Sophies Erwachen. Anna Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Bloom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847673545
Скачать книгу
Bücher würden wir in der ersten Unterrichtsstunde erhalten. Damit entließ uns Mrs. Martin, nicht ohne sich so zuckersüß zu verabschieden, wie sie uns begrüßt hatte. Auf dem Weg nach draußen liefen wir an einer Vitrine mit Pokalen und Fotos vorbei. Die neu aussehenden Fotos schaute ich mir genauer an. Die Personen darauf würden wahrscheinlich meine neuen Mitschüler sein. Das Rugbyteam bestand aus einigen sehr gut gebauten Jungs, die ihre männliche Kraft sehr offen zur Schau stellten. Die Gesichter von einigen waren bemalt und zwei Jungs streckten dabei ihre Zungen heraus.

      „Was sind das denn für Poser im Rugbyteam?“, fragte ich Stephanie, die ihrerseits gebannt auf ein Foto des Fußballteams starrte.

      „Welche denn unter den vielen aus dem Team?“

      „Die, die ihre Zungen herausstrecken“, deutete ich auf die Jungs in der Mitte des Bildes.

      „Das sind Kyle und Luke. Die Zunge herauszustrecken ist alte Maoritradition. Es soll den Feind abschrecken. Nichtsdestotrotz sind die beiden tatsächlich die größten Poser der Schule. Kyle ist so etwas wie der Anführer der Gang. Luke ist sein Lakai. Er trägt ihm alles hinterher und fühlt sich auch noch als etwas Besseres. Jämmerlich.“

      „Klingt so.“ Ich brach die Diskussion ab, bevor sich Stephanie in Rage reden konnte und schaute die anderen Fotos an. Als ich ein bekanntes Gesicht auf einem der Fotos erblickte, schnellte mein Puls hoch. Es gehörte ganz bestimmt dem Jungen aus dem Fahrradladen.

      „Das ist doch der Fahrradverkäufer, oder?“, fragte ich Stephanie, die sich den Fußballerbildern zugewendet hatte. Sie schaute mich entgeistert an und verdrehte dabei die Augen.

      „Ja, er ist der Star des Schwimmteams. Bildet sich ein, dass er nach dem Schulabschluss in der Nationalmannschaft schwimmen kann.“

      „Ambitioniert und wirklich gutaussehend“, fügte ich hinzu, um sie ein bisschen zu ärgern.

      Bevor sich Stephanie dazu äußern konnte, schaltete sich Barbara ein, die bislang gelangweilt neben der Vitrine auf uns wartete. „Das sind sie doch alle, die hier verewigt wurden. Später werden sie einen Bierbauch haben und nur noch genug Geld verdienen wollen, um ihre Familien zu ernähren“, sagte sie sarkastisch und winkte uns hinaus zum Parkplatz.

      8

      Als der große Morgen gekommen war, konnte ich kaum erwarten, dass der Spuk des Schulanfangs endlich vorbei war. Stephanie vergaß wohl, dass sie mich mit ihrer lauten Musik nicht mehr nerven wollte. Heute war es mir aber egal. Weil ich so aufgeregt war, konnte ich mich sowieso nicht nochmal in Ruhe umdrehen, obwohl ich genügend Zeit gehabt hätte. Nachdem ich mich in meine Sommeruniform geschmissen hatte und den Kaffee heruntergestürzt hatte, rollten wir mit den Rädern und den Rucksäcken von der leichten Anhöhe unseres Viertels hinunter in die Stadt. Der kühle Fahrtwind tat mir gut und der Kaffee fing an zu wirken. Die Gangschaltung hatte ich langsam auch verstanden und bekam ein natürliches Hoch, das sicherlich auch etwas mit unserer Geschwindigkeit zu tun hatte. Stephanie redete nicht nur schnell, sondern radelte auch entsprechend. Als wir die Innenstadt passiert hatten und in das Labyrinth des dahinter liegenden Wohnviertels eintauchten, sah ich einige Meter vor mir ein Mädchen am Straßenrand neben ihrem kaputten Fahrrad knien. Sie versuchte wohl es zu reparieren. Stephanie fuhr an ihr vorbei, ohne zu grüßen oder zu fragen, ob alles in Ordnung war. So unhöflich war sie doch sonst nicht. Ich hielt neben dem Mädchen an und schrie Stephanie hinterher, dass sie warten solle. Sie hörte mich nicht und fuhr weiter.

      „Hallo. Kann ich Dir helfen?“, fragte ich das hellblonde Mädchen, das sich zu mir drehte und mich mit ihren außergewöhnlich großen Augen erstaunt anschaute.

      „Ach, die Kette ist abgefallen und ich schaffe es nicht, sie alleine wieder auf das Zahnrad zu legen. Wäre super, wenn Du mir helfen könntest“.

      „Klar doch.“

      Ich parkte mein Rad hinter ihrem, ging neben ihr in die Hocke und nahm das Taschentuch entgegen, das sie mir anbot, um meine Hände beim Anfassen der schmierigen Kette nicht schmutzig zu machen. Zu zweit schafften wir es schnell, die Kette wieder anzulegen.

