EIN HIMMLISCHER JOB. Til Erwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Til Erwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769114
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rausfinden, wo der Betreffende herkommt, ob er ein Hiesiger oder ein Doiger ist.

      „Grüß’ Eahna Gott, Herr Reuss. Schon wieder frisch und munter bei der Arbeit nach langer Nacht?! Brav. Die Kontoauszüge und noch zweihundert Euro

      Wechselgeld. Bitt´schön.“

      Reuss ist peinlich berührt, um es bayerisch zu sagen: zefix saumäßig wütig, ist er, weil, die werden immer frecher, die Zuwanderer. Der Feinkost Yüksel ist zwar lange schon ein guter Kunde und sein Laden hat der Sparkasse einiges an Gewinn eingebracht in den letzten Jahren, nicht zuletzt weil die Zinsen von Yüksels Überziehungskredit nach wie vor hoch sind, viel zu hoch, nämlich im zweistelligen Bereich, und dennoch werden sie ohne Widerspruch vom Geschäftskonto abgebucht. Ein bisschen Häme kann sich der Filialleiter deshalb nicht verkneifen.

      „Ist schon wieder eng auf eurem Konto. Was macht der Umsatz, Mehmet?“

      „Umsätze sind nicht wichtig, Herr Direktor“, antwortet Mehmet frech. „Auf den Gewinn kommt’s an, gei! Is´ genau wie beim Poker, Herr Reuss, vastengans?!“

      Schon hat Reuss wieder Sodbrennen, er schiebt Mehmet die Bankauszüge rüber, der zeigt sie lächelnd Fidelitas.

      „So schaut´s aus, wenn man k e i n Geld hat, Kollege.“

      „Siebzehntausend“, liest Fidelitas ab.

      „Ja, aber im Soll“ grinst Mehmet.

      „Im Soll?“ Fidelitas scheint nicht zu verstehen.

      „S c h u l d e n, sagt der Herr Reuss. Nix wie Schulden habt ihr!“ Und dann äfft er einen Satz des Filialleiters nach, den Reuss offenbar immer wieder gebraucht hat. „Mein Gott, einmal möchte ich erleben, dass die Beträge in eurem Auszug hinter einem Pluszeichen stehen!“

      Fidelitas studiert konzentriert den Auszug, biegt ihn hin und her, sieht auch auf die Rückseite und sagt dann, sich verlegen unter der Wollmütze kratzend.

      „Aber die stehen hinter dem Pluszeichen.“ Mehmet lacht laut auf.

      „Nachher san S´ jetzat z´friedn, Herr Direktor!“

      Er nimmt Fidelitas den Kontoauszug weg und sieht nach. Das Lachen vergeht ihm.

      „Ein Buchungsfehler. Krass. Ist gar nicht möglich.“ Rasch gibt er den Auszug an Reuss weiter. Der stutzt, bedient dann seinen Computer. Fidelitas macht sich an ihrem Digital Notizbuch zu schaffen.

      „Moment noch, bitte“, sagt Reuss und hackt weiter intensiv auf die schuldlosen Computer Tasten. Mehmet kann sich nicht beruhigen, schüttelt immer wieder den Kopf, kratzt sich nervös in den Haaren.

      „Verarschen kann ich mich selber. Irre witzig!“

      Reuss hat jetzt auf Umwegen erneut Yüksels Geschäftskonto aufgerufen. Ein Irrtum ist nicht möglich, die Zahlen sind im Plus, und in so einem Fall gilt wie immer das uralte Gesetz aller Geldhäuser: die Bank irrt sich n i e!

      „ Die Buchung ist korrekt, Herr Mehmet. Würde mich auch wundern. Unser Haus irrt sich nie.“ Fidelitas tippt zur Erinnerung eine Notiz in ihr Gerät und Mehmet denkt: Scheiße, wie ist das möglich. Unabhängig davon aber beschließt er zu handeln.

      „Vielleicht hat Allah ein Wunder gemacht und eingezahlt für meinen Papa,

      wer weiß?“

      „Der Posten ist jedenfalls durchlaufend, Herr Mehmet.“ Wider Willen muss Reuss die Richtigkeit des Kontoauszugs noch einmal bestätigen.

