit perfektem Make-up und keinem Gramm zu viel auf den Hüften, in Klamotten, die ich mir in diesem Leben mit Sicherheit nie würde leisten können, über den Catwalk laufen. Und genau diese Person teilte mit Mark das Bett! Ihre Internetseite hatte also nicht gelogen. Kein Grafiker hatte sich an ihren Fotos verkünstelt, sie war echt! Und wunderschön!

      Mir reichte es, noch bevor ich Mark in den Menschenmassen ausfindig machte. Denn auf das Bild, wie er mit der Tochter an der Hand der Mama applaudierte, konnte ich gut und gerne verzichten. Schon alleine bei dem Gedanken wurde mir speiübel. Und wer weiß, am Ende würde er uns noch miteinander bekanntmachen und mir nichtsahnend den Todesstoß verpassen! Bloß weg hier!

      Also log ich Marion vor, dass ich meine Tage inklusive Bauchkrämpfen hätte und sich gleichzeitig ein Migräneanfall ankündigte. Es tat mir leid, ihr gegenüber nicht ehrlich sein zu können. Aber was sollte ich sagen? Dass es mir das Herz brach, Helga und Mark auf einem Fleck zu sehen? Nö! Ausgeschlossen!

      Ich hatte genug von allem, was mit Mode zusammenhing, ich wollte nur noch weg. Dafür also hatte ich die letzten Wochen geackert, dass ich das Spektakel bereits nach fünfundzwanzig Minuten wieder fluchtartig verließ!

      Wachgerüttelt durch Gerlindes spontane Aussage, sperrte ich von nun an in der Firma Augen und Ohren auf. Und siehe da, man zog sich mir gegenüber tatsächlich merklich zurück. Das war hart. Über Marion, die mich informierte, sobald sie etwas Neues hörte, erfuhr ich, dass meine Kollegen sich über mich mokierten und in mir nur noch Marks „Günstling“ sahen. Nicht dass sie mich darauf angesprochen hätten, nein, denn was man in dieser Firma erfuhr, enthielt meist den Nebensatz „Sag's aber bitte nicht weiter!“ und kam nie von der Person, die die Aussage getroffen hatte.

      Mein Gewissen plagte mich, da Marion mir zu vertrauen schien und sich sehr loyal verhielt, während ich umgekehrt nicht preisgeben konnte, was Mark mir bedeutete. Arglos hielt sie das Gerede der Kollegen für völlig absurd und stellte sich auf meine Seite. Gerne hätte ich sie eingeweiht und mit ihr über meine Gefühle Mark gegenüber gesprochen, aber das war nun wirklich ausgeschlossen. Leider.

      Es wurde demnach immer komplizierter, und Mark musste bezüglich der Anfeindungen meines Teams ganze Arbeit leisten, mich immer wieder zu besänftigen.

      „Ist doch alles ganz normal!“ Sein Versuch, mich zu beruhigen, lief ins Leere. Durch mein mürrisches „Hm“ angestachelt, redete er mir munter weiter gut zu.

      „Sei doch nicht so empfindlich, du kleine Krampfhenne, das braucht dich doch gar nicht weiter zu kümmern.“ Geht’s noch? Aber klar, ihm zollte die Bagage ja weiterhin den Respekt, den er verdiente.

      „Sieh mal, wahrscheinlich wärst du auch neidisch, wenn ich einen der anderen am Samstag mitgenommen hätte.“ Jetzt reichte es! Mich so zu durchschauen, war wirklich nicht fair! Wie peinlich! Ich schnappte mit hochrotem Kopf nach Luft, doch Mark winkte lächelnd ab.

      „Das legt sich schon wieder, keine Panik!“ Meine Reaktion hatte seinem Ego geschmeichelt, und damit war das Thema für ihn vom Tisch. Zwar verstand er mein Dilemma, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass es hier rein um den Job gehe und nicht um Sympathien. Sicherlich war das von der Aussage her absolut richtig, die Haltung der anderen verletzte mich aber dennoch.

