Rebeccas Schüler. Tira Beige. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tira Beige
Издательство: Bookwire
Серия: Rebeccas Schüler
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754176450
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in Rich­tung sei­nes Knies. Zen­ti­me­ter, die aus­reich­ten, um auch Rebeccas Haut zu strei­fen. Sie schluck­te und ließ zu, dass er sie zart be­rühr­te. Se­kun­den ver­stri­chen, in de­nen sie gar nichts fühl­te, au­ßer den sanf­ten Druck der Fin­ger­kup­pen auf ih­rem Knie. Erst ein Wind­hauch riss sie aus ih­rer Le­thar­gie.

      »Okay«, sag­te sie und zer­schnitt den Mo­ment mit ih­rer lau­ten Stim­me. Li­nus zog die Hand zu­rück und er­hob sich ge­mein­sam mit ihr. »Ich dan­ke dir, dass du so of­fen warst und mir so viel er­zählt hast. Ich den­ke, dass du das Abi schaf­fen kannst, aber dir auch ir­gend­wie klar ma­chen musst … Dass es ein wei­ter Weg für dich ist. Ich mei­ne, dass du in den Fä­chern, die dir Pro­ble­me be­rei­ten … Also in Ma­the und Phy­sik ir­gend­wie die Kur­ve schaffst.« Sie ei­er­te furcht­bar her­um, an­statt kla­re An­sa­gen zu ma­chen. Sei­ne Au­gen la­gen trotz­dem kon­zen­triert auf ih­rem Ge­sicht und be­weg­ten sich erst von dort weg, als sie ihre Ta­sche er­griff und mit ihm Rich­tung Schul­haus ging.

      »Ver­zei­hen Sie mir?«, wech­sel­te Li­nus un­er­war­tet das The­ma und sorg­te da­für, dass Rebecca kurz vor dem Ein­tritt ins Ge­bäu­de in­ne­hielt.

      »Was?«

      Li­nus for­cier­te einen Au­gen­kon­takt, der viel zu in­ten­siv war.

      »Dass ich in der Dis­co mit Ih­nen ge­flir­tet habe.«

      Er wuss­te es also doch noch. »Ich dach­te, du wärst zu be­trun­ken ge­we­sen, um dich dar­an zu er­in­nern.«

      »Ce­d­ric war sehr spenda­bel an die­sem Abend. Er hat alle aus der Stu­fe, die in die Dis­co kom­men woll­ten, ein­ge­la­den. Er hat den Ein­tritt be­zahlt, die Ge­trän­ke. Ein­fach al­les.« Wo­her hat­te er so viel Geld? Be­vor sie nach­fra­gen konn­te, re­de­te Li­nus wei­ter. »Es hat mich ge­freut, dass ich mal raus­kam und Ce­d­ric aus­ge­ge­ben hat. Da hat­te ich viel­leicht das ein oder an­de­re Bier­chen zu viel in­tus.«

      »Und dann hast du mich ge­se­hen und ge­dacht …« Sieht gut aus, kann ich mal pro­bie­ren. Rebecca ver­kniff sich, ins De­tail zu ge­hen. Sie ahn­te, dass er mehr für sie fühl­te.

      »Alle Mäd­chen hat­ten nur Au­gen für Ce­d­ric an die­sem Abend«, sag­te er. Und nach ei­ner Pau­se füg­te er hin­zu: »Sie auch.« Dass er sich trau­te, mit ihr über sol­che pi­kan­ten Din­ge zu spre­chen. Rebecca wuss­te nicht, wie sie dem Ge­spräch et­was Un­ver­fäng­li­ches ab­ge­win­nen konn­te, ohne sich zu ver­stri­cken. Ohne ihm Ant­wor­ten zu lie­fern, die sich nicht ge­ziem­ten.

      Sie schwieg da­her ein­fach. Und sieg­te, denn Li­nus setz­te die Un­ter­hal­tung fort: »Also, was ist? Ver­zei­hen Sie mir?«

      »Schwamm drü­ber. Ich muss jetzt in den Un­ter­richt.«

      Er nick­te, hielt ihr die Tür zum Schul­ge­bäu­de auf und ver­schwand in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung. Nicht ohne Rebecca vor­her ein dop­pel­deu­ti­ges Lä­cheln zum Grü­beln mit­zu­ge­ben.

      »Ich hat­te euch ja schon ge­sagt, dass wir uns ei­ni­ge Ge­dich­te aus der Zeit des Sturm und Drang an­se­hen, be­vor wir nach der Kurs­fahrt mit den ›Räu­bern‹ von Fried­rich Schil­ler ein­stei­gen. Ich habe ein Ar­beits­blatt vor­be­rei­tet, auf dem vier Ge­dich­te ent­hal­ten sind«, sag­te Rebecca und zeig­te den vor­be­rei­te­ten Blät­ter­sta­pel in die Höhe.

      »Ihr wer­det gleich zu dritt zu­sam­me­n­a­r­bei­ten und sollt je­weils ein Ge­dicht da­von un­ter­su­chen.« Da­mit überg­ab sie Vic­to­ria den Schwung an Blät­tern, die so­fort auf­stand und mit dem Ver­tei­len be­gann.

