Die Dämonen. Fjodor Dostojewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754173145
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seinem ehrlichen Namen zu verdecken. Eben das habe ich erdulden müssen; ich rede von mir selbst ...«

      »Nehmen Sie sich in acht, Liputin!« rief Stepan Trofimowitsch, indem er sich von seinem Lehnstuhl erhob; er war ganz blaß geworden.

      »Glauben Sie es nicht, glauben Sie es nicht! Es hat sich irgend jemand geirrt, und Lebjadkin ist ein Trunkenbold!« schrie der Ingenieur in unbeschreiblicher Aufregung. »Es wird sich alles aufklären; aber ich kann nicht mehr ... und ich halte es für eine Niederträchtigkeit ... Genug davon, genug!«

      Er rannte aus dem Zimmer.

      »Was haben Sie denn? Ich komme ja mit Ihnen mit!« rief Liputin eilig, sprang auf und lief hinter Alexei Nilowitsch her.

       VII.

      Stepan Trofimowitsch stand eine Minute lang in Gedanken versunken da, blickte mich an, ohne mich zu sehen, nahm dann seinen Hut und Stock und ging sachte aus dem Zimmer. Ich folgte ihm wieder wie vorher. Als wir aus dem Tor traten, bemerkte er, daß ich ihn begleitete, und sagte:

      »Ach ja, Sie können als Zeuge dienen ... de l'accident. Vous m'accompagnerez, nestce pas? «

      »Stepan Trofimowitsch, wollen Sie denn wirklich wieder dorthin? Überlegen Sie doch, was die Folge sein kann!«

      Mit einem kläglichen, fassungslosen Lächeln, einem Lächeln, in welchem Scham und völlige Verzweiflung und gleichzeitig ein sonderbares Entzücken zum Ausdruck kamen, flüsterte er mir, einen Augenblick stehen bleibend, zu:

      »Ich kann doch nicht ›fremde Sünden‹ heiraten!«

      Auf dieses Wort hatte ich nur gewartet. Endlich war dieses bedeutungsvolle Wort ausgesprochen worden, das er mir eine ganze Woche lang durch allerlei Winkelzüge und Ausflüchte zu verbergen gesucht hatte. Ich kam geradezu außer mir.

      »Und ein so schmutziger, ein so gemeiner Gedanke konnte bei Ihnen entstehen, bei Stepan Werchowenski, in Ihrem hellen Verstande, in Ihrem guten Herzen, und ... und sogar noch vor Liputins Mitteilungen!«

      Er sah mich an, antwortete aber nicht und ging auf demselben Wege weiter. Ich wollte ihn nicht verlassen. Ich wollte bei Warwara Petrowna Zeuge sein. Ich hätte ihm verziehen, wenn er in seinem weibischen Kleinmute nur Liputin Glauben geschenkt hätte; aber jetzt war es deutlich, daß er schon lange vor Liputins Einflüsterungen sich in seinem Kopfe alles in dieser Weise zurechtgelegt und daß Liputin jetzt nur seinen Verdacht bestärkt und Öl ins Feuer gegossen hatte. Er hatte kein Bedenken getragen, das junge Mädchen gleich vom ersten Tage an zu beargwöhnen, noch ehe er irgendwelche Gründe dafür hatte, nicht einmal die von Liputin vorgebrachten. Warwara Petrownas despotisches Verfahren erklärte er sich nur aus ihrem Wunsche, um jeden Preis so schnell wie möglich durch die Heirat mit einem achtbaren Manne die adligen Sünden ihres teuren Nikolai zu vertuschen! Ich wünschte von Herzen, daß er dafür bestraft werden möchte.

      »O! Dieu, qui est si grand et si bon! Oh, wer wird mir meine Ruhe wiedergeben?« rief er aus, nachdem er noch hundert Schritte weitergegangen war, und blieb plötzlich stehen.

      »Kommen Sie schnell nach Hause; da will ich Ihnen alles erklären!« rief ich und drehte ihn mit Gewalt um, nach seinem Hause zu.

      »Er ist es! Stepan Trofimowitsch, sind Sie es? Wirklich?« ertönte eine frische, muntere, jugendliche Stimme, die wie Musik klang, in unserer Nähe.

      Wir sahen nichts; aber neben uns erschien plötzlich eine Reiterin, Lisaweta Nikolajewna, mit ihrem ständigen Begleiter. Sie hielt ihr Pferd an.

      »Kommen Sie, kommen Sie schnell her!« rief sie laut in lustigem Tone. »Ich habe ihn zwölf Jahre lang nicht gesehen und doch erkannt; aber er ... Erkennen Sie mich wirklich nicht?«

      Stepan Trofimowitsch ergriff die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, und küßte sie ehrfurchtsvoll. Er blickte sie an mit einem Gesichte, als ob er betete, und konnte kein Wort herausbringen.