      „Ja, dann“, und jetzt gibt sich Mehmet noch lässiger und siegessicher. „Dann …äh … möcht’ ich gern zehntausend cash mitnehmen, Herr Reuss. Geht doch, oder?“

      „Selbstverständlich, Herr Mehmet“. Reuss leidet und muss nun auch noch, während er den Auszahlungsschein schreibt, weitere Provokationen von Mehmet hinnehmen.

      „Wann sieht man sich mal wieder, Herr Direktor?!“

      „Jeder Zeit. Dann weiß ich wenigstens, wo die Kohle geblieben ist, hahaha.“

      „Jep!“ sagt Mehmet und verstaut das Geld in einer Ledertasche. „Jedenfalls nicht in den Sparkassen Taschen!“

      Gut gelaunt haut er Fidelitas auf die Schulter.

      „Kommst’ mit, Kleiner. Gehen wir heut’ Abend in die Tenne, kannst Du was lernen, okay?“

      „Jep!“ sagt Fidelitas im Weggehen und es klingt schon ganz selbstverständlich, denn um was zu lernen, dazu ist sie ja hier auf Erden. Ob es allerdings für die Emanzipation gut ist, weiß sie nicht, das wird man sehen. Vielleicht läuft was in der ´Tenne`.

      Reuss sieht den beiden nach, drückt dann eine Nummer auf seinem Handy. Er spricht vorsichtig und sehr leise.

      „ Ich bin´s. Ist Kozak da?“

      *

      Was Reuss seinem Kumpan aus der Poker Runde zu berichten hat, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Reine Spekulation, allerdings mit hohem Wahrscheinlichkeitsgehalt: Er wird vermutlich, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken und damit von seinen beim Kartenspiel gemachten Schulden abzulenken von einem gerissenen Betrüger berichten, dem es irgendwie gelungen ist, mit welch raffiniertem Trick auch immer, das Konto vom Feinkost Yüksel so zu manipulieren, dass es plötzlich ein Plus aufweist, statt den ewigen Soll Zahlen. Wie der Typ die seltsame Geldvermehrung hingekriegt hat wäre herauszufinden, denn eines ist klar: Die Kohle ist auf dem Konto. Ganz real.

      Mehmet und Fidelitas kurven durch Bad Tölz, auf der Suche nach einem der seltenen Parkplätze. Mehmet hat den Schock über den unverhofften Geldsegen noch nicht überwunden. Die Sache gibt ihm, genau wie dem Herrn Reuss von der Sparkasse, ziemliche Rätsel auf.

      „Fragen wir meinen Vater, wo die Mäuse herkommen.“

      „Die Mäuse?“

      „Sagt man so, anstatt Kohle.“

      „Kohle?“

      „Ey, dich haben die Zigeuner im Trab verloren, was? Sagt man so. Kohle ist Geld, okay?“

      „Okay.“

      „Und der Papa wird sagen: Ist Allahs Wille, lass uns nachschauen, was sagt der Koran dazu.“

      „Der Koran?“

      „Mann, bist du blöd, oder was?“

      Vielleicht ja, vielleicht nein. Mehmets Beifahrerin ist die Ruhe selbst, kaut genüsslich an ihrem Apfel. Von einem Koran aber hat sie offenbar auch noch nie gehört. Deshalb die Nachfrage, verbunden mit einer Notiz.

      „Der Koran?“

      „Das heilige Buch des Islam. Es ist sowas wie die Bibel, nur für Muslime.“

      „Viele Muslime lesen den Koran?“ Fidelitas´ Frage klingt naiv, aber genau besehen könnte was dran sein. Mehmet wird darüber nicht nachdenken. Noch nicht.

      „Alle Muslime lesen ihn. Die Strenggläubigen und die Liberalen.“

      „Du bist strenggläubig?“

      „Liberal.“

      „Was macht es für einen Unterschied?“

      „Es gibt liberale Muslime, aber keinen liberalen Islam“, sagt Hamed Abdel-Samad. „Aber der verbreitet schlechte Ansichten.“

      „Sagt wer?“

      „Sagen die Strenggläubigen. Vieles steht drin, weißt du, und vieles steht nicht drin. Genau wie in der Bibel.“

      „Was steht in der Bibel?“

      Mehmet findet das komisch. Er kichert vor sich hin.

      „D e i n e r Bibel!“

      „Meiner Bibel. Jep.“

      „Dann kennst’ auch die Story mit dem Apfel. Adam und Eva?“

      Fidelitas überlegt ein