„Lassen sie den Motor auf langsamer Umdrehung laufen ich bin gleich zurück“, sagte Richie zu dem Piloten. Er setzte die Kopfhörer ab, öffnete die Tür und sprang hinaus. Kommissar Koschinski war schon auf dem Hof erschienen um Richie zu empfangen.
„Hallo Zender, hat sich denn die Rückfahrt überhaupt gelohnt, wenn Sie jetzt schon wieder hier sind?“
„Aber immer, mir ist nur nicht klar weshalb Sie mich Schnüffler an den Ermittlungsarbeiten teilnehmen lassen. Ich kann mich an so etwas aus früheren Zeiten nicht erinnern.“
„Die Zeiten ändern sich eben. Früher kamen Privatdetektive auch nicht mit dem Hubschrauber. Leider muss ich unsere nette Unterhaltung vertagen wenn wir noch bei Tageslicht an den Tatort kommen wollen. Fliegen wir?“
„Natürlich, der Motor läuft noch.“ Die zwei Männer stiegen rasch ein, beide auf der Rückbank. Koschinski gab eine kurze Anweisung und Tauber düste in die angegebene Richtung davon. Die Zeit des Fluges nutzte der Kommissar um Richie über die bisherigen Ergebnisse zu informieren.
„Eine kleine Wandergruppe hat die Tote am heutigen Nachmittag gefunden. Sie hatten ihr Auto am Beginn des Waldweges geparkt. Sie sind aber in Richtung Roßlau auf der Bundesstraße marschiert. Haben dann einen Bogen links in den Wald geschlagen, so dass sie am Ende der Wanderung wieder am Ausgangspunkt ankamen.“
„Woher wissen sie das alles? Waren sie schon da? Und was erhoffen sie sich von mir?“
„Meine Kollegin Kommissarin Budernich leitet die Ermittlungen am Tatort und hat mich darüber informiert. In erster Linie erhoffe ich mir von Ihnen die Identifizierung der Leiche. Sie trug zwar ihre Papiere bei sich, aber ich möchte das sicher wissen. Und vielleicht haben Sie noch den einen oder anderen Tipp für mich. Hallo“, er klopfte Tauber auf die rechte Schulter und als dieser kurz nach hinten sah sprach er weiter: „gehen Sie hier vor den beiden Ruinen der Schweineställe herunter. Dann brauchen wir nur noch über die Straße zu laufen.“ Da die letzten Worte schon wieder an Zender gerichtet waren setzte Michael Tauber zum Landeanflug an. An der bezeichneten Stelle schwebte der Helikopter herab. Sobald die Kufen den Wiesenboden berührt hatten sprangen Koschinski und Zender aus der Maschine und überquerten die Bundesstraße 184. An der Stelle wo der Waldweg von der Straße abzweigte stand ein Polizeiwagen und ein Wachtmeister begrüßte sie.
„Hallo Kosch, schöner Sonntag heute.“
„Ja Sig, es geht doch nichts über ein paar Atemzüge frischer Wald Luft.“
„Na ob ihr daran in zwei Minuten noch Freude haben werdet wage ich zu bezweifeln. Die Frau Budernich wartet schon auf euch.“ Zender und der Kommissar liefen einfach den Waldweg entlang und erreichten nach ca. zweihundert Metern den Tatort. Dort verharrte eine Frau, Mitte dreißig, die nachdenklich auf die Spuren schaute. Ihr kastanienbraunes Haar hatte sie am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden. Der verwaschene grüne Parka, den sie trug, reichte fast bis zu ihren Knien und ihre blauen Jeans steckten in hochhackigen braunen Lederstiefeln.
„Ich dachte schon“, meinte die Kommissarin; „das ich Taschenlampen besorgen müsste.“ Während der Worte strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Koschinski überging die Bemerkung und stellte Richie vor.
„Budernich“, murmelte die Frau während des laschen Handschlags und Richie sah einen dicken goldenen Ring an ihrem rechten Ringfinger. Sie zeigte auf die Tote.
„Kann ich offen sprechen?“ Koschinski nickte, deutete auf Ric und sagte: „Ex – Oberkommissar Zender aus München.“ Budernich zog die Augenbrauen hoch was ihrem Gesicht nicht abträglich war.
„Ah ein Kollege.“ Worauf Richie lächelnd mit der rechten Hand abwinkte.
„Das ist schon lange her, eigentlich schon fast nicht mehr wahr. Und wie ich sehe hat der Herr Koschinski seine Hausaufgaben gemacht. Noch etwas in Erfahrung gebracht?“
„Diese Information war schon schwierig zu bekommen, da man Ihre Akte nicht finden konnte.“
„Jungs es wird gleich dunkel und ich wollte nicht noch Flutlicht aufstellen lassen um meine Arbeit hier zu beenden.“
„Na dann erzähle“, forderte Koschinski sie auf.
