Pyria. Elin Bedelis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elin Bedelis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754940136
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als ihn zu heiraten. Leén dagegen konnte gut nachvollziehen, dass eine Heirat aus rein politischen Gründen nicht erstrebenswert klang, ganz besonders in eine fremde Kultur. Die Verwirrungen kultureller Unterschiede waren ihr selbst nur zu gut bekannt.

      Leise schlug das Meer gegen den Rumpf ihres Schiffes und der Wind umspielte das Boot in leichten Brisen. Friedlich schien die Sonne auf sie hinab und nichts schien von der Bedrohung zeugen zu wollen, die inzwischen so nah war, dass man erste Menschen an Bord erkennen konnte. Es war so beängstigend ruhig; verräterisch und tückisch schien die Stille zu sein. Ein dunkles Donnergrollen wäre fast angenehmer gewesen. Hätten sie nicht Machairi an Bord gehabt, hätte sie geglaubt, dass sie nun endgültig verloren waren, dass man sie kielholen würde, bevor sie auch nur einen weiteren Sonnenuntergang erlebten. Leider galt es auch im Hinterkopf zu behalten, dass Machairis Vorstellung von einem wünschenswerten Ergebnis nicht unbedingt mit einem guten Ergebnis gleichzusetzen war. Sie erschauderte und trat ein paar Schritte zurück. War es nicht besser unter Deck zu gehen und die ganze Angelegenheit dort auszustehen? Wenn sie versenkt wurden, würde sie von dort nicht rechtzeitig entkommen, aber dann war ihr Leben vermutlich sowieso vorbei. Unschlüssig trat sie auf die Treppe zum Achterdeck zu, wurde aber von einem rothaarigen Mädchen rabiat zur Seite gestoßen, das stürmisch hinaufgestampft kam.

      »Hör auf dich zu beschweren und freu dich mal! Endlich passiert hier mal was Interessantes!«, fauchte die Faust über die Schulter und sprang auf die Reling, um das Verfolgerschiff zu betrachten. Ihre Locken wehten leicht im Wind und gaben den Blick auf ein freudiges Grinsen frei. Sie hatte wohl zu Mico gesprochen und schien sich überhaupt keine Sorgen zu machen, über Bord zu fallen.

      Der große Cecilian hatte die Arme vor der Brust verschränkt und stand auf dem Hauptdeck, altbekannte Abfälligkeit im Gesicht, die doch in den letzten Tagen immer wieder in den Hintergrund gerückt war. Langsamer stapfte er die Treppe hinauf. »Du kannst nicht einfach in meine Kajüte rennen!« Ärgerlich kam er auf dem Deck zum Stehen und sah grimmig dem Schiff entgegen.

      »Es ist auch meine Kajüte, du Ochse.« Nun mehr amüsiert als patzig sprang die Faust zurück aufs Achterdeck. Der zweite Schatten Kefas an Bord des Schiffes hatte mit Mico den einzigen verfügbaren Kajütenpartner zugewiesen bekommen. Nachdem Gwyn in der Besenkammer schlief, die Prinzessin eine Kajüte für sich bekommen hatte, Leén sich eine Kajüte mit Vica teilte und Machairi wieder mal einen Raum ohne Bett – den Kartenraum – bezogen hatte, war ihnen auch nichts anderes übriggeblieben. Für mehr Kajüten hatte das Schiff keinen Platz. Die Crew war schon in die Lagerräume ausgewichen und es war kein Geheimnis, dass die Seeleute mehr als skeptisch waren, eine so dubiose Truppe an Bord zu haben.

      »Deshalb kannst du trotzdem anklopfen!« Der Anblick des fremden Schiffes schien nicht dazu zu führen, dass sie aufhören wollten zu streiten.

      »Du könntest abschließen.« Vollkommen unbeeindruckt baute sich Gina vor Mico auf und sah ihm gerade ins Gesicht, auch wenn sie dafür hochschauen musste. Sie war dafür bekannt, dass sie streitsüchtig war, und auch dafür, dass sie es liebend gern – und üblicherweise sehr erfolgreich – mit ausgewachsenen Männern aufnahm.

      »Es war abgeschlossen.«

      »Du bist ein magischer Schlossknacker, ich bin mir sicher, dass du das besser kannst.« Sie hob bei dem Wort magisch beide Hände direkt vor Micos Gesicht und bewegte die Finger einzeln auf und ab.

      »Bei allen Göttern. Ich wollte mich umziehen, nicht den Eingang zu einer Schatzkammer verschließen.« Der Magier schlug die Hände der Faust zur Seite und kassierte dafür beinahe einen heftigen Schlag. Das Mädchen hielt nur gerade noch inne, als Machairi neben ihnen auftauchte und sie so eisig strafend ansah, dass selbst die Faust klein beigab.

