Schlampe, Opfer, Schwein.. Norma Rank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norma Rank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847691389
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      Ich wagte es nicht einmal, seine Aussagen für bare Münze zu nehmen, denn auch ich spürte die offensichtliche Gefahr, in welche ich mich durch meine wachsende Sympathie zu Mark begab. Es lag zwar auf der Hand, dass es an der Zeit gewesen wäre, vorsichtig zu werden, doch ich war mir selbst gegenüber nicht ehrlich genug, um das auch in aller Deutlichkeit zu erkennen. Eines wusste ich jedoch sehr genau: Je weniger ich meine Gefühle unter Kontrolle hielt, desto mehr würde ich leiden. So beschloss ich, mich auf ein Treffen mit Sanchos einzulassen, und sagte zu, beim nächsten Auftritt der Band dabei zu sein.

      Zu meinem eigenen Schutz gedacht, sollte Sanchos mich ruhig etwas von meiner Teenie-mäßigen Begeisterung gegenüber Mark ablenken. „Vielleicht gefällt er mir ja“, dachte ich, ohne wirklich daran zu glauben. Und hätte ich endlich einen Partner vorzuweisen, wäre unweigerlich wieder ein Stückchen Distanz zwischen uns gewonnen.

      Ich versuchte also, die Begeisterung, meinen „Chef“ in Kürze auf der Bühne erleben zu dürfen, gezielt auf den mir noch unbekannten Sanchos umzuleiten, was grundsätzlich ganz gut klappte. So erzählte ich jedem, der es nicht hören wollte, von dem bevorstehenden Blind-Date mit einem rassigen Spanier, bis ich selbst anfing zu glauben, dass es einzig und allein darum ging, und meine Pinocchio-Nase wieder auf ihre normale Größe zurückschrumpfte.

      Bei Mark verhielt es sich nicht anders. Wir sprachen wieder mehr darüber, wie spannend dieses Treffen werden würde, und weniger über uns. Daran gab es gar nichts auszusetzen, aber insgeheim freuten wir uns beide auf einen gemeinsamen Abend im „Schlachthof“ – der Club, in dem der Auftritt stattfand.

      Stundenlanges Nachdenken über Klamotten, Make-up und Haare machte mich, als der große Tag endlich gekommen war, wirklich fertig. Was war sexy, aber nicht billig? Welche Farbe stand mir gut? Frisur lieber so oder anders? Eine Katastrophe. Jedes Mal wieder überlegte ich mir, warum Frauen das alles auf sich nehmen – na ja, selber schuld!

      Entschieden habe ich mich dann für eine kirschrote Lackhose mit Schlag, für die man eigentlich einen Waffenschein bräuchte, und ein bauchfreies Top. Das Oberteil war zwar schwarz und damit von der Farbe her eher dezent, hatte aber gerade mal ein paar Zentimeter mehr Stoff als der darunter rot vorblitzende BH. Die „Plastikhose“ umschloss meine Beine wie eine zweite Haut und setzte meinen Hintern perfekt in Szene. Mit dem passenden Lippenstift haute dieses Outfit ziemlich rein, aber ich hatte mir beim Schminken bereits ein Glas Prosecco genehmigt, daher sah ich das nicht ganz so eng. Und mit einem Körper, den ich eher als burschikos beschreiben würde – wir reden über Körbchengröße A – kann man sich Manches durchaus leisten, was mit einer Rubensfigur längst nuttig ausgesehen hätte. Damit will ich sagen, dass es sehr wohl Frauen gibt, die von Natur aus Weiblichkeit verkörpern, ich hingegen bekam das nur über Klamotten hin. Und bei deren Auswahl hatte ich nicht an Sanchos gedacht.

      Da ich außerdem recht klein war, schlüpfte ich zum Abschluss in meine neueste Errungenschaft: Klassische Pumps mit einem 15 Zentimeter hohen Absatz. Ein Blick in den Spiegel, und los ging es.

      Mark und ich waren um 21:00 Uhr verabredet. Sowohl beim Türsteher als auch an der Kasse nannte ich meinen Namen, und da ich auf der Gästeliste stand, winkte man mich ohne Probleme durch.

      Die „Cultures“ planten, um 22:00 Uhr loszulegen, und der „Schlachthof“ war schon gut gefüllt. Menschen aller Altersklassen warteten darauf, dass es los ging, wollten feiern und tanzen. Die Band versprach eine Mischung aus Rock 'n' Roll und Cowpunk, wofür die Location prädestiniert war. Ich war auch vorher schon öfters dort gewesen und mochte das Ambiente sehr. Das Publikum trank sich bereits fleißig in Laune, aber das gehörte zu der Musik und dem stets unterschätzten Münchener Nachtleben ebenso dazu wie die Butter aufs Brot.

      Angestrengt versuchte ich, unter den Massen meinen Drummer zu erspähen. (Fehler! War ich nicht wegen Sanchos hier? Es ist so eine Sache mit dem Selbstbetrug, wenn dieser nicht lückenlos funktioniert!) Und während mir ein Typ mit Glatze Feuer gab – damals durfte noch geraucht werden –, erspähte ich ihn: Er unterhielt sich mit einem Pärchen am anderen Ende des Saales.

