EIN HIMMLISCHER JOB. Til Erwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Til Erwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769114
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die Überlegungen des Herrn und gerät nur deshalb nicht ins Schwitzen, weil sie als Engel diese manchmal störende menschliche Eigenschaft nicht kennt. Der alte Herr hat inzwischen seine Entscheidung überdacht, hält aber in einer Art von sturem menschlichen Eigensinn daran fest.

      „Wie ich es auch dreh und wende, Fidelitas, du bist nun mal auserwählt, denn

      du bist unschuldig und hast den Glauben eines Kindes...“

      „Ich bin fast zweihundert, Chef“, traut sich Fidelitas zu widersprechen und erfährt erneut eine göttliche Streicheleinheit, die sie in dieser erfreulichen Form nicht erwartet hätte.

      „Du siehst wesentlich jünger aus.“

      Durchaus charmant. Der alte Herr scheint hinter seinem weißen Vollbart zu lächeln; er amüsiert sich ganz offensichtlich über die junge Engelin um nicht zu sagen: er findet Gefallen an der kleinen Fidelitas. Wobei ein Amüsement im Himmel eigentlich erst erlaubt ist, seit der Münchner Dienstmann Alois Hingerl, gezeugt vom bayerischen Dichter Ludwig Thoma, hoch über den Wolken das ´Frohlocken` und ´Halleluja singen` begonnen hat, um dadurch irgendwann einmal an ´himmlisches Manna` zu kommen.

      „Vorsicht - 8. Psalm, Chef!“ Fidelitas scheint sich auszukennen in den Gesetzen des Himmels: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“ belehrt sie respektlos den Allmächtigen, um sich gleich danach wieder zu disziplinieren.

      „Aber dein Wille geschehe. Und gesegnet mit all meinen bisher erworbenen Gaben, wird mir der Job vielleicht nicht ganz so schwer fallen.“

      „Nur – hüte dich vor Missbrauch!“ Der Rat des alten Herrn ist gut gemeint, aber so schwammig formuliert, wie der eines deutschen Politikers angesichts bevorstehender Wahlen.

      „Missbrauch?!“ fragt Fidelitas deshalb und tut unschuldig.

      „Missbrauch deiner Privilegien!“ antwortet der Chef streng. Er hat natürlich die Gedanken seines Engels durchschaut, schließlich ist er der Allmächtige.

      „Deine Privilegien könnten reduziert werden im Laufe deiner Mission an der ich in meiner Weisheit festhalte und die da lautet: Erfahrungen sammeln über die Emanzipation der Frauen und Mädchen auf Erden aus deiner, aus weiblicher Perspektive. Privilegien auf lange Sicht könnten dir eben diese verstellen. Also sei auf der Hut, und setze deine himmlischen Gaben sinnvoll und mäßig ein, sonst...“

      „Sonst?!“, unterbricht Fidelitas und verstößt damit erneut gegen die auf einer Marmorplatte verewigten ´Benimmregeln für Himmlische Heerscharen`.

      „Sonst müssen sie dir entzogen werden.“

      Nun ist Schluss mit lustig, der Allmächtige hat gesprochen. Er scheint müde zu sein, gähnt sogar. Mit den üblichen Folgen im Universum. Kometen trägt es aus ihren Laufbahnen, manche explodieren oder kollidieren mit unkontrolliert herumtaumelnden Felsbrocken. Ein paar Milliarden Kilometer entfernt liegende Planeten sind in ihrer intergalaktischen Ruhe gefährdet, drehen sich plötzlich in die andere, die entgegengesetzte Richtung mit all den damit verbundenen Konsequenzen für die in Entstehung begriffene Flora und Fauna. Vulkane brechen zeitgleich aus, auch die sich gerade entwickelnde Tierwelt bleibt an vielen Orten nicht ungeschoren.

      Dinosaurier, grotesk aussehende Flugvögel und anderes Getier müssen nach knapp zehntausendjähriger Existenz schon wieder dran glauben.

      Dennoch, Fidelitas gibt nicht auf, will es genau wissen. „Dafür, für den Entzug der Privilegien, haben wir die Kontroller. Habe mich immer gefragt, wozu die eigentlich gut sind. Ganz schön Matcho mäßig, Chef. Nur, ohne himmlische Gaben ist unsereiner aufgeschmissen im Ausland! Ein verlorenes Schaf...“

      „Die Emanzipation nach der du Ausschau halten sollst – ist e i n Apfel von meinem Baum der Erkenntnis...“ Und schon wieder unterbricht Fidelitas den allmächtigen Herrn.

      „Bin ich denn ein Sündenfall?“ Der gibt sich gnädig geduldig, oder ist er schläfriger denn je?

