Pyria. Elin Bedelis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elin Bedelis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754940136
Скачать книгу
wenn man bedachte, dass das fremde Schiff nach ihr suchte. Der Schatten machte sich nicht die Mühe, sich zu wiederholen. Er erwiderte ihren herausfordernden Blick mit seiner Kälte, bis das jüngere Mädchen aufgab. »Andererseits ist es wohl besser, wenn ich nicht zu sehen bin. Nicht, dass er wüsste, wie ich aussehe, aber man kann ja nie vorsichtig genug sein«, fügte sie schließlich hinzu, nahm mit einem gezwungenen Lächeln die Aufforderung an und ließ sich hinab in den Schiffsbauch führen.

      »Was nun?«, fragte Grothia interessiert und zupfte ihren eigenen weißen Handschuh zurecht. Sie war für alles bereit. Das Gleiche konnte man von Leén leider nicht sagen. Sie hatte das seltsame Gefühl, dass irgendetwas an dieser Situation nicht stimmte. Nicht nur, dass sie plötzlich allein mit zwei Schatten auf dem Achterdeck stand, es schien auch eine ganz neue Form von Gefahr in der Luft zu liegen. Sie wusste, dass Machairi einen Plan hatte, aber ob dieser Plan ihr gefallen würde, war eine ganz andere Frage. Die Tatsache, dass er sie nicht weggeschickt hatte, legte doch die Vermutung nahe, dass er sie hier haben wollte, und das konnte nichts Gutes bedeuten. Sie hatte keine Lust, erneut als Werkzeug verwendet zu werden.

      Die nächsten Minuten verstrichen in nervenaufreibender Ruhe. Entspannt stand Machairi am Heck des Schiffes nahe der Reling und schien darauf zu warten, dass das Schiff des Sultans sie erreichte. Es war kaum größer als ihr eigenes, hatte aber wesentlich mehr Tuch gesetzt und war besser bewaffnet. Soweit Leén das sehen konnte, hatten sie selbst nur eine einzige kleine Kanone und das andere Schiff … nun, sie dachte lieber nicht darüber nach, wie viel Feuerkraft sich hinter dem Rumpf verbarg. Außerdem fiel ihr Blick nun erneut auf den Horizont, weil sie sich erinnerte, ein weiteres Schiff gesehen zu haben. Tatsächlich zeichneten sich nun weiße Segel sehr deutlich in der Ferne ab. Ganz offensichtlich waren jene Verfolger wesentlich langsamer, aber auch viel größer. Es hatte die klassischen viereckigen Segel, wie sie in Cecilia zumeist verwendet wurden und hielt ihnen stetig nach. Vor ihnen konnte man mit Sicherheit davonsegeln, wenn man auf einem so viel wendigeren und leichteren Schiff war, denn schließlich war das cecilianische Schiff wohl eher für die Hochzeit als für eine Verfolgungsjagd nach Hareth gekommen. Das änderte aber nichts daran, dass Hareths Verfolgerschiff sie nun erreichte.

      Leén hielt sich bewusst im Hintergrund. Sie wich ganz an die Backbordseite zurück und beobachtete, wie das rotbesegelte Boot langsamer wurde und zu ihnen aufschloss. Vorne am Bug des Schiffes stand ein junger Mann. Seine dunklen Locken kräuselten sich in seiner Stirn und er stand aufrecht, in würdevoller Pose. Obwohl seine Gesichtszüge dennoch von einer gewissen Freundlichkeit zeugten, sah er dem Handelsschiff mit ruhigem Ernst entgegen und es bestand kein Zweifel, dass dieser Mann ein zukünftiger Sultan war. Eigentlich sah er genau so aus, wie Leén ihn sich vorgestellt hatte. Er schien sich zu Recht überlegen zu fühlen und dank der Wachen links und rechts von ihm und dem Rot und Gold seiner Kleider wirkte er trotz mangelnder Bedrohlichkeit einschüchternd. Prinz Zedian war ein würdiger Kontrahent zu Machairi, der den Blick seines Verfolgers vermutlich eiskalt erwiderte. Genau konnte Leén das von ihrer Position nicht sagen, weil der Schatten mit dem Rücken zu ihr stand.

      Das Schiff des Sultans wurde langsamer und sie segelten so nebeneinander, dass die beiden Männer sich gerade ansehen konnten und möglichst wenig Abstand zwischen ihnen war. Kurz fragte sich das Harethimädchen, ob sie wohl für den Schatten übersetzen musste. Das wäre in dieser Situation sicherlich noch unangenehmer als sonst, aber sie wurde von ihren Befürchtungen erlöst, als der Prinz das kurze Schweigen durchbrach und Machairi ansprach. »Ich sehe: Die Gerüchte sind wahr. Gebt mir meine Braut zurück und niemand muss zu Schaden kommen.« Eine Spur des typischen Harethiakzents schwang in seinem Cizethi mit, aber man merkte, dass der junge Mann eine hervorragende Ausbildung genossen hatte. Nur wenig holperte er über die harten Konsonanten und die fremde Betonung und Leén hätte es selbst kaum besser gekonnt. Nach Wochen in Kefa und in der Gesellschaft vieler Cecilian war ihr Cizethi inzwischen beinahe akzentfrei, aber sie hatte schließlich schon mit ihren Eltern beide Sprachen gesprochen.

