12 fette Frauen. Cathrin Sumfleth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cathrin Sumfleth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742774965
Скачать книгу
astrein! Astrein sag ich euch!" Jürgen nickt. „Ich hatte auch nie die Wahl, andere Zeiten waren das." „Ja, genau! Andere Zeiten", Kuddel stimmt zu. Er bestellt ein Bier für sich und ein Glas Prosecco für Roswitha. Ich wusste überhaupt nicht, dass es im Nachtlicht Prosecco gibt. Die Idee gefällt mir eigentlich gut und ich schenke mir selbst auch ein Glas ein. Jürgen und Kuddel stecken auf einmal in einer angeregten Diskussion über ihre offenbar gemeinsame Schulzeit fest, reden über ehemalige Lehrer, Klassenkameraden, Schulausflüge. Roswitha prostet mir zu. „Schätzelein, schön, dass Carmen jetzt auch mal bisschen mehr frei hat. Man muss der schon lassen, fleißig, das isse. Aber jetzt, wo Maria nicht mehr ist, da muss sie auch mal einen Gang runter fahren. Die ist ja auch noch so jung. Eine Schande ist das." Ich nicke. Roswitha redet weiter: „Ne gute Frau war das, die Maria. Hat sich immer engagiert, bei sich drüben in Steilshoop. Nachhilfe gegeben hat se. Und für die Nachbarn eingekauft. Und vor allem nie gejammert. Auch wenn das Leben nicht immer gut zu ihr war. Als sie damals nach der zweiten Schwangerschaft nicht zurück in den Job konnte, weil man sie schon ersetzt hatte, während ihrer Elternzeit, das war 'ne fiese Nummer. Ganz, ganz fies. Und dann ist ihr der Mann abgehauen. Und sie, allein mit 2 kleinen Mädchen. Da war an Arbeit nicht mehr zu denken. Die Jenny, die war auch nicht leicht. Ich weiß, keiner redet davon ... aber ich weiß noch, als die klein war. Die war ein echter Wildfang, hat sich immer mit den Jungs geprügelt in der Schule. Das war nicht leicht für Maria, nicht leicht ... " Sie trinkt noch einen Schluck Prosecco. „Ich hoffe jedenfalls, Carmen nimmt sich jetzt genügend Zeit für sich", schließt sie ihren Monolog ab. „Wir gehen jetzt zusammen zum Sport", erzähle ich. „Nicht, dass ich ein großer Sportfan bin, aber Carmen hat mich darum gebeten. Sie braucht etwas Abwechslung." „Sport, soso", sagt Roswitha. „Als ich jung war, da habe ich Hockey gespielt!" Ich bin nicht überrascht, tue aber so. Sie erzählt noch ein wenig von ihrer anscheinend sogar recht erfolgreichen Hockey-Karriere, die ganz abrupt endete, als sie sich das Knie verletzte. „Von da an war ich nur noch als Fan im Stadion. Und irgendwann, eines schönen Tages, Heimspiel, wir sind gerade ganz kurz davor, zu gewinnen, rempelt mich so ein besoffenes Arschloch von der Seite an und verschüttet sein Bier über mich. Dem hab ich erst mal eine reingehauen. Na, jedenfalls, ... so haben Kuddel und ich uns kennengelernt", sie streichelt liebevoll über seinen Arm. Romantisch, denke ich. „Seine Nase war gebrochen, ich bin dann mit ins Krankenhaus. Weil, das tat mir dann doch leid. Und ich hab ihn auf ein Bier eingeladen, später. Über 20 Jahre ist das jetzt her." Kuddel unterbricht sein Gespräch mit Jürgen. „Was sagst du, Sternchen?" „Dass ich dich und deine Krüppelnase jetzt schon über 20 Jahre kenne, das sach ich." „Ja, 18 Jahre Ehe", sagt Kuddel, „und ich habe sie noch nie geschlagen.", er lacht und nimmt sie in