      Auf diesem Weg lernte ich, dass es im Berufsleben einfach anders zuging als im privaten Umfeld, und Lernen tut meistens ein klein wenig weh. Ich musste mich von der Vorstellung, dass wir alle zusammengehörten, und von der „Einer-für-alle-alle-für-einen-Illusion“ verabschieden. Damit fühlte ich mich bei „K-Messe“ plötzlich sehr einsam. Enttäuscht von meiner Abteilung und misstrauisch gegenüber Frau Sackser, verließ ich mich noch mehr auf Mark. Er war der Einzige (neben Marion), der mir ehrlich erschien.

      Wir gingen jetzt des Öfteren mittags zum Essen, einfach nur, um allein und ungestört zu sein. Gerne saßen wir auch bei schönem Wetter nebeneinander auf einer Bank an der Isar. Das hatte schon fast etwas Romantisches. Er war mir nicht mehr fremd! Es gab viel zu lachen, aber auch tiefe Momente, die Gegenstand unserer Unterredungen wurden.

      Einer seiner Lieblingssätze lautete: „Manchmal frage ich mich, warum wir leben und was das alles für einen Sinn macht.“ Darauf gab es zwei Antworten – beide richtig. Mit der einen trat ich weise und welterfahren auf: „Wir sind da, um zu lernen, um Anderen zu helfen und an schlimmen Erlebnissen zu wachsen.“ Was zwar meiner tiefsten Überzeugung entsprach, sich aber doch päpstlicher anhörte als der Papst.

      Mit solch einem Satz lockte man keinen Hund hinter dem Ofen hervor, man trieb ihn stattdessen erst dahinter – und das auf direktem Wege, ohne vorher über Los zu gehen! Daher schüttelte ich schnell die zweite Antwort aus dem Ärmel: „Na gut, wir leben nur, um viel zu arbeiten und unseren Vorgesetzten den Hintern sauber zu halten!“

      Ich fragte mich oft, was passieren würde, wenn Mark ein wenig ernsthafter darüber nachdenken würde, wie nahe das mittlerweile der Wahrheit kam. Ich polierte ihm zwar nicht das Sitzfleisch, aber viel fehlte dazu nicht. Denn ich tat fast alles, um es ihm irgendwie recht zu machen, und wahrscheinlich hätte ich dazu auch mit Vergnügen seinen Popo blank geleckt, wenn man mich darum gebeten hätte. Aber mit genügend Selbstironie kann man von sich geben, was man will, ohne dass der Andere einem auf die Schliche kommt. Ein deprimierender Aspekt, diese Narrenfreiheit.

      Wir redeten über Gott und die Welt, erzählten Anekdoten aus unserem Leben und sprachen auch ab und an über Helga – allerdings nur sehr selten. Nie beschwerte er sich oder drückte in irgendeiner Weise Unmut über seine Situation aus, es klang alles recht normal und stressfrei.

      Dennoch hatte es den Anschein, als könnte Mark einfach nicht glücklich sein. Sicher, wer war das schon ständig und ohne die Hilfe von stimmungsaufhellenden Drogen, aber bei ihm schien die Kluft zwischen Freude und Leid beizeiten extrem tief.

      Schwarz oder weiß, gut oder schlecht waren seine Stimmungen, dazwischen gab es nichts. Der einsame schwarze Ritter am Rande des Abgrunds, ein Künstler-Klischee, das offenbar auch auf Architekten zutraf. Oder war die Mitleidstour nur eine Masche, um meine soziale Ader zu bedienen? Egal – ich wollte ihn am liebsten in die Arme schließen, um ihn zu trösten! Und: Ich nahm es als Kompliment, dass er mir erlaubte, auch diese Seite an ihm kennen zu lernen.

      Im Zustand der Schwermütigkeit plagten ihn meistens heftige Schmerzen in der linken Schulter. Diese traten aber nur dann auf, wenn er versuchte,