Die Dämonen. Fjodor Dostojewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754173145
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      »Oh, jedenfalls, et vous ferez un bienfait ... «

      »Ich tue es durchaus nicht um des bienfait willen; es ist mir selbst an einem Gehilfen gelegen.«

      »Ich bin mit Schatow ziemlich gut bekannt,« sagte ich, »und wenn Sie mich mit einer Bestellung an ihn beauftragen wollen, so will ich sofort zu ihm hingehen.«

      »Bestellen Sie ihm, er möchte morgen mittag um zwölf Uhr zu mir kommen. Wunderschön! Ich danke Ihnen. Mawriki Nikolajewitsch, sind Sie fertig?«

      Sie gingen weg. Ebenso natürlich ich, um sofort zu Schatow zu laufen.

      »Mon ami!« sagte Stepan Trofimowitsch zu mir, der mir nacheilte und mich auf den Stufen vor der Haustür einholte, »seien Sie jedenfalls um zehn oder elf Uhr bei mir, wenn ich zurückkomme. Oh, ich stehe sehr, sehr schuldbeladen vor Ihnen da und ... vor allen, vor allen!«

       VIII.

      Schatow traf ich nicht zu Hause; ich ging zwei Stunden darauf noch einmal heran: er war wieder nicht da. Endlich, es war schon sieben durch, begab ich mich noch einmal zu ihm, um ihn entweder anzutreffen oder einen Zettel für ihn dazulassen; aber auch diesmal traf ich ihn nicht. Seine Wohnung war verschlossen, und er wohnte allein, ohne alle Bedienung. Ich wollte unten bei Hauptmann Lebjadkin vorsprechen, um nach Schatow zu fragen; aber auch da war zugeschlossen und kein Laut zu hören und kein Licht zu sehen; es schien kein Mensch da zu sein. Neugierig ging ich unter der Nachwirkung der kurz vorher gehörten Erzählungen an Lebjadkins Tür vorbei. Schließlich entschied ich mich dafür, am nächsten Tage recht früh wiederzukommen. Auch auf den Zettel setzte ich, um die Wahrheit zu sagen, nicht viel Hoffnung. Sehr möglich, daß Schatow sich nicht darum kümmerte; er war so ein eigenwilliger, scheuer Mensch. Mein Mißgeschick verwünschend ging ich schon aus dem Torwege, als ich plötzlich auf Herrn Kirillow stieß; er ging ins Haus und erkannte mich zuerst. Da er selbst zu fragen begann, so erzählte ich ihm alles in den Hauptpunkten und sagte auch, daß ich einen Zettel bei mir hätte.

      »Kommen Sie mit!« sagte er; »ich werde alles erledigen.«

      Ich erinnerte mich, daß er nach Liputins Mitteilung seit dem Vormittage ein auf dem Hofe gelegenes hölzernes Seitengebäude bewohnte. In diesem Seitengebäude, das für ihn sehr viel Platz bot, wohnte mit ihm zusammen eine alte taube Frau, die bei ihm die Aufwartung hatte. Der Besitzer dieses Hauses hatte in einer andern Straße in einem andern ihm gehörigen, neuen Hause ein Restaurant und hatte diese alte Frau, wohl eine Verwandte von ihm, zurückgelassen, um das ganze alte Haus zu beaufsichtigen. Die Zimmer in diesem Seitengebäude waren ziemlich sauber gehalten, aber die Tapeten schmutzig. In demjenigen Zimmer, in das wir eintraten, waren die Möbel bunt zusammengewürfelt, nicht zueinander passend und von sehr geringem Werte: zwei L'hombretische, eine Kommode von Erlenholz, ein großer Brettertisch aus einer Bauernstube oder einer Küche, ein paar Stühle und ein Sofa mit einer Lattenlehne und harten Lederkissen. In einer Ecke befand sich ein altertümliches Heiligenbild, vor welchem die Alte schon vor unserem Eintritte das Lämpchen angezündet hatte, und an den Wänden hingen zwei große, dunkel gewordene Porträts in Öl; das eine stellte den ehemaligen Kaiser Nikolai Pawlowitsch dar und war, nach dem Aussehen zu urteilen, in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts gemalt; das andere war das Bild irgendeines Bischofs.

      Herr Kirillow zündete, sobald er eingetreten war, ein Licht an und holte aus seinem Koffer, der in der Ecke stand und noch nicht ausgepackt war, ein Kuvert, Siegellack und ein kristallenes Petschaft heraus.

      »Siegeln Sie Ihren Zettel ein, und schreiben Sie die Adresse auf das Kuvert!«

      Ich erwiderte, das sei eigentlich nicht nötig; aber er bestand darauf. Nachdem ich das Kuvert adressiert hatte, griff ich nach meiner Mütze.

