MOLINOS MERENDA. Gela La Vigna. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gela La Vigna
Издательство: Bookwire
Серия: Dolcedo Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742777676
Скачать книгу
nicht lange nach und entschied sich aufgrund der vorgerückten Abendstunde für Albenga. Imperia würde sie sicher nicht mehr rechtzeitig erreichen.

      Aber die Parkplatzsuche entwickelte sich auch in dieser lebhaften Altstadt in der alta stagione zum größeren Problem.

      Nach einer Stunde entschied sich Marina es den Italienern gleichzutun und sich einfach auf den Rand des Zebrastreifens zu stellen, da sollten sich die Fußgänger eben dünner machen. Ich bin eh gleich wieder zurück, ritorno subito schrieb sie schnell auf einen Notizzettel und legte ihn hinter die Windschutzscheibe.

      Da gab es irgendwo so einen kleinen Buchladen, nein eher Spielzeugladen mit Kinderbüchern.

      Chiara war eine kleine Leseratte und hatte immer Lust auf kindgerecht verarbeitete Kunst und Kultur, da müsste doch noch das Passende zu finden sein für eine Siebenjährige. Aber in welcher Gasse war dieser Shop nochmal? Irgendwie sehen die Altstadtgassen in den ligurischen Küstenstädten doch immer gleich aus. Es dauerte eine weitere geschlagene Stunde bis Marina endlich in dem Shop stand. Ein Hoch auf die italienischen Ladenöffnungszeiten!

      Die Auswahl war riesig. Bunte Schachteln und Schächtelchen, Püppchen, Bücher und bunte Papiere stapelten sich bis zu vier Meter Höhe. Ein kunterbuntes Spieleland. Dieser Laden ließ nicht nur jedes Kinderherz höher schlagen. So ein ähnliches Papiertheater war noch da, oder sollte sie lieber das kleine Buch mit den Tierscherzen nehmen? Sie entschied sich für das Papiertheater, das so herrliche Schatten an die Wand werfen konnte. Und dann nichts wie raus, den Cinquecento retten.

      Da stellt sich nur die Frage nach dem kürzesten Weg zu Rettung des Automobils. Auch hier waren zunächst einige Fehlversuche nötig, bis der bekannte Kreisel mit dem dahinterliegenden Zebrastreifen auftauchte.

      Marina hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass es auch in Italien einen Abschleppdienst geben würde. Der Cinquecento lächelte ihr freundlich zu, die weniger freundlichen Herren waren gerade dabei ihn an die Leine zu legen. Stopp! È mia!

      Ein schräger strafender Blick von dem Herrn mit der Wichtigmütze:

      ”Arrivi in ritardo!”- Du kommst zu spät! Marina fühlte sich ob des Duzens durchaus geschmeichelt.

      „Aber nicht zu spät!“

      „Egal, die Kosten sind schon angefallen.“

      „Aber ich bin doch da!“

      „Aber wir auch! Mitsamt dem Abschlepper! Das kostet!“

      „Was kann ich Ihnen denn anbieten?“

      „Du willst mich bestechen?“

      „Nein, nein, keinesfalls!“

      „Das sieht den Deutschen wieder mal ähnlich, dass sie denken, sie könnten mit ihrem Geld alles kaufen...“

      „Aber das habe ich gar nicht gedacht!“

      „...dabei sind wir seit einigen Jahren auch ein Euroland und haben denselben Euro...“

      „...ich habe aber gar nicht viel Geld...“

      „Was machst du dann in Italien?“, der carabiniere sah ziemlich verwirrt aus.

      „Meine italienische Familie besuchen!“

      „…ah, wie denn das?“

      Also erzählte Marina in Kurzform von Pietro und den anderen Bianchis.

      Der Herr mit der Wichtigmütze wurde zunehmend freundlicher.

      Zu den anderen Herren gewandt sagte er nur:

      „Insieme Sima la Liguria!“ Der Werbeslogan kam Marina zu Hilfe.

      Marina zückte einen Zwanziger und bedankte sich freundlich und als waschechter Ligurierin wurde ihr selbstverständlich nach Tausend mille grazie die unverzügliche Weiterfahrt zugesichert.

      Gerade noch konnte sie verhindern, dass man ihr einen Escortservice anbot.