      Leén hatte nicht gehört, wie er die Treppe hinaufgekommen war, und die veränderte Stimmung hatte sie bei all der ohnehin herrschenden Anspannung nicht bewusst wahrgenommen. Immerhin legten die beiden Cecilian nun ihren lächerlichen Streit bei und machten einen Schritt voneinander fort. Sie harmonierten wahrlich nicht miteinander. Mico mit seiner Überheblichkeit und seinem Griesgram und die streitsüchtige, stolze Faust waren definitiv eine unkluge Mischung. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich gegenseitig die Köpfe einschlugen. Allerdings hatte sie das gleiche auch immer über Vica und Mico gedacht und bisher hatten sie die Reise überstanden, ohne sich gegenseitig nennenswerten Schaden zuzufügen. Der Einfluss des Schattens war mal wieder bemerkenswert, selbst auf die Faust, die sich schon aus Prinzip von nichts und niemandem etwas sagen ließ. Sie alle kamen nicht um das Gefühl, das Leén schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen gespürt hatte: Das unangenehme Verlangen, ihn auf keinen Fall zu verärgern und lieber den eigenen Stolz hintenanzustellen. Obwohl es eine sehr eindeutige Beobachtung war und es nahezu erniedrigend werden konnte, wenn man wie Gwyn lieber auf Knien um Vergebung bitten wollte, als sich einer weiteren Auseinandersetzung zu stellen, war es der Harethi bisher nicht gelungen, genau zu sagen, woher dieser Effekt rührte.

      Der Schatten trat an die Reling und sah auf das nahe Schiff. Der Wind trug Stimmen, aufgeregtes Rufen, über das Wasser an ihr Ohr. Noch waren sie nicht in Reichweite, um sie unter Beschuss zu nehmen, und vermutlich würden sie erst die Herausgabe der Prinzessin verlangen, bevor sie das kleine Schiff den Fluten überantworteten. Trotzdem erwartete Leén – und sie war sich sicher, dass die meisten anderen von einer ähnlichen Angst ergriffen waren – jeden Moment eine Kanonenkugel neben sich einschlagen zu spüren. Der Steuermann, der sichtlich sein bestes gab, sich nicht ständig umzudrehen, hatte die Finger viel stärker um das Steuer geklammert als nötig gewesen wäre. Seine Knöchel traten weiß hervor und er zitterte. Auch der Rest der Crew war in verdächtige Stille verfallen, nur der Kapitän war nirgends zu sehen. Vielleicht gab es eine Absprache mit Machairi, vielleicht wusste er aber auch noch nicht einmal von dem Ärger, der ihnen bevorstand. Gerade als sie Mico danach fragen wollte, weil sie sich nicht traute, Machairi in seinem … Schauen zu unterbrechen, trat ein Mann an Deck, den sie als den Kapitän erkannte.

      Der leicht untersetzte Mann war sichtlich mehr ein Händler als ein Seebär. Sie fuhren unter Harethiflagge in den felsigen Gewässern nahe der Küste, die jeder mit einem größeren Schiff und ein wenig Verstand weitläufig umfuhr. Riffe und Felsformationen waren überall an der Küste verteilt und die Legenden erzählten sogar von Seemonstern, die sich von Zeit zu Zeit ins flachere Wasser der küstennahen Regionen verirrten. In solchen Umständen kannte der mittelalte Mann sich aus. Auf dem offenen Meer war er nicht häufig unterwegs und wenn man es genau nahm, war das Schiff nicht dafür gemacht. Ganz davon abgesehen wurde er sonst nicht von einem königlichen Schiff verfolgt und hatte keine so bedeutenden Gäste an Bord, Gäste, die ihn – sollte der Prinz sie einholen und ihrer Verbrechen überführen – mit Sicherheit mehr als nur sein Schiff kosten würden. Trotzdem hatte er sie mitgenommen. Noch ein Rätsel, das Leén nicht lösen konnte.

      Gespenstisch still war es an Bord, während der Kapitän auf das Achterdeck trat und nun ebenfalls einen Blick auf das Verfolgerschiff warf. Wenn man genau hinsah, konnte man die Angst erkennen, die den Mann ergriff. Nach außen blieb er jedoch erstaunlich ruhig. »Es gibt ein Lösung für diese Problem, ja?«, fragte er schließlich in nicht gerade akzentfreiem Cizethi.

      »Mach das Schiff bereit, schnell und leise fortzusegeln«, antwortete Machairi ruhig und durch die weißbehandschuhte Hand drehte sich ein silbernes Messer. Der Kapitän malmte mit dem Kiefer, nickte aber, als sei ihm der Gedanke, einem anderen das Kommando zu überlassen, äußerst unangenehm.

      »Wir erwarten Zeichen«, presste er hervor und entfernte sich, um mit seiner Mannschaft zu reden. Scheinbar vertraute er immerhin darauf, dass der Schatten wusste, was er tat.

      Machairi drehte sich zu der kleinen Gruppe an Deck und kurz glaubte Leén zu sehen, dass die schwarzen Augen nach etwas suchten. »Mico«, sagte er schließlich und Leén fragte sich, ob er vielleicht unwillkürlich nach Gwyn Ausschau gehalten hatte. »Bring die Prinzessin unter Deck.«

      Auch Mico schien zu merken, dass er die Aufgabe bekam, die normalerweise Gwyn zufiel. Seufzend nickte er jedoch, deutete eine kleine Verneigung in Korys Richtung an und deutete auf die Treppe zum Hauptdeck. Die Prinzessin hingegen sah nicht gewillt aus, so einfach nachzugeben. »Danke, aber ich glaube, ich fühle mich an Deck wohler«, verkündete sie