      Das Los ent­schied. Li­nus wur­de Sa­rah und Ju­lia zu­ge­teilt. Ce­d­ric soll­te mit Eme­ly und He­le­na zu­sam­me­n­a­r­bei­ten. Als die Zu­ord­nung vor­ge­le­sen wur­de, strahl­te Eme­ly wie ein Ho­nig­ku­chen­pferd. Sie war so was von ver­knallt in Ce­d­ric, dass sie er­rö­te­te, als sie sich an einen ge­mein­sa­men Tisch setz­ten und ihr männ­li­cher Mit­schü­ler ihr di­rekt ge­gen­über­saß. Scheue Bli­cke wur­den ge­wech­selt. Eme­ly konn­te dem Au­gen­kon­takt mit ihm über­haupt nicht stand­hal­ten. Sie schau­te im­mer wie­der auf das Pa­pier, das sich un­ter ih­ren klam­men Fin­gern ver­bog. »Er ist so süß«, wa­ren ihre Wor­te, als sie vor Kur­z­em mit Rebecca das Ge­spräch ge­führt hat­te. Ce­d­ric schien gar nicht zu be­mer­ken, dass die Mit­schü­le­rin tie­fe­re Ge­füh­le für ihn heg­te, son­dern war nur dar­an in­ter­es­siert, die Auf­ga­ben­stel­lung mög­lichst schnell zu er­fül­len, um da­nach quat­schen oder auf sein Han­dy schau­en zu kön­nen.

      Ei­ni­ge Grup­pen ver­zo­gen sich nach drau­ßen, zwei blie­ben im Klas­sen­raum sit­zen, dar­un­ter Ce­d­ric mit sei­nen Mäd­chen. Rebecca be­ob­ach­te­te, wie er zur In­ter­pre­ta­ti­on ei­nes Ge­dichts an­setz­te, aber von He­le­na aus den An­geln ge­ho­ben wur­de. Mit ihr hat­te sich Rebecca ges­tern un­ter­hal­ten. Sie war eine der Spit­zen des Kur­ses, un­glaub­lich ehr­gei­zig, in al­len Fä­chern sehr be­müht, den An­for­de­run­gen ge­recht zu wer­den. Das streb­sa­me Aus­se­hen un­ter­strich sie durch einen stren­gen Zopf, der ihr ge­mein­sam mit dem stram­men Ge­sicht und den böse bli­cken­den Au­gen das Aus­se­hen ei­ner Do­mi­na ver­lieh.

      Ce­d­ric hat­te ih­ren Aus­sa­gen über­haupt nichts ent­ge­gen­zu­set­zen und so wur­de letzt­lich die Deu­tung von He­le­na ge­wählt. Eme­ly hat­te so­wie­so nichts zur Un­ter­hal­tung bei­zu­tra­gen, son­dern saß stumm auf ih­rem Platz und glitt mit ih­ren Au­gen an Ce­d­ric auf und ab, der noch im­mer nicht durch­schau­te, mit wel­cher In­brunst er an­ge­st­arrt wur­de. Nur Rebecca merk­te das Knis­tern in der Luft. Sie wür­den ein ver­dammt sü­ßes Pär­chen ab­ge­ben, mut­maß­te sie, als sie die bei­den be­trach­te­te.

      Nach zwan­zig Mi­nu­ten tauch­ten die an­de­ren Grup­pen auf, so­dass die Prä­sen­ta­ti­o­nen der Ge­dich­te be­gin­nen konn­ten. Ce­d­rics Grup­pe war die letz­te. Als sie dran wa­ren, er­hob er sich we­nig ener­gisch vom Platz und schlen­der­te nach vorn. He­le­na ging stram­men Schrit­tes Rich­tung Lehrer­tisch. Sie strahl­te ein Selbst­be­wusst­sein aus, das Rebecca Angst mach­te. Wenn Sie je­mals mit He­le­na in einen Dis­put ge­ri­et, konn­te sie schon jetzt die Gei­gen ein­pa­cken. Der lan­ge Zopf von He­le­n­as pech­schwa­r­zen Haa­ren flog von links nach rechts, als sie sich nach vorn be­weg­te. Eme­ly trot­te­te ih­ren Mit­schü­lern hin­ter­her. Es war klar, dass sie nichts zu mel­den hat­te. Mit ei­nem sol­chen Auf­tre­ten wür­de sie un­mög­lich bei Ce­d­ric lan­den kön­nen, der si­cher­lich auf Mäd­chen mit Cha­rak­ter stand. Eme­ly sah zwar bes­ser aus als He­le­na, aber sie wür­de nie über den Sta­tus ei­nes grau­en Mäus­chens hin­aus­ge­lan­gen.

      »Wir ha­ben uns das Ge­dicht ›Der Bau­er an sei­nen Durch­lauch­ti­gen Ty­ran­nen‹ von Gott­fried Au­gust Bür­ger an­ge­se­hen«, stieg He­le­na forsch in die In­ter­pre­ta­ti­on ein.

      »Wie ihr le­sen könnt, geht es um einen Bau­ern, der sei­nen Herrn an­klagt. Er wirft ihm zum Bei­spiel vor, dass sein Jagd­hund über den Acker rennt, den er be­wirt­schaf­ten muss.«

      Wäh­rend He­le­na das Ge­dicht für die Mit­schü­ler aus­ein­an­der­nahm, stan­den Ce­d­ric und Eme­ly schwei­gend da­ne­ben. Ce­d­ric schau­te ent­we­der ge­lang­weilt aus dem Fens­ter oder warf ge­nerv­te Bli­cke in Rich­tung Lara. Es war of­fen­sicht­lich, was er da­von hielt, Deutsch zu ha­ben. Eme­ly schau­te scheu durch den Raum oder lug­te ver­stoh­len nach