EIN HIMMLISCHER JOB. Til Erwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Til Erwig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769114
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von einer nicht beherrschbaren Geldgier und Spielsucht. Das gilt nicht nur für die kleine geheime Runde im Hinterzimmer der Bad Tölzer ´Tenne`. Das gilt weltweit und hat schon Fjodor Dostojewski ermutigt in seinem Weltbestseller ´Der Spieler` eine sehr genaue Beschreibung der Spielsucht festzuhalten, die zum Ruin führen kann. Heute, im Fall von Mehmet, würde man allerdings eher von einer Pleite sprechen.

      Noch aber ist es nicht so weit. Er hat zwar schon eine ganze Menge von dem Überraschungsgeld aus der Sparkasse verloren, greift trotzdem in die Tasche und fördert ein weiteres Bündel nagelneuer Euro Scheine hervor. Lässig, nein, cool, häuft er das Geld in James Bond Profimanier vor sich auf.

      „Reicht das?“

      Reuss fühlt sich bestätigt. Vor lauter Eifer verhaspelt er sich, kommt regelrecht ins Stottern.

      „Hahaha - hab ich’s euch nicht gesagt. Die schreiben jetzt sch-sch-schwarze Zahlen, unsere türkischen Freunde. Mehmet nickt dazu souverän, äfft zugleich den Intimfeind von der Sparkasse nach.

      „Jep-p-p-p! Neuer Einsatz. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sagt der deutsche Spießer. Wer gibt?“

      Angesichts des Geldes und der guten Chance hier Gewinn zu machen halten

      sich die Mitspieler zurück. Fehrmann gibt den eiskalten Profi, den auf Sieg zockenden Pokerspieler.

      „Fünfzig!“

      Geldscheine werden auf den Tisch geworfen. Fehrmann teilt neue Karten aus. Leider stört jetzt Kozak, der bei halb geöffneter Tür den Sparkassen Mann zu sich ruft.

      „Reuss, Kundschaft!“ Der wird richtig sauer, traut sich aber nicht Kozak zu widersprechen.

      „Hol ’s der Teufel. Wenn ich schon mal ’n Blatt auf der Hand hab‘! Scheiße, verdammt!“

      Er wirft seine Karten weg und geht. Die anderen erhöhen den Einsatz. Mehmet schiebt noch ein paar Banknoten über den Tisch.

      „Des g’ langt mia ned!“ Blumenauer wirft ein paar Scheine mehr in den Topf.

      „Mehmet?“

      Fehrmann starrt Newcomer Mehmet mit Pokerface an - also ohne eine Miene zu verziehen. Mehmet ist unschlüssig, holt dann einen Kfz-Schein aus der Tasche, den von seinem gerade erworbenen Motorrad, und legt ihn in den Topf. Die Mitspieler protestieren lautstark, Bargeld lacht, was soll der Scheiß, Mann!

      Gefälschte Kraftahrzeug Scheine hat Kozak zu Hauf in der Schublade. Aber Mehmet spielt weiter den großen Zampano.

      „Ey, mal langsam, Freunde. Das ist mein neues Moped. Voll bezahlt!“

      „Dreitausend, mehr is´ nicht!“ Fehrmann, ganz die Ruhe selbst, nimmt den

      Kfz-Schein aus dem Topf und legt dafür dreitausend Euro ein. Das regt Mehmet auf.

      „Dreitausend! Für die Hammer-Maschine hab‘ ich grade siebentausend Eier abgedrückt...“

      „Junge, du kennst doch die Spielregeln, oder?“ Fehrmann, unbeeindruckt. Blumenauer, geldgierig, quakt dazwischen.

      „I wui eahm sehn, nacha schleichsd di!“

      Mehmet will sein Gesicht nicht verlieren, sein deutsch-türkisches Blut gerät in Wallung: denn die Ehre, welcher Nationalität auch immer, die geht über alles! Mit Schweißtropfen auf der Stirn zeigt er Zähneknirschend sein Blatt – und hat wieder verloren.

      „Ich nehm‘ fünftausend – auf Kredit!“ Blumenauer will sich ausschütten vor Lachen. „Und wann zoisd es z’ruck nacha?“

      „Morgen. Spätestens, Ehrensache!“ Wieder die Ehre, der hat echt einen an der Waffel, denkt Fehrmann, zählt fünftausend Euro ab und schiebt Mehmet das Bündel Banknoten rüber. „Morgen! Sonst...“ Er macht die Geste des Halsabschneidens.

      Mehmet nickt düster, er weiß was auf ihn zukommt, falls er nicht zahlt. Egal, was bleibt ist ein Rest von Ehre, der letzte Rest; er verkündet ihn mit heiserer Stimme.