      „Danke. Ohne Dich hätte ich schieben müssen. Ich heiße übrigens Christina“, sagte sie lächelnd.

      „Ich bin Sophie.“

      „Gehst Du auch auf die Blenheim High School?“

      „Ja, heute ist mein erster Tag. Ich komme aus Deutschland.“

      „Ich dachte mir schon, dass Du neu sein musst. Ich gehe in die zwölfte Klasse.“

      „Ich auch. Dann haben wir bestimmt ein paar Kurse gemeinsam.“

      „Bestimmt. Komm, ich zeig dir den Weg zur Schule.“

      Wir fuhren los. Ich folgte Christina. Nach ein, zwei Minuten sah ich Stephanie uns entgegenfahren. Sie hatte wohl gedreht, als sie merkte, dass ich nicht mehr hinter ihr war. Kurz vor uns machte sie einen Bogen und fuhr nun neben mir.

      „Hey, hast du angehalten oder war ich zu schnell?“, fragte sie besorgt auf Deutsch.

      „Ich habe Christina geholfen, das Fahrrad zu reparieren“, antwortete ich auf Deutsch und schaute sie an, um ihre Reaktion zu erhaschen. Sie blickte versteinert auf den Weg. Ich ahnte, dass sie meine Antwort ungern hörte.

      „Kennt Ihr Euch?“

      „Nicht wirklich. Aber sie ist in der Gang. Insofern kann das ruhig dabei bleiben.“

      „Das wusste ich nicht.“

      „Woher sollst Du das auch wissen? Du hast aber wirklich ein Händchen dafür, diese Leute kennenzulernen.“

      „Scheint so“, sagte ich amüsiert, da sie wirklich Recht hatte mit dieser Beobachtung. Bislang waren die Leute aber ganz nett. Ich schaute Christina an und ich konnte mir bei ihrem engelhaften, zerbrechlichen Anblick einfach nichts Böses vorstellen. Wir erreichten endlich die Schule und bogen auf den Parkplatz gegenüber ein. „Beeil Dich, ich will nicht, dass man uns zusammen mit ihr sieht“, flüsterte Stephanie mir zu und fuhr schnell an Christina vorbei zu einer Ecke des Platzes, an der die Fahrradständer angebracht waren. Ich folgte ihr, um sie nicht zu enttäuschen, fand die ganze Aktion aber ziemlich lächerlich. Christina ließ es ruhig angehen, sicher hatte sie Stephanies Plan durchschaut. Sie hielt einen höflichen Sicherheitsabstand, als sie ihr Fahrrad am Ständer festmachte. Stephanie schaffte es in Windeseile, unsere beiden Räder abzuschließen, bevor Christina mit ihrem Rad fertig wurde. Sie hakte sich dann bei mir ein und zog mich Richtung Schule. Ich konnte nur noch meinen Kopf drehen und mich von Christina mit einem kurzen „Bye“ verabschieden. Christina grüßte zurück und lächelte dabei höflich. Aber ich konnte in ihren Augen einen Anflug an Traurigkeit erkennen. Oder bildete ich mir das nur ein?

      Im Park vor der Schule tummelten sich bereits viele Schüler, die in Gruppen beisammen standen oder auf dem Rasen saßen. Mein Puls raste plötzlich in die Höhe und ich bildete mir ein, dass mich jeder musterte, an dem ich vorbeiging. Stephanie steuerte zielgerichtet auf eine Gruppe zu, die es sich auf dem Rasen beim Brunnen gemütlich gemacht hat. Ich erkannte Jessica und Paula, die wieder mal perfekt gestylt waren. Mit viel Fantasie konnte man wirklich etwas aus der hässlichen Uniform machen. Bei ihnen saßen zwei Jungs, Gary und Hugh, die, wie es sich herausstellte, im Fußballteam der Schule spielten. Stephanie und die beiden Mädels schienen sich für Fußball zu interessieren und natürlich für die Jungs im Team, die sie offen anhimmelten. Als Gary und Hugh hörten, dass ich aus Deutschland kam, fingen sie an über deutschen Fußball zu philosophieren, wie zum Beispiel die strukturierte Spielweise der Deutschen, von denen sich alle anderen Nationalteams eine Scheibe abschneiden könnten. Oder über die Leidenschaft, die das Team seit Jürgen Klinsmanns Trainerschaft an den Tag legt und damit die Fanherzen weltweit für sich gewinnt. Dann stellten sie mir Fragen zu deutschen Mannschaften und Spielern, die ich nur mit Ach und Krach beantworten konnte. Ich wollte es mir nicht gleich am ersten Tag mit meinen Mitschülern verderben und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass mein Interesse an Fußball gegen Null ging. Zum Glück wechselte Stephanie das Thema, bevor ich entlarvt wurde. Ab dann verstand ich