Pyria. Elin Bedelis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elin Bedelis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754940136
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war, sich an diese eine goldene Regel zu halten: Man durfte Machairi keinen Grund geben, wütend zu werden, und er hatte stets den Kopf geschüttelt über die dummen Idioten, die es trotzdem taten. Nun war er selbst so dumm gewesen und es war ihm unbegreiflich, wie tatsächlich irgendjemand überrascht über die Konsequenz sein konnte. Tatsächlich war er selbst nur überrascht, dass er nicht tot war. Vielleicht hatte ihre jahrelange Zusammenarbeit, die man fast als Freundschaft hätte betiteln können, ihm doch einen kleinen Gnadenbonus eingebracht … und Mico natürlich.

      Rish schwieg. Jetzt hätte Gwyn gerne ihr Gesicht gesehen, um zu wissen, was sie dachte. Dankenswerterweise war sie ein offenes Buch, aber in einem dunklen Raum half das nicht weiter. Stimmte sie ihm zu? Dachte sie noch darüber nach? Wollte sie das Offensichtliche weiterhin abstreiten? Eine ganze Weile war es still. »Du hast es nicht verdient«, flüsterte sie schließlich kaum hörbar aus der Dunkelheit. »Das hier…«, er nahm an, dass sie auf den kleinen Raum oder die braunen Kleider deutete, »hast du nicht verdient.«

      Für ihn fühlte es sich wohlverdient an. Dass sie das nicht sah, konnte man ihr allerdings nicht vorwerfen, schließlich kannten sie sich noch nicht lange genug, dass sie das Gesamtbild hätte sehen können. »Spielt keine Rolle«, antwortete er leise und senkte den Kopf.

      »Es wird bestimmt alles wieder gut«, versuchte sie nun ihn aufzuheitern, aber er musste sich nicht einmal anstrengen, um den Zweifel zu hören, der in ihrer Stimme mitschwang. Sie war sogar im Dunkeln leicht zu lesen. Wollte er wissen, was Machairi alles sah, wenn er mit ihr sprach? »Und ich mache mir trotzdem Sorgen um dich. Du bist zu hart zu dir.« Das Licht kehrte zurück und obwohl er sie nicht ansah, fühlte er ihren besorgten, mitleidigen Blick. Vielleicht war Licht tatsächlich keine schlechte Idee. Alles schien sofort ein bisschen weniger erdrückend, was nicht viel heißen wollte angesichts der Last, die auf ihn niederpresste. Seufzend schob sie die Schale mehr in seine Richtung. »Iss wenigstens etwas«, flüsterte sie dann.

      Ebenfalls seufzend gab er auf und griff nach der Schale. Um sie zufriedenzustellen nahm er sogar einen Bissen von dem Brot. Er kaute eine Ewigkeit darauf herum, während sie ihn beobachtete, als wollte sie ganz sichergehen, dass er es auch nicht wieder ausspuckte. Tatsächlich hätte er gerne genau das getan. Es schien absolut unmöglich, das Stück herunterzuwürgen, egal wie lange er darauf kaute. Als er es schließlich doch über sich brachte, würgte er, weil es sofort seinen Weg hinaussuchen wollte, aber er riss sich zusammen. »Danke«, murmelte er. Irgendwie rührte ihre Sorge ihn schließlich.

      »Jederzeit«, antwortete sie leise und dann wurde es wieder still, während sie ihm seinen Freiraum ließ und er damit beschäftigt war, einen weiteren Bissen herunterzuwürgen.

      Spielzeugschiffe

      Die Dinge hatten sich geändert. Mit Gwyns Grinsen war auch das übliche Gruppengefüge verschwunden. Leén war es, als hätten sie sich alle mit dem Feuerspucker nach der unheimlichen Nacht in Om’falo verändert. Besonders Mico schien seine Abneigung gegen alles hintenanzustellen, um das Loch zu füllen, das der einst so fröhliche Feuerspucker hinterließ. Leén war selbst kaum an der Aktion beteiligt gewesen und trotzdem hatte die Nacht sie geprägt wie keine zweite. Ihre Angst vor Machairi war zurückgekehrt, gepaart mit einem gewissen Maß von Abscheu. Sie konnte nicht begreifen, wie irgendjemand Gwyn so etwas antun konnte. Es war klar, dass der Zhaki schlechte Entscheidungen getroffen und einige Fehler gemacht hatte, aber es hatte ihr das Herz gebrochen, ihn so verzweifelt zu sehen. Sie konnte nicht verstehen, wie der Schatten die Kälte aufgebracht hatte, ausgerechnet Gwyn zu verstoßen. Dass der Gaukler es zu verstehen schien, machte es nicht besser. Von seiner stets guten Laune, seinem unvergleichlichen Grinsen, war nichts mehr übrig. Es war nicht schwer zu sehen, dass er mit sich selbst zu kämpfen hatte, und sie wünschte sich, ihm helfen zu können. Leider war er unwillig, ihre Hilfe anzunehmen, und sie war sich nicht sicher, ob es irgendjemand konnte … abgesehen von Machairi natürlich, der ihm problemlos hätte verzeihen können.