      Nach ca. zweieinhalb Stunden Fahrtunterbrechung begab sich Marina wieder auf die Küstenautobahn, um womöglich doch noch mit heutiger Datumsangabe in Dolcedo bei den Bianchis einzutreffen.

      Wenn Sie allerdings gewusst hätte, wie sich ihr Urlaub dort entwickeln würde, hätte sie auf der Stelle kehrt gemacht.

      Kapitel 2

      Die Tischplatte bog sich beinahe.

      Bei den Bianchis stapelten sich die Vorspeisen, Hauptspeisen und undefinierbare andere Delikatessen mitsamt den Tellern, Gläsern und anderen Tischutensilien auf dem großen Eichentisch.

      Dazwischen einige Kabel, Ladegeräte und Handys.

      Ein munteres Gespräch war in vollem Gange. Bei dem Inhalt konnte es sich offensichtlich nur um die baldigst zu erwartende Ankunft von Marina handeln, was den Wortfetzen ganz deutlich zu entnehmen war. Silvo, der patrone und damit das unvermeidliche allererste Familienoderhaupt in vorderster Front, sprach als erster ein Machtwort:

      „Basta, non aspettiamo più! - Schluss jetzt, wir warten nicht mehr länger! Die Deutschen sind immer zu spät!“ Die Faust landete zur Bekräftigung des Gesagten auf dem Tisch.

      Brrrr...Grrr...Klirr.

      „Ruf sie doch mal auf ihrem telefonino an, vielleicht ist sie schon in der Nähe?“, meinte seine bessere Hälfte, Orla versöhnlich.

      „Du weißt genau, dass ein Handy auf dieser Küstenautobahn nur selten Empfang hat, wegen der vielen Tunnel und der Berge!“

      „Sie ist auch nicht böse, wenn wir ohne sie anfangen!“

      „Ich finde auch, dass wir genug gewartet haben, lasst uns essen!“ Enzo rieb sich das schon ziemlich erwachsene Bäuchlein und zwirbelte an seinem Hemdknopf. Orla und Silvos Sohn liebte das Essen, konnte aber mit der geduldigen Warterei gar nichts anfangen. Schon gar nicht wegen seiner Schwägerin. Besser dieser quirligen Deutschen mit vollem Magen begegnen, da ließ sie sich eher aushalten. Also griff er mutig in das Speisenangebot und handelte sich wohl deshalb einen strafenden Blick seiner Mutter ein.

      Bruno, Enzos Sprössling, schnappte sich missmutig seinen Kabelsalat und riss damit beinahe das Weinglas von Enzo in den Abgrund.

      „Pass doch auf, du Idiot!“ fauchte Chiara ihren Bruder an „Ich sitze heute neben Antonio! Basta!“ Schon platzierte sie ihren Hintern neben Antonio, ihrem einzigen Lieblingsgroßonkel, der hinter seinem weißen Schnurrbarthaaren nur verschmitzt lächelte.

      Lucia, Enzos unvermeidlich bessere Hälfte, versuchte ihre vorlaute Tochter etwas abzulenken:

       „Freust du dich schon auf Marina?“

      „Ich freue mich auf das Geschenk, das sie mitbringen wird.“

      „Eh, beh... Hoffentlich bringt sie dir wieder so eine hässliche Puppe im Dirndl mit!“ Bruno grinste schadenfroh und stopfte sich die rote Pasta ungeschickt zwischen die Zähne.

      „Das ist gemein von dir Bruno!“, schalt Lucia ihn, „Marina bringt sicher nicht zweimal dasselbe Geschenk mit. Außerdem sind solche Oktoberfestpuppen bestimmt wertvoll.“

      „Die sind nicht wertvoll, dieser Ramsch wird auf dem Oktoberfest an dumme Touris verkauft!“, Enzo hatte schließlich das Oktoberfest schon einmal besucht und galt daher als Experte auf diesem Gebiet.

      „Und außerdem spiele ich schon lange nicht mehr mit Puppen! Mach jetzt endlich das blöde Handy beim Essen weg.“ Chiara wurde handgreiflich und riss an Brunos Handykabel.

      „Wir hatten Handys sowieso bei Tisch verboten und über Geschenke sollte man sich nicht schon im Voraus beschweren!“ Orla versuchte Sanftmut in ihre Stimme zu legen.

      Antonio brummelte und formte den Rest seines schütteren Barts unter der Nase.

      Wahrscheinlich nur um seinen Unmut kundzutun.