      Würde Helga heute Abend ebenfalls hier sein? Da fiel mir ein, dass Mark erwähnt hatte, dass diese sich mit der kleinen Ramona bei „Wetten dass?“ und Tiefkühlpizza einen Frauenabend gönnen wollte. Wie konnte man Thomas Gottschalk einem Mark Engel vorziehen? Na ja, ihre Sache! Zumindest würde so ein Zusammentreffen wohl eher ausbleiben, womit ich kein Problem hatte.

      Aber mir blieb sowieso keine Zeit, weiter zu grübeln, denn in diesem Moment kam eine knackig schwarze Lederhose lässig schlendernd mit einem Bier in der Hand auf mich zu. Ein freizügiges Muskelshirt – ebenfalls schwarz – gestattete mir freundlicherweise den unverblümten Blick auf zwei atemberaubend muskulöse Oberarme, wie eben nur ein Schlagzeuger sie haben kann. Mir fiel selbst auf, dass ich einem Hund mit zu langen Lefzen ähnelte, denn der Sabber tropfte mir in kleinen Rinnsalen aus dem offen stehenden Mund!

      Ich denke, es ist überflüssig zu erwähnen, dass ich an Mark Gefallen gefunden hatte, als Chef, als Abteilungsleiter, als Mensch, als Freund, aber – leider Gottes – eben auch als Mann. Und gerade unter dem Aspekt hätte ich mir diesen Abend wirklich sparen müssen, denn allein seine Gegenwart haute mich einfach um!

      Er sah so unverschämt gut aus! Ein Leckerchen sondergleichen! Es kam mir vor, als würde ein überdimensional großes Neonschild über seinem Cowboyhut aus Filz hängen, auf dem mich blinkende Buchstaben zu Taten aufforderten. „Hin und mit!“, schrien sie mich an, plärrte es in mir drinnen und hechelte mein roter Büstenhalter. Bitte, gebt mir Valium! Gebt mir irgendwas!

      „Hallo“, nuschelte ich geistreich und in der Hoffnung, dass ihm meine Beklommenheit verborgen blieb.

      „Was sagst du?“ Zugegeben, die Geräuschkulisse hatte es in sich, aber war es allen Ernstes nötig, sich so nah zu mir herunterzubeugen, damit ich auch noch unweigerlich eine Kostprobe seines Aftershaves in die Nase bekam? Ich tippte auf „Attitude“ von Giorgio Armani oder war es doch eher „CK be“ von Calvin Klein?

      „Kuckuck! Erde an Norma!“ Oh nein, auch das noch!

      „Hallo! Ich ..., äh ..., ich sagte ‚Hallo‘!“ Dieses Mal artikulierte ich mich etwas lauter, sodass Mark sich aufrichtete und mir damit ermöglichte, wieder frei zu atmen.

      „Ich habe dich schon überall gesucht!“ War das nun gut oder schlecht?

      Um ein charmantes Lächeln bemüht, zeigte ich meine frisch geputzten Zähne – Dr. Best lässt grüßen!

      „Schön, dass du da bist“, fügte er hinzu, und meine Welt drehte sich plötzlich einen Gang zu schnell.

      Meine Hände zitterten, und ich fühlte mich ihm verbunden wie nie. Wie war das möglich? Es war beschlossene Sache, dass dieser Mann nicht in Frage kam, weshalb also hüpfte mein Herz, als wollte es einen Rekord aufstellen?

      „Ja, ich freu mich auch richtig, hier zu sein!“ Gekonnt blickte ich ihm von unten herauf tief in die braunen Augen, was bei dem enormen Größenunterschied wahrlich kein Kunststück war. Unser Lächeln hing ebenso in der Luft wie die Hitze des noch hell erleuchteten Saales. Die leise Hintergrundmusik nahm ich kaum wahr. Überall standen Leute herum, warteten darauf, dass es losging, und unterhielten sich angeregt – ich bemerkte sie kaum. In Marks Bann gezogen, standen meine Uhren still. „Hat dich die Kassiererin durchgelassen?“, wollte dieser wissen.

      Fragend starrte ich ihn an und brach dann in ein völlig übertriebenes Gelächter aus, das allerdings unglaublich befreiend wirkte.

      „Wäre ich sonst hier?“, fragte ich etwas gelöster und so leise wie möglich zurück – vielleicht hatte ich Glück, und er würde sich ein weiteres Mal zu mir herabbeugen. Aber Mark, der verstanden hatte, grinste nur und winkte ab.

      „Hast ja recht“, pflichtete er mir bei. „Aber jetzt muss ich leider los, besuch mich doch einfach nachher in der Pause. Die Garderobe ist da vorne!“ Sein Arm zeigte in Richtung Bühne. Links daneben befand sich ein Vorhang, der die Tür zu den heiligen Hallen verdeckte. Dann drückte er mir seine angebrochene Bierflasche in die Hand und verschwand, um sich für den Auftritt vorzubereiten.