      „Spielschulden – sind Ehrenschulden!“

      Wäre Fidelitas hier, sie hätte sich garantiert eine Notiz gemacht über dieses zwar allseits bekannte aber zugleich äußerst fragwürdige Zitat.

      Die Tür der Herrentoilette wird ungestüm von innen geöffnet. Fidelitas kommt verschreckt heraus, gefolgt von Reuss. Durch die offene Tür sieht man einige Männer beim pinkeln.

      „Das ist kein Ort für kleine Geschäfte!“

      „Aber die erhalten die Freundschaft, Herr Breibeck!“

      „Herr Breibeck?“

      Fidelitas ist verwirrt. Was sie nicht weiß, gar nicht wissen kann, ist die Tatsache, dass auf Erden, weltweit, alle geheimen und wichtigen oder gar verbotenen Geschäftsabschlüsse auf Toiletten verabredet werden, insbesondere auf Herrentoiletten, das ist eindeutig durch jeden besseren Kinofilm oder in spannenden TV-Serien belegt und auch nicht ansatzweise verwunderlich, denn Toiletten sind tabu für Videokameras oder andere Abhörgeräte, bestenfalls der Lauscher an der Wand ist manchmal dort anzutreffen, aber der erfährt ja bekanntermaßen nur etwas von der eigenen Schand‘.

      Oben, bei den Himmlischen Heerscharen, gibt es vermutlich keine Pissoires oder Toilettenschüsseln. Da bleibt natürlich die Frage offen, was zum Beispiel abgeht bei zu reichlichem Verzehr von Manna , hinter dem der Engel Aloisius und einige seiner Kollegen permanent her sind, wenn sie sich durch ständiges ´Frohlocken` oder andere ´Halleluja Gesänge` eine Portion erworben haben.

      Aber darüber macht sich ein Sparkassenfilialleiter natürlich keine Gedanken. Ihm geht´s nur ums Überleben, deshalb insistiert er auch außerhalb der Toilettenräume ohne Rücksicht auf heute gängige Abhörpraktiken in Bild und Ton.

      „Nur mit Namen und Ausweis kriegen Sie Arbeit. Ohne Identitätsnachweis können Sie kein Bankkonto einrichten, mit einem Wort: Sie sind kein Mensch, Herr Breibeck.“

      Er reicht Fidelitas das Ausländer Personalausweiskärtchen von Kozak, das sie aufmerksam betrachtet.

      „Lustig, Herr Breibeck.“ Reuss verdreht genervt die Augen, dann korrigiert sanft.

      „S i e sind jetzt der Herr Breibeck, Herr Breibeck.“

      „Ich bin der Herr Breibeck!“ Mit spitzem Finger tippt Fidelitas auf den Ausweis.

      „Das Foto sieht gut aus, ist es mir ähnlich?“ Schnell macht sie sich eine Notiz.

      Ganz so naiv wie es aussieht, ist Fidelitas natürlich nicht. Insbesondere weil sie weiß, dass sie kein Spiegelbild hat, dieses Foto also ein Fake ist, denn fotografieren funktioniert nicht bei Engeln, bei Erzengeln nicht und schon gar nicht beim Fußvolk, den weiblichen Engeln. Und das hat auch nichts mit der Emanzipation zu tun. Mitarbeiter der Himmlischen Heerscharen können nicht mir nichts dir nichts einfach so abgelichtet werden, sie genießen nämlich eine Art Immunität. Bestenfalls Gemälde kann man von ihnen anfertigen, wie das schon vor langer Zeit berühmte Künstler wie Raffael oder Michelangelo getan haben. Ob ihnen die Engel als Model zur Verfügung standen, in tagelangen Sitzungen um möglichst original und originell porträtiert zu werden, das weiß bis zum heutigen Tag niemand. Man kann es nur vermuten. Nicht zuletzt deshalb, weil bisher von keiner Seite Beschwerden vorliegen. Nicht mal von Allah oder dem Budda. Oder vom Herrn aller Dinge. Im Gegenteil, der Allmächtige ist ja offensichtlich sehr angetan von seiner Darstellung durch Leonardo da Vinci. Jedenfalls steht das im Prolog hier geschrieben, schwarz auf weiß. Und was geschrieben steht, ist nun mal geschrieben.

      „Jetzt feiern wir den Deal erst mal mit Schampus! Einverstanden?!“

      Reuss wittert Morgenluft und der clevere Kozak hat an der Bar bereits drei Gläser mit Champagner gefüllt. Das Magenknurren ist leise, aber dennoch nicht zu überhören. Fidelitas kann das Geräusch nicht einordnen, weil Kozak ihr bereits lautstark zuprostet.

      „Ein Gläschen Champus für die Herren! Zum Wohl allerseits!“

      „Champus ist wichtig!“ Fidelitas sieht