Der blaue Kavalier. Albert Emil Brachvogel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Albert Emil Brachvogel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183724
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Das beruhigte ihn. War ihm doch, als habe er unter den Augen der hohen Dame selbst, die ihn einst eines Kusses gewürdigt, sich der Verachtung seines Namens und der Niedrigkeit seines Gewerbes entledigt. Jung und phantastisch, wie er war, entschädigte dies einigermaßen sein sehnsuchtsvolles Herz.

      Fast war’s ganz finster in der Galerie, als die geheime Tür sich wieder öffnete. Lord Villier trat heraus, von Pagen mit Windlichtern begleitet. Er eilte lächelnd auf William zu und ergriff seine Hand.

      »Es steht köstlich, alles ist entdeckt! Folgt mir, Euer Glück winkt, und vergesst ja nicht, ich bin Euer Schuldner!«

      Er nahm ihn am Arm und schob ihn durch die Panele, öffnete ein zweites Pförtchen, und William stand vor König Jakob, dem Prinzen Carl, der Königin Anna und einem Kreise glänzender Herren und Frauen. Sein erster Blick fiel auf seinen Vater, der krampfhaft noch das blaue Wams im Arme hielt.

      »William Cravenius, filius hominis, qui vestimentis faciendas victum quaerit, tritt her!«

      Der Jüngling trat gebückt vor den Monarchen.

      »Weil Du nicht bloß heute ein Beispiel Deiner mutigen Kindesliebe gegeben hast, nicht bloß der Erstgeborne eines würdigen Mannes, Unsers getreuen Dieners bist, der von Uns bei Gelegenheit der Vermählung Unserer kurfürstlichen Tochter zum Nobilis gentilis gemacht worden, und es billig ist, dass diese Ehre sich in seinem Blute fortpflanze, sondern weil Du Uns heute mannhaft zu der Entdeckung des schimpflichen, schreckvollen Mordes Sir Oversburys verholfen und Uns wie Unser Haus von diesem verbrecherisch ehrlosen Manne Rochester erlöst hast, also — knie nieder!« —

      William sank verwirrt dem Könige zu Füßen.

      »Denn Wir — Villier, gebt Uns Euer Schwert, — aber um Gotteswillen vorsichtig! So! — Also schlagen Wir Dich, William Craven, zum Edelmanne und Ritter, armigero, im Namen Gottes, des Sohnes und des Geistes, und befehlen, dass Du das blaue zerfetzte, für Unsern königlichen Leib bestimmte Gewand als adlig Kleid tragest, es im Schilde führen und Dich den ›blauen Kavalier‹, eques coloris caerulei fortan nennen sollst, haha!«

      Er reichte ihm zum Kuss die Hand.

      »Steh’ denn auf und gehe heim!«

      William, nicht mehr Mister, sondern Ritter, wusste nicht, wie ihm geschah. Aber die Verwirrung musste ihm sehr artig anstehen, denn er sah sich mit einer Fülle von Huld ringsum überhäuft, die er gar nicht begriff.

      Endlich traten Vater und Sohn den Heimweg an, — erst stumm genug. Bei Charingcross hielt der Alte an und fiel William um den Hals.

      »Sohn, Sohn, Du bist Sir, bist Ritter! Herr du meines Lebens, der wird die Schneiderei groß machen!«

      Zweites Kapitel

      Der Fall des allmächtigen Rochester hatte für William anfänglich wahrhaft betäubende, für das Schicksal des Hauses Craven höchst entscheidende Folgen. Unser Held wurde nicht mehr Mister, nicht einmal bloß Sir, sondern Sir William, Ritter von Craven, am Allgemeinsten aber der »blaue Kavalier« genannt. Im ersten Staunen waren Vater und Sohn über das eigene Glück ganz verblüfft. Der Alte konnte gar nicht begreifen, was eigentlich sein Sohn für eine besondere Tat getan habe, William selbst fasste die Größe solcher Gunst nicht einmal, da er sich doch nur bewusst war, zum Schutze seines Vaters aufgetreten zu sein und seine Untertanenpflicht erfüllt zu haben, sich nur zu sehr bewusst war; wie der Zufall hierbei weit mehr als sein eigner Wille die bewegende Ursache gewesen. Dass kraftlose Fürsten gerade das zufällige Verdienst, sobald es sie nur in glücklicher Minute von einer persönlich drückenden Fessel, von den natürlichen Folgen ihrer eignen Schwäche befreit, am höchsten belohnen, ahnte er ebenso wenig, als dass solide, aus sich selbst erlangte Tüchtigkeit eines Untertans denselben selten mehr als eine zögernde, höchst laue Anerkennung abringt.

      Das plötzlich entdeckte Verbrechen Lord Robert Carrs von Rochester, Herzogs von Somerset, war schwer, aber es war nicht ganz sein eignes.

