MOLINOS MERENDA. Gela La Vigna. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gela La Vigna
Издательство: Bookwire
Серия: Dolcedo Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777676
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was das Wichtigste in ihrem Leben war, wäre sie nicht hier in diesem sogenannten Selbsterfahrungskurs. Sie hielt an der ersten Ponte inne und blickte auf das Wasser. Es hatte eine unglaubliche Dynamik, es bildeten sich vereinzelte Strudel, mal rann es hauchdünn über einen riesigen Stein, mal schuf es tiefe Furchen oder Gumpen, dabei zeigte es überall unterschiedliche Färbungen: vom Ultramarin zum Aquatürkis, tiefes unergründliches Violett und noch Vieles darüber hinaus.

      Ja, so war auch ihr Leben.

      Es rann dahin. Wohin?

      Der Fluss hatte wenigstens ein klares Ziel, darauf konnte man wirklich neidisch sein.

      Vom Süden her näherte sich eine blonde Frau der Ortsmitte von Dolcedo.

      Gio wedelte aufgeregt mit seinem weichen Naturpinsel und streichelte dabei mehr oder weniger sanft über ihre stoffumflatterten Beine. Was für ein Glück, dass Marina Spaziergänge liebte, so konnte Gio seine SDM’s (die hündische Variante der SMS, also die Short-Dog-Message) absetzen oder dort Hinterlassene einer gründlichen Überprüfung unterziehen. Also weiter bergan. Was stört es einen kräftigen maremmanischen Schäferhund schon, dass hinten an der Leine noch ein Gewicht dran hängt? Marina hatte sich für heute eigentlich vorgenommen, den dolcedischen Sachstand zu überprüfen, also zu gucken, was sich seit ihrer Abwesenheit inzwischen alles so zugetragen hatte. Dabei hatte sie natürlich eine klare Wegvorstellung und vor allen Dingen eine gewisse Prioritätenliste.

      Ebenso Gio.

      Dessen Liste schien aber von anderen Prioritäten gespeist, so dass er an jeder Weggabelung einen anderen Weg einschlug. Marina musste sich erst an den Kräftezehrer gewöhnen und ihre Zugkraft besser portionieren. Für Außenstehende bot sich ein skurriles Bild, das einem altertümlichen Schreit- und Zerrtanz glich, wie man es bei den bajuwarischen Völkern auch heute noch beizeiten zu sehen bekommt.

      Nichts desto trotz näherten sich beide Tanzpartner dann doch noch dem Kern des Hauptortes und Marina beschloss erst einmal einen Stuhl im Torbogen zum Ausruhen zu nutzen. Um weitere Diskussionen mit Gio zu verhindern, band sie ihn kurzerhand an einem der Tischbeine an. Und weil der Stuhl mitsamt dem Tisch zu einer Ihrer Lieblingsbars gehörte, bestellte sie noch ein großes Bier bei Eugenio, dem Barbesitzer: „Una birra grande!”

      Runzeln, Augenbraue hochziehen: „Grande?”

      „Si,si, grande!” Was stellte der sich so an, mit so einem kleinen Bier (0,33 l, Anmerkung des Verfassers) kann man bei dieser Affenhitze sowieso nichts anfangen?!

      Murrend und zögerlich zog Eugenio von dannen.

      Womit Marina aber keinesfalls rechnete, war, dass sich seit ihrer Abreise wohl so eine Art Anpassungsprozess vollzogen hatte. Eine Anpassung der Dolceder an die Gebräuche ihrer liebsten Kunden, der Bajuwaren, oder so etwas Ähnliches. Denn das was kam, war kein italientypisches Bier im Mezzolitro Look, nein, der Ober brachte eine Maß, eine echte Maß Bier.

      „Prego, una birra grande!” Triumphierend ließ er die Maß auf die Tischoberfläche knallen, so dass der Tisch nur so ächzte.

      Marina starrte wie gebannt auf dieses Monsterbier und brachte vor Schreck keine Silbe mehr über ihre Lippen. Nun hatte sie ihr großes Bier, das würde den Tag unendlich beflügeln.

      Also nur mutig ran an das Gebräu!

      Mit jedem Schluck wurde Dolcedo noch ein Stück romantischer.

      Vielleicht...

      ...lautes Rattern...

      ...Blechansturm von rechts...