„Der Täter ist mit einem Wagen hier herauf gedonnert, der ziemlich breite Reifen hat. Den lies er hinter der Kuppe stehen. Rannte zurück und holte die Motoradfahrerin an der Stelle wo wir jetzt stehen von ihrer Maschine. Es fand kein großer Kampf statt. Vermutlich hat er ihr mit einem geübten Griff die Wirbelsäule gebrochen. Das wird uns gleich Doktor Grepe von der Gerichtsmedizin sagen.“ Wie auf ein Zeichen wurde unten an der Hauptstraße eine Autotür zugeschlagen und Richie sah einen älteren Mann den Waldweg heraufkommen.
„Das wird er sein“, meinte die Kommissarin und wies den Waldweg hinauf.
„Das Motorrad liegt dort hinter den Bäumen. Der Mörder muss sie derart von der Maschine gerissen haben, dass sie dabei noch mal richtig Gas gegeben hat. Die Honda ist daraufhin abgehoben, denn es gibt keine Spuren mehr. Sie ist dann gute fünfzehn bis zwanzig Meter durch die Luft geflogen.“ Hier machte sie eine Pause. Keuchend gesellte sich der Gerichtsmediziner zu ihnen.
„Haben Sie Sonntags keine andere Beschäftigung?“, blaffte er als Begrüßung und strich sich dabei über seinen fast haarlosen Kopf. Als keiner den Anwesenden auf ihn reagierte beugte er sich vor, untersuchte die Tote mit einigen Handgriffen, und versuchte ihr den Helm abzunehmen. Sein Bauch, den er wie eine Kugel vor sich her schob, behinderte ihn bei der Tätigkeit. Als er sich fast eine Minute abgemüht hatte schnauzte er: „Kann mir hier nicht mal jemand helfen?“ Darauf zog Koschinski vorsichtig den Integralhelm von dem Kopf der Toten. Er ging dabei mit einer Vorsicht zu Werke als ob er ein Menschenleben retten müsste. Und dann war der Helm ab. Richies Magen zog sich zusammen. Was er bis jetzt verdrängt hatte brach über ihn herein. Er sah das lebenslustige Mädchen wie es nackt aus dem kleinen Badesee stieg, an dessen Ufer sie eine Decke ausgebreitet hatten. Sie liebten sich am Ufer und dann noch einmal bei Daniela zu Hause. Und nun lag sie hier und ist tot.
„Ist das Daniela Straube?“, fragte der Kommissar in die lastende Stille.
„Ja das ist sie….“ Richie versagte die Stimme. Seine Kehle war zugeschnürt und er konnte die Tränen nicht mehr zurück halten. Er wandte sich ab und lief in die Richtung wo die Maschine lag. Seine Tränen versiegten, der Klos im Hals löste sich auf und er spürte aus der Magengegend eine Wut in sich aufsteigen, die ihn schier zu übermannen drohte. Sein alter Meister hätte es sicher nicht gut geheißen, dass er seine Gefühle nicht unter Kontrolle halten konnte, aber Ric war das für den Moment egal. Er stieß einen regelrechten Ur Schrei aus, vollführte eine blitzschnelle Drehung um einhundert achtzig Grad und traf die zwölf Meter hohe Birke in ein Meter fünfzig Höhe, mit dem Fuß. Holz splitterte. Und dann fiel der Baum ächzend um. Erschrocken und verdutzt starrten Budernich und Koschinski zu Richie, aber sie sagten kein Wort. Als er wieder zu ihnen trat, hatte Zender seine alte Fassung zurück gewonnen. Er bekam noch mit wie Doktor Grepe flüsterte: „…zwanzig Zentimeter Durchmesser, alle Achtung.“ Dann sprach er in normaler Lautstärke weiter. „Also wie gesagt morgen Mittag haben Sie den Bericht der Obduktion auf dem Tisch. Noch einen schönen Abend den Herrschaften.“ Der Aluminium Sarg wurde gebracht und ein weiterer Polizist holte das Motorrad. Die beiden Kommissare und Zender gingen langsam zur Bundesstraße zurück.
„Es sieht weder wie ein Raubmord aus, noch lassen sich im gegenwärtigen Stadium andere Motive erkennen. Es sei denn jemand wollte sich eines Verfolgers entledigen“, meinte Koschwitz und kratzte sich am Kopf.
„Der Täter fühlte sich von der Motorradfahrerin verfolgt und hat das mit dem Mord praktisch unterbunden. Dann ist er einfach weiter gefahren ohne die Spuren zu verwischen oder sich um andere Dinge zu kümmern.“ Als sie an der Straße ankamen war es schon dunkel, so dass der Helikopter auf der anderen Straßenseite nur noch als verschwommener Schemen sichtbar war. Zu Wachtmeister Sigi Ranitz sagte Kommissar Koschinski:
„Wenn der Tatort oben geräumt