Heidis Lehr- und Wanderjahre. Johanna Spyri. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johanna Spyri
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742704849
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weit

       und breit alt und jung nur unter dem Namen Großmutter.

       Die Dete hatte wohl zehn Minuten gewartet und sich nach

       allen Seiten umgesehen, ob die Kinder mit den Geißen noch

       nirgends zu sehen seien; als dies aber nicht der Fall war, so stieg

       sie noch ein wenig höher, wo sie besser die ganze Alm bis

       hinunter übersehen konnte, und guckte nun von hier aus bald

       dahin, bald dorthin mit Zeichen großer Ungeduld auf dem

       Gesicht und in den Bewegungen. Unterdessen rückten die

       Kinder auf einem großen Umwege heran, denn der Peter wußte

       viele Stellen, wo allerhand Gutes an Sträuchern und Gebüschen

       für seine Geißen zu nagen war; darum machte er mit seiner

       Herde vielerlei Wendungen auf dem Wege. Erst war das Kind

       mühsam nachgeklettert, in seiner schweren Rüstung vor Hitze

       und Unbequemlichkeit keuchend und alle Kräfte anstrengend. Es

       sagte kein Wort, blickte aber unverwandt bald auf den Peter,

       der mit seinen nackten Füßen und leichten Höschen ohne alle

       Mühe hin- und hersprang, bald auf die Geißen, die mit den

       dünnen, schlanken Beinchen noch leichter über Busch und Stein

       dünnen, schlanken Beinchen noch leichter über Busch und Stein

       und steile Abhänge hinaufkletterten. Auf einmal setzte das Kind

       sich auf den Boden nieder, zog mit großer Schnelligkeit Schuhe

       und Strümpfe aus, stand wieder auf, zog sein rotes, dickes

       Halstuch weg, machte sein Röckchen auf, zog es schnell aus und

       hatte gleich noch eins auszuhäkeln, denn die Base Dete hatte ihm

       das Sonntagskleidchen über das Alltagszeug angezogen, um der

       Kürze willen, damit niemand es tragen müsse. Blitzschnell war

       auch das Alltagsröcklein weg, und nun stand das Kind im

       leichten Unterröckchen, die bloßen Arme aus den kurzen

       Hemdärmelchen vergnüglich in die Luft hinausstreckend. Dann

       legte es schön alles auf ein Häufchen, und nun sprang und

       kletterte es hinter den Geißen und neben dem Peter her, so leicht

       als nur eines aus der ganzen Gesellschaft. Der Peter hatte nicht

       achtgegeben, was das Kind mache, als es zurückgeblieben war.

       Wie es nun in der neuen Bekleidung nachgesprungen kam, zog er

       lustig grinsend das ganze Gesicht auseinander und schaute

       zurück, und wie er unten das Häuflein Kleider liegen sah, ging

       sein Gesicht noch ein wenig mehr auseinander, und sein Mund

       kam fast von einem Ohr bis zum anderen; er sagte aber nichts.

       Wie nun das Kind sich so frei und leicht fühlte, fing es ein

       Gespräch mit dem Peter an, und er fing auch an zu reden und

       mußte auf vielerlei Fragen antworten, denn das Kind wollte

       wissen, wie viele Geißen er habe und wohin er mit ihnen gehe

       und was er dort tue, wo er hinkomme. So langten endlich die

       Kinder samt den Geißen oben bei der Hütte an und kamen der

       Base Dete zu Gesicht. Kaum aber hatte diese die

       herankletternde Gesellschaft erblickt, als sie laut aufschrie:

       herankletternde Gesellschaft erblickt, als sie laut aufschrie:

       »Heidi, was machst du? Wie siehst du aus? Wo hast du deinen

       Rock und den zweiten und das Halstuch? Und ganz neue Schuhe

       habe ich dir gekauft auf den Berg und dir neue Strümpfe

       gemacht, und alles fort! alles fort! Heidi, was machst du, wo hast

       du alles?«

       Das Kind zeigte ruhig den Berg hinunter und sagte: »Dort!«

       Die Base folgte seinem Finger. Richtig, dort lag etwas und oben

       auf war ein roter Punkt, das mußte das Halstuch sein.

       »Du Unglückstropf!« rief die Base in großer Aufregung;

       »was kommt dir denn in den Sinn, warum hast du alles

       ausgezogen? Was soll das sein?«

       »Ich brauch' es nicht«, sagte das Kind und sah gar nicht

       reuevoll aus über seine Tat.

       »Ach du unglückseliges, vernunftloses Heidi, hast du denn

       auch noch gar keine Begriffe?« jammerte und schalt die Base

       weiter; »wer sollte nun wieder da hinunter, es ist ja eine halbe

       Stunde! Komm, Peter, lauf du mir schnell zurück und hol das

       Zeug, komm schnell und steh nicht dort und glotze mich an, als

       wärst du am Boden festgenagelt.«

       »Ich bin schon zu spät«, sagte Peter langsam und blieb,

       ohne sich zu rühren, auf demselben Fleck stehen, von dem aus

       er, beide Hände in die Taschen gesteckt, dem

       Schreckensausbruch der Base zugehört hatte.

       »Du stehst ja doch nur und reißest deine Augen auf und

       kommst, denk' ich, nicht weit auf die Art!« rief ihm die Base

       Dete zu; »komm her, du mußt etwas Schönes haben, siehst du?«

       Dete zu; »komm her, du mußt etwas Schönes haben, siehst du?«

       Sie hielt ihm ein neues Fünferchen hin, das glänzte ihm in die

       Augen. Plötzlich sprang er auf und davon auf dem geradesten

       Weg die Alm hinunter und kam in ungeheuren Sätzen in kurzer

       Zeit bei dem Häuflein Kleider an, packte sie auf und erschien

       damit so schnell, daß ihn die Base rühmen mußte und ihm

       sogleich sein Fünfrappenstück überreichte. Peter steckte es

       schnell tief in seine Tasche, und sein Gesicht glänzte und lachte in

       voller Breite, denn ein solcher Schatz wurde ihm nicht oft zuteil.

       »Du kannst mir das Zeug noch tragen bis zum Öhi hinauf,

       du gehst ja auch den Weg«, sagte die Base Dete jetzt, indem sie

       sich anschickte, den steilen Abhang zu erklimmen, der gleich

       hinter der Hütte des Geißenpeter emporragte. Willig übernahm

       dieser den Auftrag und folgte der Voranschreitenden auf dem

       Fuße nach, den linken Arm um sein Bündel geschlungen, in der

       Rechten die Geißenrute schwingend. Das Heidi und die Geißen

       hüpften und sprangen fröhlich neben ihm her. So gelangte der

       Zug nach drei Viertelstunden auf die Almhöhe, wo frei auf dem

       Vorsprung des Berges die Hütte des alten Öhi stand, allen

       Winden ausgesetzt, aber auch jedem Sonnenblick zugänglich und

       mit der vollen Aussicht weit ins Tal hinab. Hinter der Hütte

       standen drei alte Tannen mit dichten, langen, unbeschnittenen

       Ästen. Weiter hinten ging es nochmals bergan bis hoch hinauf in