»Danke Mara, das ist lieb.«
»Das hat mit lieb nichts zu tun, sondern das meine ich genauso. Zumindest hast du erstmals deine Ruhe vor ihr. Ich habe ihr klipp und klar gesagt, dass du auf der Intensivstation liegst und du in den nächsten Tagen sicher nicht erreichbar bist, weil ich dein Handy hätte. Komm ja nicht auf die Idee, dass du dich zu früh meldest.«
Ich schätzte meine quirlige kleine Freundin, die wie ein Duracell-Hase unermüdlich aktiv, aber vor allem mir gegenüber absolut loyal war.
Eine Krankenschwester trat heran. »Es tut mir leid, in fünf Minuten ist die Besuchszeit vorüber und ich muss Sie bitten, sich langsam zu verabschieden.«
»Oh, schon.«
»Natürlich, danke für die Information«, bemerkte Mara höflich, ehe sie sich an mich wandte. »Ich bin eh schon länger hier, aber ich wollte dich nicht aufwecken. Soll ich irgendetwas für dich besorgen? Oder hast du etwas zum Mitgeben, deine alte Kleidung vielleicht.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hab nicht einmal gefragt, wo meine ist – da siehst du, wie hinüber ich bin.«
»Mach dir keine Sorgen, du bist jung, da bist du körperlich bestimmt bald auf der Höhe. Ich habe mir dich schlimmer vorgestellt. Bis auf deine Haare – wenn du raus bist, bekommst du von mir einen ordentlichen Haarschnitt verpasst.« Mara bückte sich zum angrenzenden Nachtkästchen. »Ich packe dir die Tasche da einmal hinein.« Dabei zog sie einen Plastikbeutel heraus. »Und ich glaube, ich habe deine alten Sachen gefunden.«
Ich langte zum Beutel und öffnete ihn. Kalter Rauchgeruch stieg empor. In mir erwachten die Bilder vom Feuermeer. Rasch verknüpfte ich die Plastikhenkel, als könnte ich damit die Erinnerungen aussperren.
»Wenn du möchtest, wasche ich dir deine Sachen. Vielleicht ist noch etwas zu retten.«
»Nein.«
»Das ist wirklich kein Problem.«
»Nein«, bestärkte ich. »Du verstehst nicht. Wenn, dann mache ich es selbst. Für dich ist es nur ein Beutel mit verdreckten Sachen, für mich weit mehr.«
»Nun habe ich verstanden. Ich stelle es dir in die Wohnung ins Badezimmer, okay? Dein Auto steht übrigens am angestammten Platz vor dem Haus. Wurde von einem Beamten dort hingebracht.«
Ich nickte zustimmend. War von meinem Heimathaus noch etwas übriggeblieben? Das spielte im Moment keine Rolle, und ich würde es früh genug herausfinden.
»Ach Suni, ich wünschte, ich könnte dich gleich mitnehmen. Melde dich, so oft du willst und kannst. Und wenn du ein Taxi nach Hause brauchst, hol ich dich selbstverständlich ab. Komm, lass dich noch einmal drücken. Ganz vorsichtig, versteht sich.«
»Danke«, raunte ich ihr ins Ohr. »Ich danke dir.«
Befragung – Anfang Juli
»So, Frau Winzer, dann wollen wir Ihre Brandwunde genauer begutachten.« Doktor Wurm wirkte geschäftig, stülpte sich Handschuhe über.
Ich setzte mich gleich auf. Schwester Angela war ihm behilflich und löste den alten Verband. Der Arzt tastete meinen Rücken ab. Ich presste die Lippen aufeinander, denn trotz Schmerzmittel spürte ich ein starkes Brennen.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich nach.
»Bedeutend besser. Es war gut, dass wir am ersten Tag gleich die abgestorbenen Wundränder entfernt haben. Die Sekretion ist zurückgegangen und es sind an sich keine Entzündungszeichen vorhanden. Natürlich, wie Sie wissen, bleiben bei einer Verbrennung dritten Grades meist Narben zurück. Doch wie es sich zurzeit darstellt, dürften diese nicht allzu massiv ausfallen. Da bin ich optimistisch.«
»Kann ich es sehen? Vielleicht ein Bild mit meiner Handykamera machen?«, bat ich.
