Pyria. Elin Bedelis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elin Bedelis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754940136
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hilfreich noch erwünscht waren, entschied das Götterkind, lieber zu schweigen. Sie fuhr sich mit den Fingern über ihren Zopf und starrte die hölzernen Wände an, bis sie das Gefühl hatte, dass sie ihr entgegenkamen. Auch Vica ging dazu über zu schweigen und als Leén glaubte, Tränen in den blinden Augen schwimmen zu sehen, nahm sie an, dass die Naturistin in ihrem Kopf mit dem Drachen kommunizierte. Dabei wollte sie nicht stören und so verließ sie die Kajüte.

      Rastlos wanderte sie über das Schiff. Schon seit sie abgelegt hatten, konnte Leén nicht recht zur Ruhe kommen. Alles schien ihr plötzlich so viel bedrohlicher und es gab noch immer zu viele Dinge, die sie nicht verstand, die sie Ila gerne noch in endloseren weiteren Stunden Unterrichts gefragt hätte. Nun war sie auf sich selbst gestellt und fühlte sich ebenso unwissend wie vor ihrer Reise nach Om’falo. Sie wusste natürlich, dass das nicht stimmte. Nicht im Entferntesten. Sie hatte viele Dinge herausgefunden, die sie lieber niemals gewusst hätte, und die Fragen, die nun durch ihren Kopf geisterten, waren ganz andere als in der Wüste. Nur das Thema war das gleiche geblieben. Was hatten ihre Eltern ihr alles verheimlicht? Was konnte sie anfangen mit diesen Fähigkeiten, die so begehrt zu sein schienen? Konnte sie wirklich Gutes damit tun? Wie sollte sie lernen, damit umzugehen und was gab es noch alles zu wissen über ihren Vater, der einst ein Gott gewesen war, und ihre Mutter, die wie ein Medium zu den Göttern gewesen war? Das alles war so abstrus und unglaublich, dass sie sich manchmal an einem anderen Mysterium festzuhalten versuchte: Machairi. Sie verstand diesen Mann nicht. Nicht seine Art, nicht seine Handlungen und nicht seine Vergangenheit. Nichts, was sie über ihn wusste, ergab ein stimmiges Bild.

      Wie schon so oft landete Leén wieder auf dem Hauptdeck und wanderte gedankenverloren die Reling entlang, schaute in die weite Ferne des glitzernden Wassers, das sich in alle Richtungen um sie herum erstreckte, und hing ihren Gedanken nach. Es gab so viele Dinge, über die sie nachdenken wollte und musste, und leider führten ihre Überlegungen viel zu oft ins Nichts. Sie konnte nun einmal nichts daran ändern, dass sie nicht mehr Informationen hatte als die wenigen, die Ila ihr gegeben hatte und die sie selbst gesammelt hatte.

      Seufzend blieb Leén am Heck des Schiffes stehen und starrte auf den Horizont, hinter dem sie Hareth zurückgelassen hatten. Vorher waren sie lange Zeit entlang der Küste gesegelt und sie hatte befürchtet, entdeckt zu werden, aber nichts war geschehen. Sie waren nicht einmal kontrolliert worden. Offenbar war die Crew, die sie samt Schiff angeheuert hatten, um sie sicher ans Ziel zu bringen, bekannt in diesen Gewässern und niemand ahnte, was für gefährliche Menschen sich an Bord befanden.

      »Vermisst du es bereits? Dein Zuhause?«, fragte eine Stimme von hinten und Leén fuhr herum.

      Kurz musterte sie ihr Gegenüber, bevor sie den Kopf senkte. »Nicht direkt«, murmelte sie, wiederholt unentschlossen, wie sie sprechen und sich verhalten sollte, auch wenn sie das bei ihrer letzten kurzen Unterhaltung geklärt hatten. Eine Hose war einfach nicht sinnvoll, um zu knicksen, aber eine Verneigung wäre ihr auch seltsam vorgekommen und eine Anrede wäre ihr auch fremd gewesen. Zum Glück schien das nicht notwendig, denn die junge Dame bestand nicht darauf.

      Koryphelia Laurena Desdori Irenja Paranomo, Prinzessin von Cecilia, Tochter des Königs Thredian Détestes Echtros Paranomo von Cecilia, war ganz und gar unerwartet anders. Leén hatte ein verzogenes, arrogantes, verwöhntes Königsbalg erwartet. Viel gesprochen hatten sie bisher nicht, aber im Grunde wirkte das Mädchen, nun, nett. Sie war ein bisschen jünger als der Rest der Gruppe. Während Leén glaubte, dass sie mit ihren nicht ganz zwanzig Jahren eher eine der Jüngsten war, hatte Koryphelia den Altersschnitt gesenkt. Leén war sich nicht sicher, ob sie älter als fünfzehn war. Sie war nicht mit unendlicher Schönheit gesegnet, aber man sah ihr an, dass man sich stets nur das Beste für ihr Aussehen geleistet hatte. So war ihre Haut rein und gleichmäßig und so hell, dass sie in der Sonne augenblicklich verbrennen musste, und ihre blonden Haare glänzten wie fein gesponnenes Gold. Ihre Erziehung und ihren Status sah man ihr vor allem an der kerzengeraden Haltung an, von der sie nur selten abwich. Leén wollte gar nicht wissen, wie ermüdend kleinlich das Mädchen erzogen worden sein musste. »Es ist ein wirklich schönes Land«, sprach die Prinzessin und trat neben Leén, um ebenfalls auf die Wellen hinauszublicken.