      „Im Gegenteil, deine Aufgabe ist zukunftsweisend für alle Engel der Himmlischen Heerscharen“.

      „Vom Patriarchat zum Matriarchat? Hier im Himmel?! Das werdet IHR niemals durchsetzen - bei unseren geflügelten Machos“.

      „Jetzt schau mer mal, Fidelitas. Was auf Erden vorangeht, sollten WIR im Himmel auch in den Griff kriegen“.

      Er beginnt damit ein paar Wolken für das anstehende Mittagsschläfchen aufzuschütteln. Fidelitas zuckt die Achseln, denn was ´Ruhekissen` bedeuten, weiß natürlich jeder im Himmel: Gespräch beendet. Zufrieden ist sie allerdings nicht.

      „Ihr Wort in Gottes Ohr, Chef. T’schuldigung, so sagt man, höre ich, auf Erden. Ach, übrigens, wo speziell soll ich anfangen?“

      Der alte Herr kann ein weiteres Gähnen kaum unterdrücken.

      „Bei einer Familie namens...äh...jetzt ist mir der Name entfallen. Am besten frag den Aloisius, den Dienstmann aus Bayern. Und für den Fall, dass etwas schief läuft: Über die Direktleitung sind WIR immer erreichbar“. Er wirft ein halbes Dutzend Wolkendecken über sich und ist damit verschwunden.

      „Über den Privatanschluss, Chef?! Welche Nummer ist das?“, ruft ihm Fidelitas nach. Aber Gott der Allmächtige wäre nicht allmächtig, wenn es ihm nicht gelingen würde sich jederzeit vor den Mitgliedern seiner Heerscharen zu verbergen.

      *

      Ein unwidersprochen überirdischer Anblick ist und bleibt das Panorama des Universums. In letzter Zeit allerdings ein wenig getrübt durch millionenfach herumfliegenden Weltraumschrott, bestehend aus ausgebrannten Raketenteilen, Wetter Satelliten, Versorgungskapseln, Sonnensegeln, GPS und Spionage Satelliten, Schläuchen, Nägeln, Schrauben und dazu passenden, äußerst praktikablen Weltraum Bohrmaschinen.

      Ertragen müssen diese von befähigten Wissenschaftlern enorm großzügig ausgelegte Müllhalde all jene Wesen, die da oben existieren, agieren, werkeln, spielen, dichten und denken, komponieren, musizieren oder auch nur friedlich vor sich hin philosophieren.

      Außergewöhnlich hell ist die Sternschnuppe, die sich gemächlich durch den interstellaren Bereich auf die in den Weiten des Raumes bläulich vor sich hin schimmernde Erdkugel zu bewegt. Gemächlich ist relativ, denn Tempo und hohe Geschwindigkeiten im göttlichen Sinne sind nicht messbar, sind nicht zu vergleichen mit von Menschen erdachten Verbrennungskraftmaschinen oder mit elektrischem Strom, der in einer Sekunde siebeneinhalb Mal um die Erde saust. Das sind pro Stunde 1,08 Milliarden Kilometer.

      Rein rechnerisch muss also davon ausgegangen werden, dass sich eine Reise vom Himmel zur Erde über viele Milliarden Lichtjahre hinzieht. Präzise ist das selbst mit einem computergesteuerten Rechner der neuesten Generation nicht zu schaffen.

      Also lassen wir es gefälligst dabei.

      Die Erzengel Raphael und Michael haben es in der näheren Vergangenheit,

      also vor etwas über 2000 Jahren, auch ohne Probleme hingekriegt auf die Erde niederzukommen. Ein Teil der Menschheit besingt das zur Weihnachtszeit

      heute noch mit dem Evergreen ´Vom Himmel hoch, da komm ich her...`

      Lobenswert vorbildlich hat der Allmächtige ganz im Sinne der ´Mission Emanze` für Fidelitas eine ähnlich kurze Zeitspanne eingeplant. So wie der berühmteste aller Sterne, der ´Stern von Bethlehem`, wird ihr ganz persönliches Transportmittel, eine Sternschnuppe, auf Erden landen, damit der erste weibliche Engel in himmlischer Ruhe seinen Fuß auf irdischen, deutschen, auf bayerischen Boden setzen kann, und dies auf Anordnung von oben, von sehr weit oben.

      Soviel hat die Splittergruppe ´Emanzipation in den Himmlischen Heerscharen` immerhin schon erreicht.

      *

      Psalm 1 Vom Himmel hoch, da komm ich her

      In Bad Tölz, einer kleinen Stadt im oberbayerischen Voralpenland, malerisch an der glasklaren von Schlick und Umweltsünden befreiten Isar gelegen, hat Herr Yüksel, knapp über