      Der Schatten hatte den Gaukler behandelt, als wäre er gar nicht da, nachdem er ihn an Mico übergeben hatte. Seit sie auf dem Schiff waren, hatte sich auch Machairi in eine Kajüte zurückgezogen und sie bekamen ihn nur selten zu Gesicht. Bisher hatte Leén nicht gewagt, zu ihm zu gehen und zu fragen, was er tat und wie es nun weitergehen sollte. Dabei interessierte es sie brennend, was für ein Plan all diesen Ärger wert sein sollte.

      Nachdem Gwyn das Essen erfolgreich in sich hineingezwungen hatte, war sie davon ausgegangen, dass es sinnvoll war, ihn vorerst wieder in Ruhe zu lassen. Offensichtlich wollte er nicht mit ihr reden und sie wollte ihm ihre Aufmerksamkeit nicht aufzwingen, obwohl sie ihn am liebsten in den Arm genommen hätte, bis es ihm besser ging.

      Vica saß in ihrer Koje und kümmerte sich um Spítha. Der kleine Drache rang, seit er von einem Armbrustbolzen getroffen worden war, mit dem Tod. Vica hatte ihn mit einem Greifvogel gefunden und zurückgebracht und nur Ilas Heilkünsten war es zu verdanken, dass der helle kleine Drache noch lebte. Die harte Schuppenhaut war glanzlos und der Verband um die Wunde war von Drachenblut getränkt. Reglos lag das kleine Geschöpf auf der Seite und nur an dem eindeutig gequälten Schnauben, das seine Nüstern zittern ließ, konnte man erkennen, dass das Tier noch lebte. In seiner alten Größe wäre ein Armbrustbolzen wohl nicht weiter tragisch gewesen, aber nun, da der Drache kaum so groß war wie eine Hauskatze, gab es wenig Hoffnung. Das bedeutete allerdings nicht, dass die blinde Naturistin bereit war, ihn aufzugeben. Das Mädchen und ihr wieselähnlicher Gefährte Puki verbrachten den größten Teil ihrer Zeit damit, sich um den sterbenden Drachen zu kümmern und Leén half ab und an mit den geringen Kräften, die sie entwickelt hatte, ihn im Gleichgewicht zu halten. Das Bemerkenswerte daran war, dass Vica ihre Hilfe sogar annahm – wenn auch widerwillig und mit bissigen Kommentaren. Wahrlich eine weitere unerwartete Veränderung, die sie seit Om’falo beobachten konnte.

      »Wird es besser?«, fragte sie hoffnungsvoll mit einem Blick auf den kleinen Drachen und kam vor der Koje zum Stehen.

      »Sieht es aus, als würde es besser?«, fauchte Vica, aber Leén hatte sich an ihren bissigen Tonfall gewöhnt. Manchmal glaubte sie, dass die Blinde vielleicht gar nicht in der Lage war, anders zu antworten. Vielleicht hatte Vica gar nicht immer ein Problem, sondern zu viel Angst, mit Freundlichkeit Menschen zu nah an sich heranzulassen. Es war eine gewagte Theorie, schließlich konnte sie dem sonderbaren Mädchen nicht hinter die Stirn schauen, aber es war immerhin eine Theorie, die dazu führte, dass Leén sich im Umgang mit ihr entspannen konnte.

      »Nein«, gab sie zu. »Ich hatte es trotzdem gehofft.« Unglücklich sah sie auf die leidende Kreatur hinab. Wenn sie doch nur mehr hätte helfen können. Die Dinge wären so viel einfacher gewesen, wenn sie in der Lage wäre, ihre Magie voll auszuschöpfen. Leider hatten die wenigen Tage Übung mit der alten Ila nicht ausgereicht, um ihr auch nur eine grobe Ahnung davon zu geben, wozu sie fähig war, und sie würde wohl allein mehr darüber herausfinden müssen. Ila hatte ihr noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg gegeben und Leén versuchte, allein zu üben. Inzwischen konnte sie das Licht sicher rufen und sogar in Formen bringen, aber ihr fehlte eine Lehrerin. Nach den Vorfällen in der Stadt waren sie gezwungen gewesen, schnellstmöglich zu gehen, weil die Patrouillen schon wenige Stunden später anfingen, die Häuser nach der verschwundenen Prinzessin zu durchkämmen. Auf dem Weg zum Hafen hatten sie alle ein weiteres Mal festgestellt, wie unschlagbar Machairi in einer Stadt war. Das hatte nicht dazu geführt, dass sie es richtig fand, wie er mit Gwyn verfuhr, aber es hatte ihr auch mehr als deutlich aufgezeigt, dass sie ihn brauchten, um zu überleben. Also waren sie wieder gemeinsam auf einem Boot gelandet.

      »Wenn sich dieser bescheuerte Schlossknacker nur nicht so anstellen würde«, fauchte sie. Offenbar schien es ihr zu helfen, auf alle anderen zu schimpfen, denn das tat sie schon seit sie in See gestochen waren. Es stimmte, Mico war tatsächlich nicht übermäßig hilfsbereit gewesen. Da er Mico war, hatte das Leén nicht weiter überrascht, vor allem, da der gleiche Drache den Magier selbst fast ins Jenseits befördert hätte. Er hatte nur einen Blick auf die Wunde geworfen und verkündet, dass nichts mehr zu retten war. Damit schien die Angelegenheit für ihn erledigt. Es wäre wohl töricht gewesen zu hoffen, dass seine