      Die Harethi schmunzelte und musterte die Prinzessin von der Seite. »Ja, das ist es«, stimmte sie dann zu und fragte sich erneut, warum sie sie aus dem Schloss geholt hatten. Inzwischen hatte sie zumindest verstanden, dass das Mädchen hatte gehen wollen, die Frage war nur, warum Machairi ihr geholfen hatte. »Warum … warum wolltet Ihr fort?«, fragte sie deshalb vorsichtig in der Hoffnung, sich nicht in der Anrede zu vergreifen. Die Formalitäten der fremden Sprache fielen ihr noch immer schwer, aber sie glaubte, dass sie richtig lag.

      »Das wollte ich gar nicht. In erster Linie möchte ich nicht mit einem Mann verheiratet werden, den ich noch nie gesehen habe. Ganz sicher nicht, wenn ich damit nur das erste von 42 Puzzleteilen eines Harems werden würde.« Seufzend sah das Mädchen weiter auf den Horizont und hatte Leéns vollstes Verständnis. Obwohl sie aus Hareth stammte, hatte sie einen Harem nie als wünschenswert angesehen, auch nicht den des zukünftigen Sultans. Ihre Eltern hatten einander sehr geliebt und sie wollte lieber eine ähnliche Beziehung auf Augenhöhe führen als Teil einer Gruppe zu werden. »Mir war immer klar, dass ich nicht im eigenen Interesse heiraten würde«, fügte die Prinzessin hinzu und es war bemerkenswert, wie erwachsen das Mädchen schien. »Doch wenn es politische Gründe sein müssen, sollen es wenigstens positive sein.«

      »Prinzessin, warum hat er Euch geholfen?«, fragte Leén weiter und vergrub die Finger im Geflecht ihres Zopfes. Sie verstand, warum das Mädchen fortgewollt hatte, aber sie war noch immer keinen Schritt näher am Gesamtbild. War eine Hochzeit nicht ein Friedensangebot? Wie viel positiver sollten die Gründe denn werden? Andererseits wusste die Prinzessin sicherlich besser, was ihr Vater erreichen wollte, und das war ein Thema, an das Leén sich nicht heranwagte.

      Koryphelia löste den Blick von der klaren Linie des Horizonts und sah Leén aus tiefblauen Augen an. »Bitte nenn mich … Phela oder denk dir irgendeinen Namen für mich aus. Schlimmer als der echte kann es nicht werden.« Sie lächelte. »Und ich nehme an, dass er dir diese Frage sehr viel besser beantworten kann.«

      Überrascht nickte Leén und drehte das Ende des Zopfes um ihren Zeigefinger, während sie nachdachte. Machairi würde nicht mehr verraten, als sie wissen musste, außer sie erwischte ihn in wirklich guter Laune, aber das schien im Grunde ausgeschlossen. Außerdem hatte sie nicht das Bedürfnis, ihm zu nahe zu kommen. Seine kalte Wut auf Gwyn hatte ihr in Erinnerung gerufen, was für ein Mensch er war – falls er denn wirklich ein Mensch war –, und sie schämte sich für die Abende und die Nacht, die sie in seinem Zimmer verbracht hatte, und für die Verlegenheit, in die er sie gebracht hatte. Für einen Moment hatte sie tatsächlich gedacht, Ila könnte recht haben mit ihrer Beobachtung, aber jetzt war der Gedanke so absurd, dass sie sich dafür hätte ohrfeigen können, das jemals in Betracht gezogen zu haben.

      Als sie keine Antwort bekam, schien die Prinzessin sich gezwungen zu sehen, weiterzureden. »Ich habe meine Zofe in den Bienenstock geschickt mit einem Brief und der Bitte, mir zu helfen. Im Gegenzug habe ich eine Gegenleistung seiner Wahl, zum Beispiel Informationen aus dem Schloss, angeboten. Nachdem sie ohne Antwort zurückkam, ging ich davon aus, dass mein Angebot abgelehnt worden war.«

      Das war tatsächlich mehr als interessant. Es erklärte, warum Machairi so genau gewusst hatte, dass der König nach Hareth reiste. Es erklärte auch, weshalb das Mädchen so willig mitgekommen war und gar nicht an Flucht zu denken schien, obwohl sie aus ihrem Zimmer entführt worden war. Was Machairi davon hatte, wurde daraus leider nicht klar. Es war kaum vorstellbar, dass irgendetwas in Kefa vorgehen konnte, von dem Machairi nichts wusste. Wofür brauchte er die Prinzessin also so dringend, dass er für sie vom eigentlichen Ziel abwich? Ursprünglich war die Gruppe schließlich aufgebrochen – so zumindest die Information, die Machairi suggeriert hatte – um ein sehr altes Orakel zu finden. Es sollte in der Lage sein, jede Frage zu beantworten, und seit einiger Zeit folgte die ganze Welt einer Prophezeiung nach Cecilia, um dort nach dem verschollenen Orakel zu suchen. Seit Machairi aber zu Mico gesagt hatte »Ihr hört, was ihr hören wollt«, versuchte sie, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern, den er in den Katakomben unter Kefa verwendet hatte. Leider gelang es ihr nicht, genauso wenig wie an jede andere Unterhaltung