      Gina lehnte sich an das Geländer, das verhinderte, dass man allzu leicht vom Achterdeck fiel, und grinste. »Direkt zum Punkt… und da heißt es immer, die Südländer würden so gerne plaudern«, sinnierte sie und seufzte theatralisch. Erschrocken starrte Leén sie an und konnte nicht glauben, wie unverschämt dieses Mädchen war. Warum hatte scheinbar kein einziger Schatten irgendeine Grenze in seiner Respektlosigkeit? Machairi schnitt der Faust mit einer Geste das Wort ab, als sie Luft holte, um etwas sicherlich Impertinentes rüber zu dem anderen Schiff zu brüllen.

      Der Prinz hatte die Augenbrauen leicht zusammengezogen, ließ sich aber weiterhin keine vermehrte Wut anmerken. Er wandte sich nur wieder Machairi zu und wiederholte. »Meine Braut.« Fest sah er zu ihrem Schiff hinüber, während er seine Forderung aussprach. »Sie sollte keine Gefangene sein.«

      »Ich halte keine Gefangenen«, antwortete Machairi ruhig und selbst auf die Entfernung konnte man dem Prinzen einen Hauch von Überraschung ansehen. Vielleicht waren es nicht die Worte, die ihn überraschten, sondern vielmehr die Stimme des Schattens, die so unerwartet melodisch und klar war.

      Nun schmunzelte Hareths Prinz und hob die Augenbrauen. »Und ich nehme an, dass ich das einfach glauben soll. Auf Euer Wort als Dieb?«, erkundigte er sich und schüttelte den Kopf.

      »Nichts spricht dagegen, dass sich der Skeptiker umsieht«, antwortete der Schatten und Leén fragte sich, ob er sich so verdreht ausdrückte, um eine Anrede zu vermeiden, oder ob er noch etwas anderes damit aussagen wollte. Sie betrachtete das Messer, das sich schneller und schneller durch die weißen Finger drehte. Noch immer war sich das Mädchen nicht sicher, ob das vielleicht ein Ausdruck von Nervosität war. Ganz davon abgesehen fragte sie sich, ob er den Prinzen wirklich an Bord kommen lassen würde. Es wirkte doch eher wie das Letzte, was sie wollen konnten, oder nicht?

      »Ein Angebot, das ich gern annehmen würde, wären nicht ein solch berüchtigtes Messer und ein sehr schmaler Steg zwischen uns«, bemerkte der Prinz, während tatsächlich jemand eine Planke herantrug, und musterte die tanzende Klinge in dem weißen Handschuh. Leén fand, dass das nach einer berechtigten Sorge klang, aber Grothia ließ ein Schnauben hören.

      Machairi schmunzelte. »Wenn das das Problem sein soll …« Es sah aus, als verliere der Schatten die Kontrolle über die Klinge. Das Messer fiel ihm aus der Hand, schlug einmal auf der Reling auf und platschte dann leise ins Meer. Erneut war Leén überrascht. Gwyn hatte ihr einst gesagt, dass der Schatten gut auf seine Messer achtete. Der Feuerspucker war geradezu entsetzt gewesen, als Machairi ihr eine Klinge übergeben hatte, um sich besser verteidigen zu können (worin sie sich nicht besonders gut angestellt hatte). Wieso würde er eine Klinge über Bord fallen lassen? Sicher musste doch auch einem Harethiprinzen klar sein, dass der Messerdämon mehr als ein Messer trug. Vielleicht war es jedoch auch die Geste, die zählte, denn der Schatten setzte hinzu: »Die Zeiten, da ein toter Prinz eine sinnvolle Lösung wäre, sind vorüber.«

      Prüfend musterte der Prinz sein Gegenüber, während einer seiner Diener ihm mit besorgtem Blick etwas zuraunte und der Steg zu ihnen herübergelegt wurde. Leén sah, wie ihr eigener Kapitän ihnen einen alarmierten Blick zuwarf und der Steuermann umklammerte das Rad nun so fest, dass man Angst haben musste, er könnte es unter seinen Fingern zerbrechen. Mit der gleichen Ruhe wie auch sonst immer ging der Schatten mit fließenden Bewegungen die Treppe zum Hauptdeck hinab und erwartete die Gäste jenseits der Planke.

      Leén konnte nicht sagen, was Prinz Zedian veranlasste, auf diesen Vorschlag einzugehen, warum er nicht mit aller Gewalt entern ließ, um ihnen die Prinzessin zu entreißen. Doch der Prinz trat an die Reling, ohne weitere Bedenken zu äußern.

      Ein uniformierter Vartija betrat den Überweg als Erster, den Blick skeptisch auf den Schatten gerichtet und die Hand fest um ein Schwert geschlossen. Jeder Soldat auf dem anderen Schiff schien angespannt und als der Prinz selbst den Steg hinter seinem Soldaten betrat, wurde die Stille so vollkommen, dass man die Anspannung fast in der Luft surren hören konnte. So entging niemandem das erste Grollen, das aus den Tiefen des Wassers erklang. Die Schiffe erbebten und das Wasser schien zu brodeln. Die Besatzung beider Schiffe klammerte sich fest an dem erstbesten Halt, den sie fanden, und Schreck, Überraschung und Angst lösten die Anspannung ab. Ein Messer schoss aus der Tiefe hervor wie aus einem Kanonenrohr und mit einer Sicherheit, die nur jemand haben