»Das wird Schwester Angela für Sie gerne tun.« Doktor Wurm entledigte sich seiner Handschuhe und trat mir gegenüber. »Ihre Werte haben sich deutlich gebessert, sodass keine weitere Sauerstoffbehandlung mehr nötig ist. So wie es sich darstellt, können wir Sie heute noch auf die Normalstation verlegen, und wenn alles gut geht, und kein Fieber mehr auftritt, übermorgen in häusliche Pflege entlassen. Die Verbandswechsel können Sie vor Ort von Ihrem Hausarzt vornehmen lassen.«
»Das freut mich.«
Doktor Wurm zeigte ein Lächeln. »Somit gehe ich davon aus, dass wir uns nicht mehr sehen, da ich mich die nächsten Tage in Urlaub befinde. Ich wünsche Ihnen deshalb heute schon eine gute Genesung.«
»Danke, auch Ihnen alles Gute und einen schönen Urlaub.«
Der Arzt drehte ab. Schwester Angela ergriff mein Handy, das ich ihr reichte und machte das versprochene Bild. »Hier bitte.«
Während die Krankenschwester die Wunde desinfizierte, starrte ich auf die Aufnahme. Die Verletzung war kleiner als erwartet, auch wenn sich ein geröteter Streifen über das gesamte linke Schulterblatt erstreckte. Zum Glück gab es nur zwei kleine nässende Wunden, etwa daumennagelgroß, die somit tiefer in die Hautschichten bis in den Muskel vorgedrungen waren. Das Foto beruhigte mich mehr als die Worte des Arztes. Ich hatte Glück gehabt, war um eine Hauttransplantation herumgekommen, was ich wohl einer guten Wundheilung, der raschen Behandlung und den mittlerweile effizienten Verbandsstoffen verdankte.
Ich spürte, wie Schwester Angela eine Salbe auftrug und ein spezielles Gewebe vorsichtig andrückte, ehe sie alles mit einem sterilen Verband abdeckte.
»So, erledigt. Wie geht es Ihnen mit den Schmerzen?«
»Sie werden besser. Auch das Atmen fällt mir leichter und ich fühle mich etwas kräftiger.«
»Das ist gut. Im Nebenraum wartet übrigens ein Polizist. Ich habe gesagt, dass ich mich zuerst bei Ihnen erkundige, ob Sie sich fit genug für eine Vernehmung fühlen. Wenn Sie mögen und einverstanden sind, bringe ich Sie mit dem Rollstuhl nach nebenan.«
»Ich glaube, ich schaffe es auf meinen eigenen Beinen. Aber bitte begleiten Sie mich sicherheitshalber.«
»Selbstverständlich.«
Ich schlüpfte in die Hausschuhe, die Mara mitgebracht hatte, und stellte mich hin. Mein Kreislauf fühlte sich stabil an, die Beine wirkten schwächer, aber sie zitterten nicht. Ich ging langsamer als für gewöhnlich, gestützt von Schwester Angela, die schließlich die Tür zum angrenzenden Zimmer öffnete. Ich erkannte, dass es sich hier normalerweise um einen Aufwachraum handelte. Es gab Monitore, Infusionsständer, einen Defibrillator, sowie einige Schränke, die wohl weitere medizinische Geräte und Gegenstände enthielten. Die mittlere Fläche des Raumes war frei und bot somit ausreichend Platz für ein Krankenbett. An der Seite stand ein kleiner rechteckiger Tisch mit zwei Kunststoffstühlen. Sogleich erhob sich ein Mann in Uniform, der dort wartend gesessen hatte. Ich schätzte ihn zwischen vierzig und fünfzig. Er nahm die Dienstkappe ab, zeigte rotblondes kurzes Haar, während sein Gesicht mit unzähligen Sommersprossen übersät war.
»Alsuna Winzer?«, erkundigte er sich.
Ich nickte, und unterließ die Bemerkung, dass ich normalerweise mit Jasmin angesprochen wurde, und sich der Vorname Alsuna für mich fremd anfühlte. Schwester Angela schloss die Tür, damit wir ungestört waren.
»Ich habe Sie schon erwartet. Sind Sie der Polizist, mit dem ich per Telefon gesprochen habe?«
»Nein. Manuel Lichter. Ich bin Ermittler in der Mordkommission.« Er zog seinen Dienstausweis hervor.
Ich schaute flüchtig drüber, nahm auf dem gegenüberliegenden Stuhl Platz. Mit einem Mal fühlten sich meine Beine schwummrig an, was nicht an der körperlichen Schwäche lag, sondern daran, weil ich wusste, über was wir jetzt sprechen würden. »Wie ist der aktuelle Stand?«
Lichter kam gleich zur Sache. »Das Feuer wurde mit Absicht gelegt, wir haben Brandbeschleuniger gefunden in Form von Benzin. Und …«