den Arm. Irgendwie finde ich das alles abstrus und entschließe mich, noch einen Schluck Prosecco zu trinken. Jürgen, Roswitha und Kuddel schwelgen jetzt zu dritt in gemeinsamen Erinnerungen (Roswitha scheint eine ehemalige Schulfreundin von Jürgens Exfrau zu sein) und das Nachtlicht füllt sich nach und nach. Ich bediene drei bärtige Männer, die sich rechts neben Jürgen und Co. an den Tresen gesetzt haben, Jürgen auch zu kennen scheinen, allen zuprosten und nach der ersten Runde Schnaps auch direkt die zweite bestellen, dicht gefolgt von der dritten. Ich kann kaum so schnell einschenken, wie sie trinken. Nach der fünften Runde steigen sie auf Bier um. Ich schreibe an, alles geht auf den schlaksigen bärtigen Mann in der Mitte, sein Name ist Jörg. Eine blonde, zierliche Frau ruft mir über den Tresen zu, dass sie dringend ein Bier braucht. Zwei grauhaarige Damen mit Kurzhaarschnitt, schätzungsweise um die 60, bestellen ein Leitungswasser und einen Cognac. Ich habe gut zu tun. Irgendwann quetscht sich aus dem Nichts Carmen an den Leuten vorbei und stellt sich zu mir hinter den Tresen. „Paulaaa, hier ist ja was los! Wahnsinn. Steht dir, so eine Bar", sie lacht. Jörg mit dem Bierdeckel will zahlen, die drei Bärtigen gehen. Auf einmal tauchen Sven, der eigentlich Alex heißt, mit zwei anderen Männern auf. Sie setzen sich auf die gerade frei gewordenen Plätze. „Hi, Paula!", sagt Alex. „Äh, hi! Was machst du denn hier?", blaffe ich ihn beinahe an. „Na, du hast doch gesagt, du gehst in die Kneipe! Und heute ist Freitag. Da dachte ich, also, da dachten wir ... wir lassen uns von Carmen mitnehmen. Weil, äh, sie hatte schon häufiger von der Kneipe ihres Onkels erzählt, und, na ja ..." „So kam eins zum anderen", fällt ihm Carmen ins Wort und lacht. „Wir haben schon im Klönschnack ein paar Schnäpse vor getrunken!" Innerlich verdrehe ich die Augen. Dass ich den jetzt auch noch außerhalb des Fitnessstudios sehen muss. „Eiweiß-Shakes führen wir leider nicht", sage ich. „Ah, Mist. Dann nehm ich 'n Bier!", sagt Sven. „Aber das hat doch überhaupt keine Proteine!", rutscht es mir raus. Er ignoriert mich und fragt seine Kumpels, was sie trinken wollen. Alle drei sitzen nebeneinander, Sven sitzt ganz links. Je länger ich seine beiden Mitbringsel ansehe, desto mehr habe ich das Gefühl, dass ... der eine nimmt die Hand des anderen. Sie sind schwul! Oh mein Gott, Sven ist schwul. Wie konnte ich es nicht merken, es war doch so naheliegend. Attraktiv, etwas zu gepflegt und etwas zu nett. Natürlich! Vielleicht spricht hier auch der Prosecco aus mir, aber auf einmal ist mein Herz voller Liebe für Sven. Und für seine Freunde sowieso. Sie bestellen zwei Astra und einen Prosecco für den, der ganze rechts sitzt. Hübsch ist er. Ich stoße mit ihm an. Wir plaudern ganz locker, Carmen unterhält sich mit Sven und dem in der Mitte und sie und ich bedienen abwechselnd die Gäste. Irgendwann verabschieden sich Jürgen, Kuddel und Roswitha, die mich zum Abschied umarmt und mir anbietet, sie von nun an Rosi zu nennen. Das passt eigentlich gar nicht zu ihr, aber ich freue mich trotzdem. Jürgen klopft mir auf die Schulter und lallt: „Super machsss du das! Ganz her-vor-ragen'd", küsst Carmen zum Abschied