      Ein Mountainbike-Fahrer, eng auf Figur gedresst und tatsächlich mal gut aussehend, flog förmlich um die Ecke und sondierte den Sachstand in der Bar. Das Bike hatte er wohlweislich vorher elegant zum Stehen gebracht. Glücklicherweise noch bevor er gegen Marinas Tisch prallte. Gio war vor Schreck aufgesprungen und starrte den Fremdling misstrauisch an.

      Mit einem galanten „Permesso - Darf ich?” lehnte er das Bike an Marinas Tisch, selbstverständlich ohne auf eine Erwiderung ihrerseits zu warten.

      Was hätte sie auch erwidern sollen?

      Etwa:

      „Nein, danke! Lehnen sie ihr Fahrrad doch bitte außerhalb meiner Blickrichtung etwas abseits vom Durchgang an einer geeigneteren Stelle an die Hauswand oder an die Blumenkübel mit dem verkümmerten Inhalt. Dort stört es (mich und andere!!!) weniger!”

      ...

      Wie bestellt kam eine Frau mit einem Kinderwagen aus dem hinteren Bereich Dolcedos und wollte den Durchgang in der Passage auch tatsächlich passieren.

      ...

      Der Bike-Inhaber verhandelte gerade aufgeregt mit dem Barbesitzer.

      ...

      Der sonst so passable Durchgang verweigerte seine Aufgabe.

      Was diesem aber durchaus nicht anzulasten war, denn konnte man etwa damit rechnen, dass die Barbestuhlung die Durchgangsbreite verringerte? Und das Bike mit seiner gesamten vorderen Hälfte über den Tischrand hinausragte? Und last but not least, Gio sich aufgrund notwendiger Distanzierungen vor diesem Blechesel auf dem verbleibenden freien Rest des Durchgangs in voller Länge platzierte?

      Der Kinderwagen bräuchte aber so circa einen Meter mindestens.

      Dieser Meter war aber beim besten Willen nicht aufzutreiben.

      Marina versuchte Gio zum Weichen zu überreden.

      Zunächst säuselte ihm Worte wie „Vieni qua - Komm doch her!” in sein schlappes Ohr.

      Wahrscheinlich war Gio taub.

      Dann zerrte sie etwas tatkräftiger an seiner Leine.

      Diese Aktion fand jedoch bei ihm keinerlei Zustimmung.

      Im Gegenteil, wenn sie dies wollte, so war heute eben Tauziehen angesagt.

      Und keine Frage, wer heute gewinnen sollte.

      Oder kennen Sie einen fast zentnerschweren maremmanischen Schäferhund, der sich von einer etwas schwereren, deutschen, weiblichen Person irgendwo hin ziehen lassen würde? Eben!

      Inzwischen hatte sich eine kleine Menschenmenge um Marina geschart.

      Italiener sind eben sehr hilfsbereit.

      Filippo kannte Gio, bzw. eigentlich eher Antonio, seinen Besitzer und gerade deshalb wusste er genau, wie man mit ihm umgehen musste. Er redete also pausenlos auf ihn ein. Selbst Marina konnte diesen ligurischen Dialektwörtern kaum folgen.

      Nur die Wörter... „culo”... und „cazzo”... ließen sie vermuten, dass Filippo nicht gerade zimperlich mit ihm umsprang.

      Filippo war etwa ihm selben Alter wie Antonio, seine Haare waren aber noch mit mehr Silberstreifen, nicht ganz so weiß. Er trug Arbeitsklamotten, so richtig voll von...naja,

      Das gehört nicht hierher.

      So, eine Hoffnung auf eine weise Lösung, das war es, was Marina nun brauchte.

      Gio zeigte sich nach wie vor unbeeindruckt.

      ..., der Barbesitzer hatte seine Verhandlungen mit dem Biker abgebrochen und wandte sich der

      Problemgruppe zu.

      Die Italienerin hatte nun angefangen lauthals zu schimpfen.

      Ihr Gezeter enthielt in etwa:

      ...Blöde Mountainbiker...

      ...scheiß Touristen...

      ...Mistbar...

      Den genauen italienischen Wortlaut lohnt es sich nicht hier widerzugeben.

      Inzwischen war eine weitere Person am Problemort eingetroffen

      Es handelte sich wohl um eine ganz ansehnliche Touristin, die sehr interessiert den lautstarken Gesprächen folgte, bzw. zu folgen versuchte. Zeitgleich mit ihr, war noch der Rest der Biker eingetroffen,