Er mußte noch etwas Geld haben, denn er ließ den Buben, den
Tobias, ein Handwerk erlernen, Zimmermann, und der war ein
ordentlicher Mensch und wohlgelitten bei allen Leuten im Dörfli.
Aber dem Alten traute keiner, man sagte auch, er sei von Neapel
desertiert, es wäre ihm sonst schlimm gegangen, denn er habe
desertiert, es wäre ihm sonst schlimm gegangen, denn er habe
einen erschlagen, natürlich nicht im Krieg, verstehst du, sondern
beim Raufhandel. Wir anerkannten aber die Verwandtschaft, da
meiner Mutter Großmutter mit seiner Großmutter
Geschwisterkind gewesen war. So nannten wir ihn Öhi, und da
wir fast mit allen Leuten im Dörfli wieder verwandt sind vom
Vater her, so nannten ihn diese alle auch Öhi, und seit er dann
auf die Alm hinaufgezogen war, hieß er eben nur noch der ›AlmÖhi‹.
«
»Aber wie ist es dann mit dem Tobias gegangen?« fragte
gespannt die Barbel.
»Wart nur, das kommt schon, ich kann nicht alles auf
einmal sagen«, erklärte Dete. »Also der Tobias war in der Lehre
draußen in Mels, und sowie er fertig war, kam er heim ins Dörfli
und nahm meine Schwester zur Frau, die Adelheid, denn sie
hatten sich schon immer gern gehabt, und auch wie sie nun
verheiratet waren, konnten sie's sehr gut zusammen. Aber es ging
nicht lange. Schon zwei Jahre nachher, wie er an einem Hausbau
mithalf, fiel ein Balken auf ihn herunter und schlug ihn tot. Und
wie man den Mann so entstellt nachhause brachte, da fiel die
Adelheid vor Schrecken und Leid in ein heftiges Fieber und
konnte sich nicht mehr erholen, sie war sonst nicht sehr kräftig
und hatte manchmal so eigene Zustände gehabt, daß man nicht
recht wußte, schlief sie, oder war sie wach. Nur ein paar
Wochen, nachdem der Tobias tot war, begrub man auch die
Adelheid. Da sprachen alle Leute weit und breit von dem
traurigen Schicksal der beiden, und leise und laut sagten sie, das
sei die Strafe, die der Öhi verdient habe für sein gottloses Leben,
sei die Strafe, die der Öhi verdient habe für sein gottloses Leben,
und ihm selbst wurde es gesagt und auch der Herr Pfarrer redete
ihm ins Gewissen, er sollte doch jetzt Buße tun, aber er wurde
nur immer grimmiger und verstockter und redete mit niemandem
mehr, es ging ihm auch jeder aus dem Wege. Auf einmal hieß es,
der Öhi sei auf die Alm hinaufgezogen und komme gar nicht
mehr herunter, und seither ist er dort und lebt mit Gott und
Menschen im Unfrieden. Das kleine Kind der Adelheid nahmen
wir zu uns, die Mutter und ich; es war ein Jahr alt. Wie nun im
letzten Sommer die Mutter starb und ich im Bad drunten etwas
verdienen wollte, nahm ich es mit und gab es der alten Ursel
oben im Pfäfferserdorf an die Kost. Ich konnte auch im Winter
im Bad bleiben, es gab allerhand Arbeit, weil ich zu nähen und
flicken verstehe, und früh im Frühling kam die Herrschaft aus
Frankfurt wieder, die ich voriges Jahr bedient hatte und die mich
mitnehmen will; übermorgen reisen wir ab, und der Dienst ist gut,
das kann ich dir sagen.«
»Und dem Alten da droben willst du nun das Kind
übergeben? Es nimmt mich nur wunder, was du denkst, Dete«,
sagte die Barbel vorwurfsvoll.
»Was meinst du denn?« gab Dete zurück. »Ich habe das
Meinige an dem Kinde getan, und was sollte ich denn mit ihm
machen? Ich denke, ich kann eines, das erst fünf Jahre alt wird,
nicht mit nach Frankfurt nehmen. Aber wohin gehst du eigentlich,
Barbel, wir sind ja schon halbwegs auf der Alm?«
»Ich bin auch gleich da, wo ich hin muß«, entgegnete die
Barbel; »ich habe mit der Geißenpeterin zu reden, sie spinnt mir
im Winter. So leb wohl, Dete; mit Glück!«
Dete reichte der Begleiterin die Hand und blieb stehen,
während diese der kleinen, dunkelbraunen Almhütte zuging, die
einige Schritte seitwärts vom Pfad in einer Mulde stand, wo sie
vor dem Bergwind ziemlich geschützt war. Die Hütte stand auf
der halben Höhe der Alm, vom Dörfli aus gerechnet, und daß sie
in einer kleinen Vertiefung des Berges stand, war gut, denn sie
sah so baufällig und verfallen aus, daß es auch so noch ein
gefährliches Darinwohnen sein mußte, wenn der Föhnwind so
mächtig über die Berge strich, daß alles an der Hütte klapperte,
Türen und Fenster, und alle die morschen Balken zitterten und
krachten. Hätte die Hütte an solchen Tagen oben auf der Alm
gestanden, sie wäre unverzüglich ins Tal hinabgeweht worden.
Hier wohnte der Geißenpeter, der elfjährige Bube, der
jeden Morgen unten im Dörfli die Geißen holte, um sie hoch auf
die Alm hinaufzutreiben, um sie da die kurzen kräftigen Kräuter
fressen zu lassen bis zum Abend; dann sprang der Peter mit den
leichtfüßigen Tierchen wieder herunter, tat, im Dörfli
angekommen, einen schrillen Pfiff durch die Finger, und jeder
Besitzer holte seine Geiß auf dem Platz. Meistens kamen kleine
Buben und Mädchen, denn die friedlichen Geißen waren nicht zu
fürchten, und das war denn den ganzen Sommer durch die
einzige Zeit am Tage, da der Peter mit seinesgleichen verkehrte;
sonst lebte er nur mit den Geißen. Er hatte zwar daheim seine
Mutter und die blinde Großmutter; aber da er immer am Morgen
sehr früh fort mußte und am Abend vom Dörfli spät heimkam,
weil er sich da noch so lange als möglich mit den Kindern
weil er sich da noch so lange als möglich mit den Kindern
unterhalten mußte, so verbrachte er daheim nur gerade so viel
Zeit, um am Morgen seine Milch und Brot und am Abend
ebendasselbe hinunterzuschlucken und dann sich aufs Ohr zu
legen und zu schlafen. Sein Vater, der auch schon der
Geißenpeter genannt worden war, weil er in früheren Jahren in
demselben Berufe gestanden hatte, war vor einigen Jahren beim
Holzfällen verunglückt. Seine Mutter, die zwar Brigitte hieß,
wurde von jedermann um des Zusammenhangs