      »Er hat mich erkannt und freut sich! Mawriki Nikolajewitsch, er ist entzückt darüber, daß er mich wiedersieht! Warum sind Sie denn die ganzen zwei Wochen nicht zu uns gekommen? Die Tante wollte mir einreden, Sie wären krank und dürften nicht aufgeregt werden; aber jetzt sehe ich, daß sie mich belogen hat. Ich habe immer mit den Füßen gestampft und auf Sie geschimpft; aber ich wollte unbedingt, unbedingt, daß Sie von selbst zuerst kommen sollten; darum habe ich nicht zu Ihnen geschickt. O Gott, und er hat sich gar nicht verändert!« fügte sie hinzu, indem sie sich vom Sattel herabbeugte und ihn näher betrachtete. »Es ist ordentlich lächerlich, wie er unverändert geblieben ist! Ach nein, da sind Fältchen, viele Fältchen um die Augen und auf den Backen, und auch einige graue Haare sind da; aber die Augen sind dieselben geblieben! Aber habe ich mich verändert? Ja? Habe ich mich verändert? Aber warum reden Sie denn gar nicht?«

      In diesem Augenblicke erinnerte ich mich an die Erzählung, daß sie ordentlich krank geworden sei, als man sie als elfjähriges Kind nach Petersburg brachte. Sie habe in der Krankheit geweint und nach Stepan Trofimowitsch verlangt.

      »Sie ... ich ...« stammelte er jetzt; aber die Stimme versagte ihm vor Freude. »Ich habe soeben gerufen: ›Wer wird mir meine Ruhe wiedergeben?‹ und da ertönte Ihre Stimme ... Ich halte das für ein Wunder, et je commence à croire. «

      »En Dieu? En Dieu, qui est là haut et qui est si grand et si bon? Sehen Sie, ich weiß alles, was Sie mir beigebracht haben, noch auswendig. Mawriki Nikolajewitsch, was hat er mich damals für einen Glauben en Dieu, qui est si grand et si bon, gelehrt! Erinnern Sie sich an Ihre Erzählung davon, wie Kolumbus Amerika entdeckte, und wie alle schrien: ›Land, Land‹? Meine Wärterin Alona Frolowna sagt, ich hätte nachher in der Nacht phantasiert und im Schlafe ›Land, Land!‹ gerufen. Und wissen Sie noch, wie Sie mir die Geschichte vom Prinzen Hamlet erzählten? Und wissen Sie noch, wie Sie mir beschrieben, wie die armen Auswanderer von Europa nach Amerika transportiert werden? Es war alles unwahr; ich habe es nachher alles erfahren, wie sie transportiert werden; aber wie hübsch hat er mir damals alles vorgelogen, Mawriki Nikolajewitsch; es war beinah schöner als die Wahrheit! Warum sehen Sie denn Mawriki Nikolajewitsch so an? Das ist der beste, treueste Mensch auf dem ganzen Erdball, und Sie müssen ihn unbedingt ebenso lieb gewinnen wie mich! Il fait tout ce que je veux. Aber mein Täubchen, Stepan Trofimowitsch, Sie sind also wieder unglücklich, wenn Sie mitten auf der Straße ausrufen: ›Wer wird mir meine Ruhe wiedergeben?‹ Sie sind unglücklich, nicht wahr, nicht wahr?«

      »Jetzt bin ich glücklich ...«

      »Hat die Tante Ihnen etwas zuleide getan?« fuhr sie, ohne auf ihn zu hören, fort. »Sie ist noch immer dieselbe böse, ungerechte und uns allen ewig teure Tante! Wissen Sie noch, wie Sie sich im Garten mir in die Arme warfen und ich Sie tröstete und weinte? Fürchten Sie sich nur nicht vor Mawriki Nikolajewitsch; er weiß über Sie alles, alles, schon lange; Sie können an seiner Schulter weinen, soviel wie Ihnen beliebt; er wird, solange es Ihnen beliebt, stehen bleiben! ... ... Schieben Sie Ihren Hut ein bißchen zurück, oder nehmen Sie ihn für einen Augenblick ganz ab, strecken Sie den Kopf vor, und stellen Sie sich auf die Zehen; ich will Sie gleich auf die Stirn küssen, wie ich Sie das letztemal geküßt habe, als wir voneinander Abschied nahmen. Sehen Sie nur, jenes Fräulein da beobachtet uns aus dem Fenster ... Nun, näher, näher! O Gott, wie grau er geworden ist!«

      Sie beugte sich im Sattel herunter und küßte ihn auf die Stirn.

      »Nun, jetzt will ich Sie bei Ihnen zu Hause besuchen! Ich weiß, wo Sie wohnen. Ich werde gleich bei Ihnen sein. Ich werde Ihnen den ersten Besuch machen, Sie eigensinniger Mensch, und Sie dann für den ganzen Tag zu mir schleppen. Gehen Sie, und bereiten Sie sich auf meinen Besuch vor!«

      Dann sprengte sie mit ihrem Kavalier davon. Wir kehrten nach Hause zurück. Stepan Trofimowitsch setzte sich auf das Sofa und brach in Tränen aus.

      »Dieu, Dieu!« rief er. »Enfin une minute de bonheur!«

      Schon nach zehn Minuten erschien sie ihrem Versprechen gemäß, und zwar in Begleitung ihres Mawriki Nikolajewitsch.

      »Vous et le bonheur,