auf die Wange, sagt „Hab dich lieb, mein Sonn'schein!" und schwankt nach draußen. Wir werfen uns einen belustigten Blick zu, dann gibt Carmen eine Runde Jägermeister für uns und unsere neuen schwulen Freunde aus. Ich bin irgendwie erleichtert. Fast ein wenig glücklich. Jetzt kann ich Sven verzeihen, dass er so perfekt ist! Hätte er doch nur was gesagt. Wir hätten einfach direkt Freunde werden können, uns gemeinsam verschwören können, gegen die Gesellschaft. Nein, gegen den Rest der Welt! Er hat es sicher auch nicht leicht. Ich seufze leise und trinke dann meinen Schnaps. „Alles in Ordnung?", fragt Sven, der meinen kleinen Seufzer gehört haben muss. „Ja, alles super!", singe ich beinahe. „Schön!", Sven lächelt. „Hübsch siehst du aus heute Abend." „Oh, danke. Na, weißt du, Sportkleidung ist nicht bei jedem so schmeichelhaft." Er lacht, freut sich über das indirekte Kompliment. Ich hoffe, er findet auch so einen netten Freund wie sein Kumpel rechts von ihm. „Ich finde, du kannst dich auch sehen lassen in Sportklamotten", sagt Sven. Hat er gerade die Augenbrauen hochgezogen, oder bilde ich mir das nur ein? „Pfft!", mache ich. „Doch doch", sagt er. „Da kann man wirklich schon zwei mal hinschauen. Und die enge Sporthose, die du heute anhattest ..." Flirtet er mit mir? „... da musste ich schon kurz meine Vitalfunktionen überprüfen! Puh!" „Ja äh. In deinem Alter ist's schon besser, du kontrollierst die auch regelmäßig", sage ich und bin irritiert. Sven geht kurz auf die Toilette. Ich packe Carmen am Arm und ziehe sie kurz zur Seite: „Carmen, bitte sag mir, dass Sven schwul ist!", flüstere ich ihr ins Ohr. „Alex meinst du. Wieso?", antwortet sie viel zu laut. „Weil ... weil seine Freunde schwul sind und da dachte ich, ich dachte ... CARMEN! Er ist doch schwul?" Sie lacht laut auf. Ich schaue sie böse an. „Sorry", sagt sie und zuckt mit den Achseln, „aber davon ist er ganz weit entfernt." Ich merke, wie mir alles aus dem Gesicht fällt. „Bist du dir sicher ...?" "Paula, er kommt seit Jahren in den Klönschnack. Ich kenne die ganzen Geschichten von seiner Exfreundin." "Exfreundin?!" "Ja, wie sie ihn betrogen hat. Aber aufs Übelste." Carmen meint das ernst. Sie verzieht keine Miene. Erst als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkt, fängt sie laut an zu lachen. Svens Freunde, die gerade sehr in ihr Gespräch vertieft waren, schrecken auf. „Du machst ein Gesicht wie ein Pferd, Paula. Hahaha. Oh Gott, sieht das lustig aus. Komm, komm! Du brauchst noch einen Schnaps." Sie tätschelt meine Schulter, als wäre ich tatsächlich ein Pferd. In dem Moment kommt Sven von der Toilette zurück. „Zeit für einen Schnaahaaaps!", trällert sein Kumpel ihm ins Ohr. Er nickt nur. Und als Carmen die Schnäpse eingeschenkt hat, schaut er mir beim Zuprosten tief in die Augen. Ich glaube, ich werde knallrot. Gut, dass das Licht hier so schlecht ist. Ich will, dass er wieder schwul ist. Es hätte so schön sein können. Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn wieder nicht zu mögen. Auch wenn er offensichtlich so betrunken ist, dass er mich unermüdlich angräbt. Klar, denke ich, er hat ja auch keine andere Option, zumindest gerade, vor Ort jetzt. Carmen ist vergeben und