Sophies Erwachen. Anna Bloom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Bloom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847673545
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ich mich gar nicht traute, sie so lange anzusehen. Die grünen Augen waren wohl das Auffälligste und Schönste am ganzen Gesicht. Er lächelte mich an und ich senkte den Blick, weil ich mich ertappt fühlte. Ertappt dabei, nicht richtig Englisch gesprochen zu haben. Ich schämte mich dafür, und hoffte, dass er mich zumindest einigermaßen verstanden hatte.

      „Ja klar, gerne. Brauchst Du denn ein Rad für die Stadt oder für die Berge?“ Es war kaum zu glauben, aber ich konnte ihn verstehen. Auch er hatte den Singsang der Frau aus dem Outdoorladen, aber nur ganz leicht. Bei ihm klang er verständlich und sehr schön. Vielleicht strengte er sich auch nur an, britisches Englisch zu sprechen, weil er wusste, dass ich Ausländerin war. Wie auch immer, ich war überglücklich und strahlte ihn an. „Beides“, antwortete ich auf seine Frage.

      „Ihr Frauen wollt immer alles haben, lächelte er. „Scherz beiseite. Ich rate Dir zu einem Mountainbike. Das lässt sich auch in der Stadt fahren.“ Nach dem Pochen unter meiner Gesichtshaut zu urteilen, lief ich nach seinem ersten Satz tomatenrot an. Ich sammelte meine Gedanken und versuchte so gut wie möglich Englisch zu klingen.

      „Das Problem ist, dass ich mich bei Mountainbikes überhaupt nicht auskenne.“

      „Welche Art von Wegen möchtest Du fahren? Sind sie einigermaßen befestigt oder soll es quer durch den Wald gehen?“ Ich hatte keine Ahnung, was Miss Hays von uns allen abverlangen würde. Würde ich tatsächlich quer durch den Wald fahren müssen? Ich schaute mich hilfesuchend nach Stephanie um, aber sie war nicht zu sehen. Was machte sie an diesem roten Fahrrad bloß die ganze Zeit?

      „Ich will in der Schule den Outdoor-Kurs machen und dafür brauche ich das Rad. Weißt Du vielleicht, was mich dort erwartet?“

      „Ach so, Du bist an der Schule? Ich dachte, Du machst Urlaub in Blenheim und die Stadt langweilt Dich.“

      „Ich bin aus Deutschland und bleibe für ein Jahr. Miss Hays ist die Lehrerin des Kurses. Ich mache den Einsteigerkurs bei ihr.“

      „Dann sind wir auf der gleichen Schule. Ich kenne den Kurs von Miss Hays. Habe ich auch mal gemacht. Bin aber seit einer Weile im Schwimmkurs. Miss Hays fängt im Mountainbiking immer klein an. Sehr gut ausgebaute Straßen zuerst, dann steigert ihr Euch langsam. Erst gegen Ende des Jahres fahrt Ihr die richtigen Offroad-Straßen mit Wurzeln und Steinen. Insofern könntest Du guten Gewissens ein Hardtail-Rad nehmen. Da ist das Hinterrad zwar nicht gefedert, aber bei den gut ausgebauten Straßen macht das nichts aus. Das reicht völlig aus und die Preise sind auch bezahlbarer als bei den anderen Rädern.“

      „Der Preis ist ein gutes Argument. Was kostet mich so ein Rad denn?“

      „Das hängt stark von der Marke ab und davon, ob das Rad aus Carbon gemacht ist. Wenn das der Fall ist, dann wiegt das Rad viel weniger. Wir haben hier ein gutes Modell für…Lass mich das in Euro berechnen. Etwa 900 Euro.“

      Ich schluckte. Das würde ein riesiges Loch in mein Budget reißen. Kreditkarte hin oder her.

      „Das ist ganz schön teuer“, quetschte ich etwas verschämt zwischen den Lippen hervor. Jetzt dachte er, ich wäre geizig.

      „Das ist es auch. Wir haben ein gebrauchtes Hardtail-Rad. Wenn Dir das nichts ausmacht. Das würde Dich etwa 400 Euro kosten. Es ist noch sehr gut in Schuss. Ich habe es repariert, damit es wieder wie neu aussieht. Möchtest Du es ansehen?“

      „Ja sehr gerne.“ Das Rad hörte sich gut an, auch weil er es repariert hatte.