      »Ich dachte, Sie würden bei mir Tee trinken,« sagte er; »ich habe Tee gekauft. Mögen Sie?«

      Ich lehnte es nicht ab; die alte Frau brachte bald den Tee, das heißt eine mächtige Kanne mit heißem Wasser, ein kleines Kännchen mit sehr starkem Tee, zwei große, grob bemalte Tassen von Steingut, Semmeln und einen ganzen Teller voll Stückenzucker.

      »Ich trinke gern Tee,« sagte er; »nachts; ich gehe viel hin und her und trinke; bis zum Morgengrauen. Im Auslande ist das Teetrinken bei Nacht unbequem.«

      »Sie legen sich erst gegen Morgen hin?«

      »Ja, immer; schon lange. Ich esse wenig; immer Tee. Liputin ist schlau, aber ungeduldig.«

      Es wunderte mich, daß er sich auf ein Gespräch einlassen wollte; ich beschloß, den günstigen Augenblick zu benutzen.

      »Es sind vorhin unangenehme Mißverständnisse vorgekommen,« bemerkte ich.

      Er machte ein sehr finsteres Gesicht.

      »Das sind Dummheiten; das sind lauter Possen. Das sind lauter Possen, weil Lebjadkin ein Trunkenbold ist. Ich habe zu Liputin nichts gesagt, sondern nur erklärt, daß es Possen sind; denn jener Mensch hat gelogen. Liputin hat viel Phantasie; aus einer Mücke macht er einen Elefanten. Ich habe ihm gestern geglaubt.«

      »Und heute glauben Sie mir?« fragte ich lachend.

      »Sie wissen ja schon von vorhin über alles Bescheid. Liputin ist entweder schwach oder ungeduldig oder böswillig oder ... neidisch.«

      Das letzte Wort fiel mir auf.

      »Sie haben da so viele Kategorien aufgestellt, daß es nicht wunderbar ist, wenn er in eine von ihnen hineingehört.«

      »Oder auch in alle zusammen.«

      »Ja, auch das könnte sein. Liputin ist ein reines Chaos. Hat er das wirklich heute erlogen, daß Sie eine Abhandlung schreiben wollen?«

      »Warum soll er das erlogen haben?« erwiderte er, wieder mit finsterer Miene und zu Boden blickend.

      Ich bat um Entschuldigung und versicherte ihm, daß ich ihn nicht ausfragen wolle. Er wurde rot.

      »Er hat die Wahrheit gesagt; ich schreibe. Aber das ist ganz egal.«

      Ein Weilchen schwiegen wir beide; auf einmal trat auf sein Gesicht das kindliche Lächeln, das ich schon von vorhin kannte.

      »Das von den Köpfen hat er selbst aus einem Buche entnommen und mir selbst zuerst gesagt; er versteht aber schlecht, was ich vorhabe. Ich suche nur die Ursache, weswegen die Menschen es nicht wagen, sich das Leben zu nehmen; weiter nichts. Und das ist ganz egal.«

      »Was meinen Sie damit, daß die Menschen es nicht wagen? Gibt es denn etwa so wenig Selbstmörder?«

      »Sehr wenige.«

      »Finden Sie das wirklich?«

      Er antwortete nicht, stand auf und begann nachdenklich auf und ab zu gehen.

      »Was hält denn Ihrer Ansicht nach die Menschen vom Selbstmorde zurück?« fragte ich.

      Er sah mich zerstreut an, wie wenn er sich zu besinnen suchte, wovon wir gesprochen hätten.

      »Ich ... ich bin mir darüber noch nicht ganz im klaren ... Zwei vorgefaßte Meinungen sind es, die die Menschen zurückhalten; zwei Dinge, nur zwei; ein sehr kleines und ein anderes sehr großes. Aber das kleine ist auch sehr groß.«

      »Was ist denn das kleine?«

      »Der Schmerz.«

      »Der Schmerz? Ist denn das so wichtig ... in einem solchen Falle?«

      »Das steht an erster Stelle. Es gibt zwei Arten von Selbstmördern: solche, die sich entweder aus großem Kummer töten oder aus Ingrimm oder im Wahnsinn oder aus ähnlichem Grunde ... die tun es alle plötzlich. Die denken wenig an den Schmerz, sondern tun es plötzlich. Aber diejenigen, die es mit Überlegung tun, die denken viel darüber nach.«

      »Aber gibt es denn solche, die es mit Überlegung tun?«

      »Sehr viele. Wenn die vorgefaßte Meinung nicht da wäre, würden es noch mehr sein; sehr, sehr viele; alle.«

      »Nun,