80 Jahre danach in der schönen neuen Welt. Ron Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ron Palmer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188683
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Art von „Putin-Jugend“ aufgestellt, die ihn in den Medien feiert. Damit eifert er der Manipulation von Nachrichten der Propaganda des Dritten Reiches erschreckend nach. Huxley hat die Wirkung des damals schnell wachsenden Mediums Kino als Opium für’s Volk erkannt und in seiner Dystopie treffend angewendet. Zusätzlich werden in Huxleys Vision in den Fühlkinos weitere Sinne angesprochen. In „Achtzig Jahre danach...“ wurden diese Kinos sogar weiter entwickelt.

      Die breite Bevölkerung wird in Huxleys „Schöner neuer Welt“ praktisch gar nicht mehr über Printmedien gebildet oder informiert. Statt dessen dominieren einfache Slogans und anschauliche Bilder. Unsere modernen Medien verfahren ganz ähnlich: Im Internet wie im Fernsehen, was inzwischen fast das Gleiche ist, werden immer mehr kurzweilige, anschauliche und emotional einprägsame Bilder gezeigt, zunehmend im Filmformat. Dabei werden immer mehr Sinne sowie die Gefühlsebene angesprochen. Sich kritisch mit der tatsächlichen Realität zu befassen, wird immer schwerer und scheint auch von vielen Zuschauern immer weniger gewünscht zu sein. Sich von der Wirklichkeit zu entfernen scheint in Huxleys Dystopie, wie inzwischen auch heute, mehr Befriedigung hervorzurufen.

      Auch die Manipulation des Egos durch Internet und Medien hat Methode. So haben die Kanäle größeren Zuspruch, die das Selbstwertgefühl des Users am meisten steigern, was teilweise zu einer völlig unrealistischen Selbstüberschätzung und sozialem Realitätsverlust führt. Jeder hat schon Beispiele erlebt, in denen ganz offensichtlich sehr dumme und weltfremde Menschen mit unglaublichem Selbstbewusstsein ihr Können oder ihr Aussehen vielfach besser einschätzen als das anderer. Solche Personen sind zufrieden und werden nicht wegen Zweifeln an sich selbst oder am System in deprimierte Passivität verfallen, sondern brav als Arbeitskraft und Konsument weitermachen.

      Die Gleichschaltung der Massen wurde schon lange über die vorhandenen Kommunikationskanäle und später über die Massenmedien und das Internet versucht. Nur an sehr wenigen Stellen der Erde ist es bisher gelungen, das Internet völlig abzuschirmen, zum Beispiel in Nordkorea. Doch auch in solchen Ländern sickern äußere Informationen, Weltanschauungen und Werte zu den Bürgern und Konsumenten durch. Wenn die Auswahl an Informationen groß genug ist, gelingt es dem meisten Menschen sich eine eigene Meinung zu bilden, so zum Beispiel auch in China oder in der Türkei. Somit haben heute Menschen weltweit doch eine recht ähnliche Einschätzung, was Gerechtigkeit, Menschenrechte und gesellschaftliche Grundwerte betrifft. Es gibt dabei noch große lokale Unterschiede und viele Menschen können noch nicht aktiv an der Definition dieser Werte teilhaben. Trotzdem sind sich dich die Menschen der Welt über bestimmte ethisch-moralische Grundbegriffe noch niemals in der Geschichte so einig gewesen wie heute. Dafür sprechen viele Protestbewegungen, Aufstände und Revolutionen, die seit Beginn des Jahrtausends stattfanden und sich auf diese nun weltweiten Wertvorstellungen stützen. Die Machthaber in autoritären Staaten versuchen solche Gefahren einzudämmen, indem sie die Kommunikation im Internet und in der Telekommunikation überwachen. So werden Verdächtige gefunden oder das Internet und Mobilnetze rechtzeitig abgestellt. Da es den modernen Telefonen aber möglich ist untereinander per Bluetooth oder WLAN über kurze Distanzen Informationen auszutauschen, kann damit auch in unfreien Ländern unentdeckt kommuniziert werden, oft sogar verschlüsselt. Kontrollmaßnahmen der despotischen Herrscher werden so umgangen. In so genannten Mesh-Networks schließen dann Programme wie Briar oder Bridgefy alle Nutzer in der Nähe zusammen, was im Roman „Achtzig Jahre danach...“ auch ein Rolle spielt.

      Ebenso sollten wir hoffen, dass sich das Internet gegen zivilisationsfeindliche Lobbyisten, wie zum Beispiel die Terror-Organisation „Islamischer Staat“ verteidigen kann. Der Schutz des Weltkulturerbes, kann nur durch weltweit wachsenden Respekt und dem Interesse daran, unterstützt werden. Huxley deutet im Roman an, dass in einer Art von „Kulturrevolution“, eine gründliche Säuberung von unerwünschten Kulturgütern aus der Vergangenheit der „Schönen neuen Welt“ stattgefunden habe. Diese Gesellschaft scheint danach fast völlig frei zu sein von Hinweisen auf Werte oder Wissen aus vergangenen Kulturen. Nur wenige Artefakte oder Indizien existieren noch in den Reservaten oder in den Arbeitszimmern weniger Privilegierter, wie den Weltaufsichtsratsmitgliedern. Diese werden dann oft als abschreckende Beispiele präsentiert, die dann mit der Schulpropaganda der „Schönen Neuen Welt“ Hand in Hand gehen. Nur wenige Errungenschaften, wie die Fließbandfertigung, wurden mit religiösem Eifer aus der Vergangenheit übernommen. Die gezielte Auswahl von Episoden und Anekdoten der Geschichte und auch die Geschichtsfälschung werden ebenfalls von totalitären Systeme als Werkzeuge eingesetzt.