      Er schien mehr Mitschuldiger als eigentlicher Täter. —

      Graf Essex, der Sohn des enthaupteten Lieblings Elisabeths, anfänglich König Jakobs Günstling, war durch Sir Robert Cecil, den Minister, an die schöne Franziska Howard aus dem königlichen Hause der Suffolk vermählt worden, ohne dass letztere ihn liebte. Sie lernte bei Hofe Rochester kennen.

      Beide fassten eine wilde Leidenschaft füreinander, Essex’ Ehe ward hierdurch die leibhaftige Zwietracht, und die Scheidung wurde von Franziska alsbald mit den schamlosesten Mitteln betrieben. Der Ritter Oversbury, Rochesters vertrauter Freund, war hiergegen aufgetreten. Er hatte versucht, den Herzog von der Verbindung mit einer Frau abzuhalten, die weder in dem Rufe der Keuschheit noch Treue stand.

      Franziska, racheerfüllt, wusste aber den schwachen Geliebten zu bestimmen, dass er Oversbury höchst hinterlistig um des Königs Gnade, ja in so schweren Verdacht brachte, dass man ihn in den Tower warf.

      Dort, unter Rochesters Vorwissen, hatte Franziska durch ihre Kreaturen den Giftmord an diesem Unglücklichen verübt, und über seinem Grabe war ihre Trennung von Essex, wie die Verbindung mit dem mächtigen Günstlinge erfolgt. Hätte es im Plane des Hofes gelegen, Rochester aufrecht zu halten, sicherlich wäre William Craven, statt zum Ritter geschlagen zu werden, als Verleumder exemplarisch genug bestraft worden, und man hätte sich beeilt, alle Zeugen und Beweise für die Tat beiseite zu schaffen. Rochester, der in unumschränkter Gewalt sich nach und nach über den eignen Herrn erhoben hatte, war diesem indes längst lästig geworden. Der größte Teil des Hofes, besonders Villiers, hasste ihn und hatte an seinem Fall gearbeitet, ohne ihm beikommen zu können. Dieselbe Schwäche Jakobs, welche Robert Carr erhoben, hielt ihn auch, und die Koterien arbeiteten fruchtlos gegeneinander. William Cravens Entdeckung kam Jakob, der Königin, dem Prinzen und Villiers somit als eine Erlösung, und die summarische Hast, mit der Rochesters Prozess betrieben, möglichst bitter und beschimpfend gemacht, und somit ein Skandal, der dem Hofe selbst wenig zur Ehre gereichte, absichtlich der Öffentlichkeit preisgegeben wurde, bewies, wie sehr man froh war, den überlästig Mächtigen unterm Schilde des unparteiischen Gesetzes vernichten zu können.

      Rochester und Franziska wie ihre Helfershelfer wurden von der Sternkammer zum Tode verurteilt.

      Indes nicht auf strenges Gericht, sondern moralische Vernichtung, auf die Unschädlichmachung des ehemaligen Günstlings nur war’s abgesehen, denn der König begnadigte das verbrecherische Paar zum Tower; nachdem die Sache der Erinnerung der Menschen aber entrückt war, verbannte er sie auf ihre Güter.

      Rochesters Sturz aber war zur Zeit für jedermann das außerordentlichste und froheste Ereignis.

      Die Königin, Prinz Carl von Wales und Villiers, der seine Bahn nun frei sah, überschütteten unmittelbar nach begonnenem Prozesse den »blauen Kavalier« mit glänzenden Beweisen ihrer Gunst. Als Rochester verurteilt worden war, besuchten Mitglieder des Parlaments scharenweise des Hofschneiders Haus und gratulierten ihm zu dem furchtlosen Patriotismus seines Sohnes, der das Land wie den Thron von einem »übermütigen Bedrücker« erlöst habe, und stellten William die stolzeste Zukunft in Aussicht. Bei der Bürgerschaft und dem niederen Volke erlangte die Familie Craven aber eine Popularität, als ob ihrem Schoße ein Volksbefreier entstiegen wäre, und nie hatte Meister Craven mehr Bestellungen, als in diesem gesegneten Jahre. Solchem Übermaße von Glück war der Geist des Hofschneiders kaum gewachsen.

      »Nein«, rief er mitten im Taumel dieser Tage, »nein, mein lieber Junge, der Ruhm ist zu groß für mich, meine alten Schultern können die Last der Ehre nicht mehr tragen! Ich bin ein leidlicher Lordmayor gewesen und habe in der Gilde wie vor der Stadt Robe und Barett mit gutem Anstande getragen. Aber dass unser Haus in Dir zu solcher Höh’ gelangen solle, das hat wohl Deine selige Mutter, die des Fassbinders Uleswather ehrsame Tochter gewesen, im Traume nicht gedacht! Da Du uns und die Schneiderei nun so zu Ansehen gebracht hast, ein Ritter bist, und — wie die Herren vom Parlamente, die Leute vom Hofe und wer mich nur ansieht, versichern, — Dir wer weiß welche Stellen und Würden