      „Dann komm mit. Das Rad steht noch im Hof.“

      Er drehte sich um und ich folgte ihm. Weiter hinten im Raum sah ich eine Tür, durch die wir in eine Art Flur kamen mit drei Türen. Mein Berater, dessen Namen ich noch nicht kannte, öffnete die linke Tür und wir traten auf einen lichtdurchfluteten geteerten Hof, der von hohen weiß getünchten Mauern umgeben war. Dutzende Fahrräder standen an der uns gegenüberliegenden Mauer in Reih und Glied. Wahrscheinlich warteten sie auf ihre Reparatur. Davor standen drei Fahrräder auf dem Sattel. Neben ihnen lagen Werkzeuge. Es war weit und breit kein Mensch zu sehen. Mein Berater ging zur langen Fahrradreihe, nahm sich das erste Fahrrad und schob es mit graziösen, eleganten Schritten zu mir zurück. Im Sonnenlicht sah er noch besser aus als im dunklen Laden. Seine Haut schimmerte olivbraun. Seine grünen Augen funkelten durch lange schwarze Wimpern. Braune Locken umrahmten das schön geformte, markante Gesicht. Er hatte etwas von einer altgriechischen Statue, die jedoch in Jeans und T-Shirt aus dem 21. Jahrhundert gehüllt war. Noch nie hatte ich einen so schönen Mann außerhalb der Fernsehwelt gesehen. Versteinert stand ich da und hatte mir das Rad von ihm holen lassen, obwohl ich ihm hätte folgen können. Aber dann hätte ich diesen Anblick verpasst.

      „Das ist das Rad. Willst du es Probefahren?“ Oh Gott, wie sollte ich das Rad bloß fahren können, wenn mein Körper gegen jegliche Bewegungsabläufe rebellierte?

      „Ja klar, gerne“, presste ich heraus und während er den Sitz auf meine Höhe verstellte, sagte ich zu mir selbst: Nimm das Rad und fahre, Sophie. Er ist auch nur ein Mensch wie Du. Nur ein Mensch.

      „So, das müsste von der Höhe her reichen. Probiere es mal aus. Im Hof kannst Du eine Runde drehen“.

      Ich griff nach dem Lenkrad und schwang mich auf das Rad. Da ich ihn nicht mehr sah, beruhigte sich mein Puls wieder und ich konzentrierte mich auf das Fahren. Das Lenkrad fühlte sich ungewohnt an. Das Fahrgefühl war ganz anders als bei dem Cityrad, das ich zu Hause hatte. Aber ich konnte mir gut vorstellen, damit auf jeden Hügel hochzukommen, sollte ich irgendwann die nötige Kraft dazu haben. Als ich die Gangschaltung betätigen wollte, fiel mir auf, auf was ich mich da eingelassen hatte. Egal welche Knöpfe ich drückte, es fühlte sich einfach nicht besser an und ich gab auf. Am Ende des Hofes drehte ich um und nun sah ich seine Gestalt immer näher kommen. Die Sonne war jetzt direkt hinter ihm und ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, nur seine Haare leuchteten wie ein Heiligenschein. Ich hielt vor ihm an und streckte die Hand wie einen Sonnenschutz über meine Augen.

      „Gibt es für die Gangschaltung ein Handbuch?“, fragte ich lächelnd.

      „Leider nicht“, lächelte er zurück. „Aber alle 27 funktionieren noch. Ich zeige es Dir, wenn Du das Rad nimmst. Das Rad ist fahrtüchtig, das versichere ich Dir. Wenn Du Probleme hast, komm einfach zu uns, wir geben Dir ein Jahr Garantie.“

      „Ok, danke. Dann nehme ich das Rad.“

      „Gute Entscheidung. Nimmst Du es gleich mit?“

      „Ich glaube schon. Hinten im Jeep müsste genügend Platz sein.“

      „Er packte das Rad und ich öffnete beide Türen, die uns wieder in den Laden führten. An der Kasse stand eine aufgebrachte Stephanie. Sie schien sich auch nicht zu beruhigen als sie mich und den Verkäufer sah.

      „Wo warst Du? Was war los?“, fragte sie beunruhigt.

      „Ich habe ein Rad im Hof Probe gefahren. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.“

      „Du hättest ja Bescheid sagen können. Ich habe Dich überall im Laden und dann im Einkaufszentrum gesucht. Ich dachte, Du hast Dich verlaufen oder so. Macht ja nichts, Du bist ja wieder da.“ Richtig erleichtert sah sie aber nicht aus.

      „Ich werde das Rad nehmen. Ist zwar gebraucht, aber gut in Schuss. Was hältst Du davon?“

      „Es ist rot! Wirklich schön, man sieht ihm nicht an, dass es schon gebraucht ist.“ Während sie sprach, waren ihre Augen auf meinen Berater gerichtet. Was ich gut verstehen konnte. Aber im Gegensatz zu mir sah sie nicht von ihm eingenommen aus. Ihr Blick war eher ängstlich, eine Spur aggressiv sogar. Wir hatten wohl einen unterschiedlichen Männergeschmack oder sie war immer noch aufgelöst, weil sie mich nicht finden konnte. Wirklich blöd von mir, dass ich ihr nicht Bescheid gesagt hatte, bevor ich in den Hof verschwand. Ich zog meinen Geldbeutel heraus und reichte meinem Berater die Kreditkarte. Als ich die Quittung in der Hand hielt, bedankte ich mich und sagte: „Ich heiße übrigens Sophie. Vielleicht sieht man sich ja mal in der Schule.“

      „Bestimmt, Sophie. Ich heiße Nate. Viel Spaß mit dem Rad. Ach ja, ich wollte Dir ja noch die Gangschaltung zeigen.“