       Gehirnwäsche und Konditionierung

      Seit den Experimenten von Pawlow waren nicht nur jedem Psychologen, sondern auch vielen Verkaufsexperten die interessanten Zusammenhänge dieser Versuche bekannt. Verkauf soll hier als weit gefasster Begriff verstanden werden, denn im weitesten Sinne, verkaufen auch Propagandisten, Sektenführer, Politiker und sogar Lehrer ihre Produkte.

      Der Schlüsselreiz war im Fall von Pawlows Hund ein Klingelton, er kann aber durch andere bewusste oder unbewusste Sinnesreize ersetzt werden. Viele Religionen nutzen diese Effekte ohne den Wirkungsmechanismus jemals systematisch untersucht zu haben. Bestimmte Symbole, Farben, Gebete, Gerüche oder Rituale verursachen, bei routinierter Einübung, bei Menschen massive körperliche und emotionale Reaktionen.

      Hilfreich ist dabei in Huxleys Schöner Neuen Welt die Fixierung auf das Ford’sche T-Symbol oder pseudo-religiösen Rituale, wie Eintrachtssitzungen. In der Konsumwelt funktioniert das durch Markenlogos, musikalische Werbe-Eintrichterungen und ähnliche Verfahren ebenso gut. Das wusste man schon zu Huxleys Zeiten. Heute ist es noch schwerer geworden sich diesen Wirkungen zu entziehen, da wir fast ständig durch Werbemedien erreicht werden können.

      Erstaunt kann man als Leser der „Schönen Neuen Welt“ feststellen, dass trotz der Erziehung zur Zufriedenheit und Bescheidenheit, Statussymbole für die Menschen immer noch wertvoll sind. Statussymbole als solche zu erkennen und auf eine bestimmte Weise darauf zu reagieren scheint eine Frage der Erziehung zu sein. Gegen Statussymbole sind die Bürger der „Schönen Neuen Welt“ also nicht immun und sie wurden sogar gezielt als Werkzeug benutzt, den Willen der Menschen zu steuern. Die im Roman beschriebene Orientierung an Statussymbolen, insbesondere in Form von beruflichen Positionen und dem Status mit Prominenten bekannt zu sein, öffnet sogar ein gewisses Potenzial zum Klassenkampf. Bis heute konnte sich noch kein Staat von Statussymbolen befreien. Es hat sicher auch noch niemand ernsthaft versucht und Statussymbole scheinen als eine Art von Reviermarke von den Menschen selbst gerne genutzt zu werden. So zeigt man, was man hat oder wo man steht.

      Die offenen und unterschwelligen Manipulationsversuche von Lobbyisten rechne ich ebenfalls zu den modernen Techniken der Konditionierung. Das ist der Fall, wenn beispielsweise religiöse Interessengruppen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio, kostenlose Sendezeiten bekommen, um auf angehörige anderer Religionen und auf Atheisten Einfluss zu nehmen. Dies sind dann eindeutig Konditionierungsmaßnahmen. Auch die Vorstellung neuer Technologien in den Medien soll häufig die öffentliche Meinung positiv beeinflussen und womöglich Kritik abschwächen oder sogar Börsenkurse manipulieren.

       Chemische Beeinflussung

      Schon seit Jahrhunderten werden bei Verhören oder zum Erpressen von Geständnissen Drogen verabreicht. Freiwillig eingenommene Volksdrogen, wie Alkohol, Tabak, Medikamente oder Kokablätter haben zwar weniger starke Wirkungen, aber sie sind weit verfügbar. Sie werden also viel häufiger angewendet und sind oft auch noch legal. In der Summe sind deren negativen Folgen für Gesundheit und Volkswirtschaft noch größer als die Schäden durch harte oder „schmutzige“ Drogen, zum Beispiel wie Heroin. Aufputsch- oder Beruhigungsmittel, oft in Form von Tabletten, mussten lange Zeit durch Ärzte verordnet werden. Sie nehmen eine mittlere Stellung zwischen harten und weichen Drogen ein, auch was ihren Ruf betraf. Psychopharmaka wie Ritalin, Prozac oder Antidepressiva waren ursprünglich nur Mittel die man entweder therapeutisch mehr oder weniger „Bekloppten“ verabreichte. In der modernen Leistungsgesellschaft haben diese Mittel jedoch inzwischen einen gewissen Aufstieg erlebt. Freiwillig oder mit etwas Überredungskunst gegenüber ihrem Arzt lassen heute viele Berufstätige diese Drogen, sich oder ihren Kindern verschreiben, auch ohne Krankheitsdiagnose. So werden der Arbeitsalltag oder die Schule